Der fundamentalistische „Marsch für das Leben“ treibt in den nächsten Wochen wieder in vielen Städten sein Unwesen. Warum das nicht nur ein Grund zum Spott über im Mittelalter feststeckende Fundamentalist:innen, sondern auch ein Grund für Protest ist, erklärt Karl Teufel in seinem Kommentar.
Für die kommenden Wochen sind in mehreren Städten Deutschlands Aufmärsche von christlichen Fundamentalist:innen und Abtreibungsgegner:innen angekündigt.
Hinter den Versammlungen steht der „Bundesverband Lebensrecht“ mit Hauptsitz in Berlin, der seit 2008 jährlich zum sogenannten „Marsch für das Leben“ aufruft.
Hierbei handelt es sich um eine Demonstration, bei der jährlich hunderte bis tausende Teilnehmer:innen mitlaufen, die sich gezielt gegen Abtreibungen, aktive Sterbehilfe, Stammzellenforschung sowie künstliche Befruchtung und damit allgemein gegen das Selbstbestimmungsrecht insbesondere von Frauen richten.
Da sich die Fundamentalist:innen zusätzlich zu ihren frauenfeindlichen Positionen auch durch eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegen LGBTI+-Personen und deren körperliche und sexuelle Selbstbestimmung auszeichnen, ist es nicht weiter verwunderlich, dass faschistische Kräfte der AfD sowie Holocaustleugner:innen, deren nationalistische Ideologie auf patriarchale Geschlechterbilder angewiesen ist, an diesen Aufmärschen teilnehmen.
Frauenhass und Homophobie gehen Hand in Hand
Die selbsternannten Lebensschützer erfreuen sich auch einer großen Lobby und sind bis in die höchsten Kreise von Politik und Kirche gut vernetzt und gefördert. Das ist kein Zufall, denn wir können weltweit beobachten, dass die körperliche und reproduktive Selbstbestimmung von Frauen und LGBTI+-Personen nicht im Interesse kapitalistischer Staaten ist, und dass diese für jede Bemühung, die bürgerliche Kleinfamilie zu stützen, dankbar sind.
Denn die bürgerliche Kleinfamilie ist seit jeher stützende Säule des Kapitalismus. Durch sie wird die geschlechtliche Arbeitsteilung sichergestellt und somit ein profitableres Wirtschaften im Kapitalismus ermöglicht. Die reproduktive und körperliche Selbstbestimmung von Frauen und LGBTI+ Personen stellt einen Angriff auf diese Vorstellung dar, weswegen wir vor allem in instabilen und von Krise geprägten Zeiten ein Erstarken von traditionellen Geschlechterbildern und repressiven Gesetzen in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche feststellen können.
Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland durch den Paragrafen 218 geregelt und gelten grundsätzlich als verboten. Ungewollt Schwangere müssen sich teils demütigenden Gesprächen und einer immensen finanziellen Belastung aussetzen, um einen Abbruch straffrei durchführen zu können.
Der „Bundesverband Lebensrecht“ ist ein 2001 gegründeter Zusammenschluss mit Hauptsitz in Berlin. Bis 2008 lief die Demonstration unter dem Namen „1000 Kreuze für das Leben“. Der Name ist gewählt, da der Verband davon ausgeht, dass es in Deutschland täglich ca. 1000 Abtreibungen gibt. Diese Zahl ist nicht belegt und, so scheint es, willkürlich gewählt. Zum Hauptverband zählen, Stand 2020, 12 Mitgliedsorganistionen, die bundesweit vertreten sind und ebenfalls Aufmärsche veranstalten.
Wie diese kurze Zusammenfassung zeigt, sind diese Demonstrationen ein Zusammenschluss aus radikalen Gegner:innen der Selbstbestimmung der Frau und dem Recht auf ein schmerzfreies Leben.
Im Jahr 2014 sandte Papst Franziskus Grußworte an die Teilnehmer:innen der Demo. Hier wird deutlich, wieweit solche Organisationen in der Katholischen Glaubensgemeinschaft begrüßt, akzeptiert und gefördert werden.
Jede Frau, jeder Mensch sollte ein Recht auf die freie Bestimmung über das eigene Leben haben. Es geht um Themen wie sexuelle Selbstbestimmung, die freie Entscheidung darüber, ein Kind zu bekommen, es geht darum, dass LGBTI+ Paare und -Personen Kinder bekommen können. Das zeigt, wie wichtig ein international breit aufgestellter, feministischer, antikapitalistischer und antifaschistischer Gegenprotest gegen diese Feinde der Selbstbestimmung ist.
Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich der „Marsch für das Leben“ also als überaus lebensfeindlich eingestellt gegenüber allem Leben und Lebensentwürfen, die nicht in das christlich-fundamentalistische Weltbild passen.
Grund genug für uns, dem Beispiel aus anderen Ländern wie Argentinien und Polen zu folgen und mit lautem Protest zu zeigen, dass wir nicht bereit sind, rückwärtsgewandte Fundamentalist:innen auf den Straßen unserer Städte zu akzeptieren.