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Freitag, April 26, 2024
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    Krieg, Sanktionen und Diebstahl verursachen Hungerkatastrophe in Afghanistan

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    Während die gesamte Aufmerksamkeit westlicher Medien auf den Krieg in der Ukraine gerichtet ist, droht in Afghanistan Millionen Menschen der Hungertod. Nicht wegen Unfähigkeit oder des politischen Willens der Taliban, sondern wegen westlicher Sanktionen. – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko. 

    Aktuell wird kaum einem Thema in den Medien mehr Beachtung geschenkt als dem sich weiter entfaltenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Dieser Konflikt ist Grund für millionenfaches menschliches Leid, und alle betroffenen Arbeiter:innen beider Länder, verdienen uneingeschränkt unsere Solidarität.

    Doch sollten wir uns vom Medienfokus und der in Deutschland auf Hochtouren laufenden psychologischen Kriegsvorbereitungen nicht täuschen lassen. So ist die Ukraine bei weitem nicht der einzige Schauplatz humanitärer Katastrophen auf der Welt. Als 2021 die Marionettenregierung der USA in Kabul von den Taliban gestürzt wurde, lag der mediale Fokus auf Afghanistan.

    Seit einigen Monaten ist dieses Land wieder gänzlich aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Völlig zu Unrecht, ereignet sich da doch gegenwärtig eine der schlimmsten Hungerkatastrophen unserer Zeit: Mindestens 23 Millionen Menschen einer Bevölkerung von ca. 39 Millionen Menschen in Afghanistan leiden lebensbedrohlich an Hunger. Die Wirtschaft des westasiatischen Binnenstaates liegt in Trümmern. Es drängt sich die Frage auf: wie kam es zu der katastrophalen Situation vor Ort?

    Krieg, Sanktionen, Diebstahl

    Von 2001 bis Herbst 2021 besetzte eine von den USA geführte Koalition – Deutschland inklusive – das geostrategisch wichtige und an Mineralien reiche Land. Sie errichtete eine Regierung, die von einem großen Teil der Bevölkerung nicht anerkannt wurde und außerhalb der Hauptstadt Kabul kaum Kontrolle ausüben konnte. Die staatlichen Reserven dieser Marionettenregierung, die vollständig von den USA abhängig war, waren (bzw. sind noch immer) in Washington D.C. gelagert.

    Nach dem Sturz dieser Regierung durch die Taliban wurde das afghanische Staatsvermögen von den USA eingefroren. So haben die neuen Behörden keine Möglichkeit mehr, Nahrungsmittel oder Medikamente zu subventionieren. Doch es kommt noch schlimmer: Anfang Februar 2022 gibt US-Präsident Joe Biden bekannt, dass die amerikanische Regierung ca. 7 Milliarden US-$ aus den afghanischen Finanzreserven enteignen will – angeblich, um sie an die Opfer des Anschlags vom 11. September 2001 zu spenden.

    Schon hier sollte sich die Frage aufdrängen, wo der Zusammenhang zwischen der hungernden und leidenden Bevölkerung Afghanistans und dem Anschlag vom 11. September besteht. Dieser wurde bekanntermaßen von der Gruppe Al-Qaida um den Saudi Osama bin Laden verübt. Schlimm nur, dass die Menschen von Afghanistan diese PR-Aktion der Biden-Regierung teuer bezahlen müssen.

    Doch wir sind noch nicht fertig. Nicht nur, dass die afghanische Regierung keinen Zugriff auf die Finanzen hat, die unerlässlich wären, um Nahrung zu subventionieren. Afghanistan ist akut von amerikanischen Wirtschaftssanktionen betroffen. Was zuerst nach nicht viel klingt, ist eigentlich das größte Problem: In Afghanistan verhungern die Menschen, wie im Kapitalismus üblich, vor vollen Ladentheken. In Kombination mit Dürre (einer Bedrohung, die mit der globalen Erwärmung immer intensiver auftritt), Pandemie und Zerstörung durch den Krieg führen die Wirtschaftssanktionen zu einem erheblichen Preisanstieg für Lebensmittel (und aller anderen Güter des täglichen Bedarfs).

    Nahrung ist vorhanden (wenngleich die Folgen von Krieg und Sanktionierung in Bezug auf Russland und die Ukraine auch da weitere negative Entwicklungen bringen werden), nur kann eine absolute Mehrheit der Bevölkerung sie sich nicht mehr leisten. Anders formuliert: das Angebot ist da, die Nachfrage ist da, die liberale Markt-Logik versagt mal wieder.

    Die Konsequenzen

    Afghanistan ist und bleibt nicht das einzige Opfer des Imperialismus, schon gar nicht des US-Imperialismus und seiner Verbündeten. So muss man nur mal an die Lage im Jemen oder in Libyen denken. Auch wenn der Krieg in der Ukraine notwendigerweise Aufmerksamkeit verdient, so dürfen wir nicht die weltpolitische Gesamtsituation aus den Augen verlieren. Wir Arbeiter:innen in Deutschland müssen uns aktiv für den Kampf gegen alle imperialistischen Kriege einsetzten. Wir müssen alle unsere Geschwister, aus jedem Land und nicht nur aus der Ukraine, unterstützen. All Refugees welcome!

    • Sächsischer Perspektiveautor seit 2022 mit slawisch-jüdischem Migrationshintergrund. Geopolitik, deutsche Geschichte und der palästinensische Befreiungskampf Schwerpunkte, der Mops das Lieblingstier.

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