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      Berlin: Keine Weitergabe von Daten mehr an Opferhilfe-Vereine

      In Zukunft darf die Polizei in Berlin keine Berichte mehr an Opferhilfe-Vereine weiterleiten. Diese wurden in der Vergangenheit in anonymisierter Form übermittelt. Ab sofort dürfen sie weder den Ort, den Zeitpunkt, das Alter der Geschädigten oder der Täter:innen noch eine Beschreibung der Tat enthalten. Das beschloss der Datenschutzbeauftragte in Berlin.

      In der Vergangenheit kooperierte die Polizeibehörde in Berlin mit der Beratungsstellen und Opferhilfe-Vereinen, diese nutzen die anonymisierten Polizeimeldungen für ihre Arbeit. In Zukunft ist das nicht mehr möglich. Durch eine Verfügung des Datenschutzbeauftragten in Berlin wird die Weitergabe von Daten stark eingeschränkt. Es geht darum „eine Re-Identifizierung zu verhindern“ steht in einem von dem Datenschutzbeauftragten verfassten Vermerk, der der Berliner Zeitung vorliegt. Daher dürfe die Polizeimeldung in Zukunft weder den Ort, wie z.b die Straße, noch die Tatzeit oder das Alter der Beteiligten enthalten.

      In Berlin werden tausende Menschen pro Jahr Opfer von homophob, rassistisch oder antisemitisch motivierten Beleidigungen und Angriffen. Nicht annähernd alle davon werden polizeilich verfolgt oder überhaupt gemeldet. In den Fällen in denen Ermittlungen stattfinden übermittelte die Behörde bisher Daten an die Opferhilfe-Vereine. Allerdings in anonymisierter Form. Ein Beispiel dafür bildet das schwule Anti-Gewalt-Projekt Maneo oder ReachOut, eine Beratungsstelle für Opfer rassistischer Gewalt.

      Die Arbeit dieser Gruppen ist von den Berichten der Behörden abhängig und brauchen diese um ihre Arbeit machen zu können. Sie erarbeiten daraus Vorschläge zur Gewaltprävention, erstellen Berichte für die Öffentlichkeit, leiten politische Forderungen daraus ab. Aus Sicht der Vereine torpediert der Datenschutzbeauftragte der Strafverfolgungsbehörden ihre Arbeit.

      Begründen tut die Behörde ihre Haltung wie folgt: Für die regel- und listenmäßige Übermittlung personenbezogener Daten aus Ermittlungsverfahren an private Vereine mit dem Ziel des Abgleichs mit dort vorhandenen Daten fehle es an einer Rechtsgrundlage. Der Datenschutzbeauftragte verweist außerdem auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 4. Oktober 2021 (CR 2021, 730-732).

      In Zukunft ist also selbst die Beschreibung der Tat ohne Ort, Zeitangabe und Alter verboten. Im Schreiben dazu steht klar: „Der Personenbezug umfasst alle Informationen, die sich auf eine Person beziehen. Jede Schilderung menschlichen Verhaltens oder menschlicher Eigenschaften hat danach Personenbezug. Die Beschreibung eines Tatgeschehens hat daher Personenbezug.“

      Die Projekte, die momentan mit den Meldungen arbeiten, sehen den Datenschutz als vorgeschobenes Argument. Denn die Polizei kann in Zukunft zwar keine Daten mehr „privat“ an die Vereine übermitteln, sie kann diese dennoch auf andere Art herausgeben und zwar in Form von Pressemitteilungen. Pressemitteilungen erhalten in der Regel „personenbezogene Daten“ wie sie im Vermerk des Datenschutzbeauftragten genannt werden. Abgesehen davon kann durch die Weitergabe der Daten eine Doppelzählung vermieden werden. Wenn es in Zukunft nicht mehr möglich ist die Daten der Polizei mit den Opfern die sich selbst an Vereine wenden abzugleichen, dann wird man zwangsläufig Daten doppelt zählen.

      Die neue Datenschutzregelung wurde bereits im vergangenen Jahr festgelegt. Seit dem versucht Bastian Finke vom Anti-Gewalt-Projekt Maneo die Behörden wieder von einer Kooperation zu überzeugen. Am Montag sollte das Thema bei einer Anhörung im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses zur Sprache kommen. Finke ist bestürzt über die Datenschutzregelung: „Das konterkariert unsere gesamte Arbeit.“ Im Jahr 2020 erfasste Maneo rund 510 Fälle, die es als LGBTI+ feindliche Übergriffe zuordnet und beriet rund 1100 Betroffene.

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