`
Freitag, März 29, 2024
More

    Serbien-Wahl: Imperialistische Machtspiele auf dem Balkan

    Teilen

    Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der verschärften imperialistischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan finden an diesem Sonntag in Serbien Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Präsident Aleksandar Vucic könnte seine Macht erhalten. Die serbische Regierung strebt die EU-Mitgliedschaft an, unterhält aber ebenfalls enge Beziehungen zu Russland und China.

    Der Krieg in der Ukraine beeinflusst auch die Stimmung in Serbien vor den diesjährigen Wahlen. Angeblich unterstützt eine Mehrheit der knapp 7 Millionen Einwohner:innen des Landes die russische Invasion. Jedenfalls gab es in der Hauptstadt Belgrad kürzlich zwei große pro-russische Demonstrationen, bei denen „Z“-Symbole, Kreuze und Bilder des russischen Präsidenten hochgehalten wurden.

    NATO-Bomben auf Belgrad nicht vergessen

    Zwischen beiden Ländern gibt es eine enge historische und kulturelle Verbindung. Zudem haben viele Serb:innen nicht vergessen, dass es die NATO war, die im März 1999 einen Angriffskrieg gegen das Land gestartet, Städte wie Belgrad bombardiert und damit die Abspaltung des Kosovo durchgesetzt hat. Zwischen 12.000 und 15.000 Menschen sollen im Kosovo-Krieg ums Leben gekommen sein, etwa 500 Zivilist:innen starben deutschen Medienberichten zufolge allein durch die NATO-Bombardements.

    Serbien: Bergbaukonzern verliert Lithium-Förderlizenz nach Protesten

    Präsident vor Wiederwahl?

    Serbiens Präsident Aleksandar Vucic, der sich am Sonntag wiederwählen lassen will, versucht die Stimmungen in seinem Land taktisch auszunutzen. Angesichts des Ukraine-Kriegs warnte er vor Instabilität in seinem Land und präsentierte sich als sichere Option. Damit könnte er Umfragen zufolge erfolgreich sein. Und das, obwohl er seine Macht im Land in den vergangenen Jahren ausgebaut, demokratische Rechte geschliffen und damit immer wieder heftige Proteste aus der Bevölkerung heraufbeschworen hat. Einer Umfrage des Instituts Demostat zufolge glauben 43 Prozent der Serb:innen heute nicht, dass die Wahlen fair ablaufen.

    Proteste in Serbien: “Die wirtschaftliche und politische Krise verschärft sich und man sollte mit neuen Versuchen rechnen”

    NATO und EU auf dem Balkan auf dem Vormarsch

    Brisant ist die Wahl vor allem, weil Serbien – wie der gesamte Balkan – seit langem ein zentraler Schauplatz imperialistischer Machtspiele ist. Dabei sind die westlichen Bündnisse NATO und EU in den letzten 25 Jahren klar auf dem Vormarsch. In den 1990er Jahren betrieben sie die Zerstückelung des früheren jugoslawischen Staates. Alle ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken außer Bosnien-Herzegowina, Serbien und dem Kosovo sind heute NATO-Mitglieder. Bosnien-Herzegowina und Kosovo haben sogar de facto den Status von Kolonien und sind von EU- bzw. NATO-Truppen besetzt. Neben den USA spielen hier vor allem Deutschland, Italien und die frühere Kolonialmacht Österreich eine wichtige Rolle.

    Deutschland hat bis heute Soldat:innen im Kosovo stationiert, während der frühere Bundesminister Christian Schmidt als „Hoher Repräsentant“ faktisch der Kolonialgouverneur von Bosnien-Herzegowina ist.

    https://perspektive-online.net/2017/08/machtkampf-auf-dem-balkan/

    Serbien zwischen EU und Russland

    Serbien wiederum gehört neben Montenegro, Nord-Mazedonien und Albanien zu den EU-Beitrittskandidaten auf dem Balkan. Präsident Vucic erklärte erst kürzlich im Handelsblatt, dass Serbien „ohne die EU nicht überleben“ könne. Gleichzeitig sind die Beziehungen der serbischen Regierung mit Russland nach wie vor sehr eng. Die beiden Staaten unterhalten ein Freihandelsabkommen. Zudem bezieht Serbien Militärausrüstung aus Russland, darunter auch Kampfjets. Russland ist sehr an der strategischen Partnerschaft mit Serbien gelegen, um seinen Einfluss auf dem Balkan nicht zu verlieren.

    Chinas Neue Seidenstraße und die Vereinigten Arabischen Emirate

    Doch auch andere imperialistische Staaten streben nach diesem Einfluss. China arbeitet im Rahmen der sogenannten „17+1“-Kooperation gezielt an der wirtschaftlichen Durchdringung zahlreicher osteuropäischer Staaten. Die Initiative gehört zum geostrategischen Projekt „Belt-and-Road-Initiative“ („Neue Seidenstraße“) und umfasst auch Infrastrukturprojekte in Serbien, so etwa Autobahnen, Brücken, Hochgeschwindigkeitszugstrecken und Kraftwerke.

    Daneben investiert China in serbische Rohstoffquellen wie eine Kupfermine in Bor. Bis Ende des Jahres soll ein Freihandelsabkommen zwischen beiden Ländern abgeschlossen werden.

    China, Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate investieren darüber hinaus stark in Serbiens Landwirtschaft. Die Emirate, die auch ein großes Infrastrukturprojekt in Belgrad betreiben, dürften bei ihrem Engagement in der Region auch auf den wachsenden Einfluss Saudi-Arabiens und der Türkei auf dem Balkan schielen. Beide Staaten sind z.B. im muslimischen Bosnien-Herzegowina und im Kosovo aktiv, wo es eine große islamische Gemeinde gibt.

    Die Gemengelage auf dem Balkan erinnert damit an die Situation vor dem Ersten Weltkrieg, als fast alle imperialistischen Länder dort gegeneinander operiert haben. Im Jahr 1914 war es schließlich das mit dem Deutschen Reich verbündete Österreich-Ungarn, das zunächst Serbien den Krieg erklärte und damit Russland und schließlich England und Frankreich gegen sich stehen hatte. Kurze Zeit später trat dann auch das Osmanische Reich an der Seite Deutschlands und Österreichs in den Krieg ein.

    Serbiens Präsident jedenfalls scheint sich bislang alle Optionen offen halten und die imperialistischen Widersprüche in seiner Region taktisch ausnutzen zu wollen. Wie weit er damit kommt, wird sich zeigen. An seine Wiederwahl heute glaubt er jedenfalls fest. „Alles unter 60 Prozent“ wäre ein Misserfolg, gab er als Ziel für die Wahlen aus.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News