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    Wessen „Sicherheit“?

    Immer wieder hören wir, dass die Polizei für unsere “Sicherheit” zuständig sei. Aber ist das wirklich so? – Ein Kommentar von Felix Thal.

    Laut dem deutschen Grundgesetz soll bekanntlich „alle Gewalt vom Volke ausgehen“. Dabei geht die wirkliche Gewaltanwendung faktisch von Militär und Polizei aus. Im Inneren ist es im Wesentlichen die Polizei, die für das „staatliche Gewaltmonopol“ zuständig ist. Ausgestattet mit der Lizenz zur Gewaltanwendung soll die Polizei für “Sicherheit” sorgen.

    Doch welche Sicherheit ist eigentlich damit gemeint? Es ist die „Sicherheit“ der gegebenen Gesellschaftsordnung und der dominierenden Klasse. Im Fall des heutigen Deutschlands sind dies der Kapitalismus und die Kapitalist:innen-Klasse, die von diesem System profitieren.

    Sie können sich darauf verlassen, dass die Gesetze, die von den sich ihnen unterordnenden Politiker:innen verabschiedet werden, von der Polizei durchgesetzt werden: sei es mit dem Ziel, die Arbeiter:innen verschiedener Herkunft gegen einander aufzuwiegeln, ausgesonderte Arbeiter:innen zu disziplinieren, eine Demonstration gegen Gipfel-Treffen zu zerschlagen oder die Besetzungsaktion eines Betriebs zu verhindern – auf die Polizei kann sich das Kapital verlassen.

    Rassistische Spaltung

    In der polizeilichen Realität sehen wir aber gleichzeitig Korruption, eine Verherrlichung der eigenen Berufskultur („Cop Culture“) bis hin zur Wahrung von rassistischem und faschistischem Gedankengut.

    Das zeigt sich z.B. darin, dass die Polizei einen Teil ihres „polizeilichen Gegenübers“ allein aufgrund seines Aussehens diskriminiert und als Feind brandmarkt. Dieser Rassismus oder „Racial Profiling“, oft getarnt als „polizeiliches Erfahrungswissen“, kann bei Betroffenen große psycho-soziale Folgen haben.

    Durch systematische rassistische Diskriminierung werden zum einen migrantische Menschen klein gehalten. Zum anderen wird bei nicht-migrantischen Menschen der Eindruck erweckt, eben “die Ausländer:innen” seien besonders kriminell.

    Kriminalisierung von Stadtteilen

    Aufgrund ihrer Historie existieren vor allem in Großstädten proletarische und migrantische Stadtviertel. In ihnen wird die Polizei oft als Bedrohung oder gar als Besatzungsmacht wahrgenommen.

    Direkt vor Ort kann die Polizei aktiv in die Gesellschaft eingreifen, und so tritt in der Praxis an die Stelle des Mythos ihrer „rechtserhaltenden“ Funktion ganz schnell eine eine „recht-setzende“ Funktion. Sie kann die Bewegungsfreiheit und das Handeln von Menschen gezielt durch sogenannte „Gefahrengebiete“ oder „gefährliche Orte“ einschränken.

    Dort lebende Menschen sehen sich der Stigmatisierung, Kriminalisierung und Schikane der Polizei ausgesetzt und können bei Gefahr meist nicht auf deren Hilfe zählen – ob in Rostock-Lichtenhagen, Hanau oder Chemnitz.

    Wer nicht selbst in diesen Vierteln die Gemeinheiten der Polizei erlebt hat, nimmt nur erhöhte Kriminalitätsstatistiken und neu installierte Kameras wahr. Eine Solidarisierung zwischen verschiedenen Teilen der Klasse wird so erschwert.

    Was ist das Ziel?

    Repression in Form von Kontrollen betreffen derzeit vor allem Menschen besonders ausgebeuteter und unterdrückter Teile der Gesellschaft: Migrant:innen, LGBTI+, Obdachlose, Drogenabhängige und andere Gruppen sind besonders bedroht.

