Das neue System verknüpft Daten aus verschiedenen Datenbanken und wertet sie automatisiert aus. Laut Angaben des BLKA soll es nur gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität eingesetzt werden. Kritische Stimmen sprechen von einem Schritt in Richtung automatisierter Totalüberwachung.
Das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) verkündete am Dienstag, dass nun der Zuschlag für das neue Analysesystem erteilt worden sei. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigte sich zufrieden mit dem vorgelegten Angebot der Tochter des US-amerikanischen Spionagekonzerns „Palantir“ und betonte die hohen Datensicherheits- und Datenschutzvorkehrungen.
Das „Verfahrensübergreifende Recherche- und Analysesystem“ (VeRA) könnte bereits in diesem Jahr zum Einsatz kommen. Doch nicht nur das: Bayern nimmt mit diesem Projekt eine Vorreiterrolle in Deutschland ein. Die Polizeibehörden der anderen Bundesländer könnten nun zügig nachrücken: „Die neue Software kann nicht nur in Bayern zum Einsatz kommen“, erklärte der BLKA-Präsident Harald Pickert. „Polizeien von Bund und Ländern haben jetzt die Möglichkeit, ohne zusätzliche aufwändige Vergabeverfahren dieses innovative Analysesystem zu nutzen.“
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Das ist möglich, da das BLKA die Ausschreibung für einen Rahmenvertrag im Zuge eines Bund-Länder-Vorhabens übernommen hat. Ziel von diesem Vorhaben ist die Vereinheitlichung der polizeilichen Verfahren. Erneute Vergabeverfahren für die Polizeien von Bund und Länder sind nun also nicht mehr notwendig.
Das Analysesystem „VeRA“ soll eine Verknüpfung verschiedenster Datenbanken, auf die die Polizei Zugriff hat, möglich machen. Dazu kommt noch, dass diese in kürzester Zeit durch ein Programm analysiert und aufgearbeitet werden sollen.
VeRA: ein „Massiver Eingriff in die Grundrechte vieler Menschen“
Kritik an dem neuen Analysesystem kommt von verschiedenen Seiten: So äußerte sich der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri laut Angaben der Deutschen Presseagentur (dpa) besorgt. Er sprach von einem „massiven Eingriff in die Grundrechte vieler Menschen“. Die sogenannten „Big Data“- und Datamining-Verfahren stellten einen noch erheblicheren Eingriff in die Privatsphäre der Bürger:innen dar.
Bereits im Frühjahr, als die Ausschreibung publik wurde, mahnte Petri, dass ein Großteil der Daten, auf die Ermittler:innen zugreifen könnten, für ganz andere Zwecke erhoben worden seien als zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität. Durch die automatisierte Durchsuchung der Daten gerieten also auch viele Menschen, die nichts mit Terrorismus oder organisierter Kriminalität zu tun hätten, in den Daten-Strudel.
In den vergangenen Jahren hatte es bereits in verschiedenen Bundesländern Bestrebungen gegeben, Palantir-Software anzuschaffen. So plante Hessens Covid-19-Krisenstab auf dem Höhepunkt der Pandemie 2020, die Software des US-Konzerns einzusetzen. Sie sollte vorgeblich zu einer genaueren Rückverfolgung der Infektionsketten beitragen. Kurz darauf musste die Landesregierung aber zurückrudern. Auch die Polizei von Nordrhein-Westfalen und Hessen hatten vor, das Analysesystem von Palantir zu nutzen, durften es aber bisher nicht einführen.
Die schnelle Einführung des Systems begründet das BLKA nun unter anderem mit der „aktuellen weltpolitischen Situation und möglicher Auswirkungen auf unsere Sicherheitslage“. Hierbei könnte es sich um eine Anspielung auf den Ukraine-Krieg und auch auf den kommenden G7-Gipfel in Garmisch-Partenkirchen handeln. Zahlreiche politische Verbände und Organisationen riefen bereits zu Protesten rund um den kommenden Gipfel in Südbayern auf.
Der Spionagekonzern Palantir wird von Bürgerrechtler:innen und Datenschützer:innen immer wieder kritisiert. Seine Hauptauftragsgeber sind US-Geheimdienste wie das CIA und militärische Stellen wie etwa das Pentagon. Gegründet wurde Palantir 2004 als Unternehmen, das sich auf die Auswertung von großen Datenmengen spezialisiert. Mitgründer war damals der ultrarechte Milliardär Peter Thiel, der die rechtsextreme Bewegung und auch den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump mit Millionengeldern unterstützt.