    Durch diskriminierende Handlungen soll die Polizei der Bevölkerung suggerieren, dass eben diese besonders unterdrückten Teile der Klasse „schuld“ seien für die Probleme der gesamten Gesellschaft und auch der Arbeiter:innenklasse. Damit soll einem Großteil der Klasse weis gemacht werden, dass „Sicherheit“ allein durch solcherart polizeiliche Arbeit gewährleistet werden kann, womit die Perspektive der Polizei Übernommen werden soll.

    Hierdurch werden die Ursachen von Kriminalität und Unrecht verschleiert und die Solidarität zwischen den Unterdrückten unterbunden.

    Der Staat verteilt seine Ressourcen so um, dass die Polizei und die Gefängnisse gestärkt, soziale Absicherungssysteme hingegen abgebaut werden. Diese Abnahme sozialer Unterstützung führt wiederum zu vermehrter Kriminalität, was letztlich erneut die finanzielle Aufstockung der Polizei begünstigt. Zudem ist es offensichtlich, dass die Gewaltmittel der Polizei, z.B. in Form von Gefängnis, zukünftige Kriminalität nicht verhindern können.

    Vorgehen gegen die politische Widerstandsbewegung und organisierte Arbeiter:innen

    Neben der Disziplinierung von besonders unterdrückten Teilen der Gesellschaft hat die Polizei außerdem die Aufgabe,  gegen organisierte Bewegungen vorzugehen, die sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung richten.

    So wie die Polizei historisch aus Schlägertrupps für den Sklavenhalter gegen seine Sklavenaufstände entstanden ist, so dient sie auch heute noch dazu, politische Widerstandsbewegungen im Zaum zu halten und eine starke Arbeiter:innenorganisierung zu verhindern.

    Wer in Deutschland eine Fabrik besitzt oder einen Häuserblock vermietet, kann sich darauf verlassen, dass die Polizei eine Besetzungsaktion beenden wird oder eine praktische Aneigung durch die Mieter:innen verhindert.

    Welche Alternative?

    Welche Antworten könnte es nun auf diese offensichtlichen Probleme geben?

    Auf der einen Seite gibt es reformistische Ansichten, die dafür eintreten, die Polizei zu einer „besseren“ Organisation zu reformieren. Mehr Diversität, mehr finanzielle Mittel und bessere Überwachung der Beamt:innen würden Korruption verhindern. Nur zeigen Untersuchungen, dass mehr Schwarze bei der Polizei den Rassismus nicht verhindern und Bodycams einfach ein- oder abgeschaltet werden können.

    „Abolitionistische” Ansichten treten hingegen dafür ein, eine grundsätzliche Abschaffung von Polizei, Gefängnissen oder Flüchtlingslagern und stattdessen eine Neuerfindung und Stärkung anderer institutioneller Akteure anzustreben. Dabei geht es um medizinische Versorgung, Bildung, soziales Wohnen und die Möglichkeit, kollektiv die eigenen Lebensumstände zu gestalten.

    Soziale Konflikte sollen dabei durch demokratische Selbstbestimmung empathisch und verantwortungsbewusst ausgehandelt werden. Geschichtlich gibt es dafür durchaus Beispiele, wie z.B. Sicherheit ohne Polizei hergestellt werden konnte: in Streiksituationen, in der Black Panther Party in den USA oder der Volksjustiz in den historischen nationalen Befreiungsbewegungen Südafrikas und Irlands.

    Klar ist jedoch zugleich: dies gelang nur in einem begrenzten Rahmen, dort, wo die Macht des Kapitals zurückgedrängt wurde und Räume proletarischer und bäuerlicher Gegenmacht aufgebaut werden konnten. Wenn wir die Polizei als Ganze abschaffen wollen, dann ist es nötig, die gesellschaftlichen Ursachen, also die Klassenherrschaft an sich, zu überwinden.

    Dies ermöglichte uns dann, beständige und friedliche Wege zu finden, damit gemeinsam ausgehandelte Regeln ohne Zwangsmaßnahmen hergestellt und Sicherheit für alle garantiert werden kann.

    • Schreibt für die Belange vom Geflüchteten und gegen die AfD. Solidarität stellt sich nicht von selbst her, sie muss organisiert werden.

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