Der Preis auf dem Gasmarkt erreichte Anfang Juni ein Rekordhoch, und die großen Gasmonopole fahren hohe Profite ein. Millionen Menschen in diesem Land hingegen müssen Angst vor dem Winter haben. Die Gaskrise zeigt in aller Deutlichkeit die grundlegenden Probleme des Kapitalismus auf. – Ein Kommentar von Fridolin Tschernig.
Seit dem Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine wird der ganzen Medienwelt und der Politik auf einmal wieder bewusst: Gas ist ein wichtiger Rohstoff, und er verleiht den Lieferanten viel Macht. Insbesondere die Rolle des russischen Staatsmonopols Gazprom bei der Finanzierung des Krieges stand im Mittelpunkt der Diskussionen. Jetzt nutzt Russland die Abhängigkeit Europas von dem wichtigen russischen Gas als Druckmittel in der laufenden ökonomischen und militärischen Auseinandersetzung. Die Gaslieferungen aus Russland wurden um 60% gedrosselt.
Vorgeschobener Grund für die Reduzierung ist eine in der Reparatur befindliche Turbine, die wegen der Sanktionen nicht ausgeliefert werden könne. Wir sehen auch hier wieder: imperialistische Kriege werden auf dem Rücken der Arbeiter:innen geführt, die gesicherte Versorgung mit Gas als Druckmittel eingesetzt.
Schon davor stiegen die Großhandelspreise für Gas auf dem Weltmarkt: Auch bei gleichbleibenden Förderkosten und Liefermengen schossen die Preise seit Beginn des Jahres nach oben. Jetzt haben sie im Zusammenspiel mit dem russischen Angriffskrieg ein Rekordhoch erreicht. Dass selbst Wirtschaftsminister Habeck einräumt, die Großhandelspreise unterlägen “Spekulationen”, zeigt, worauf die Teuerung beruht.
Es sind zum einem die großen Gasmonopole, die sich der Abhängigkeit ihrer Abnehmer:innen bewusst sind und deswegen ihre Preise erhöhen können. So machen Gazprom, Stratoli und Gasunie enorme Profite in diesen unsicheren Zeiten. Zum anderen sind es die Vermutungen und Prognosen über eine mögliche Gasknappheit, die nun ebenfalls die Preise in die Höhe schnellen lassen. So lässt in unserem System allein die Möglichkeit eines Gasembargos und damit eines Lieferengpasses die Preise abnormal in die Höhe klettern – eine Spekulation um Profite auf dem Rücken der Arbeiter:innen.
Um über 36% sind die Gaspreise für die Endverbraucher:innen und Haushalte angestiegen. Die Versorger kündigten jedoch schon weitere extreme Preiserhöhungen nach dem Ablauf von Verträgen an, und für Neukund:innen sind die Preise jetzt schon kaum mehr bezahlbar. Für sie sind Preissprünge von bis zu 300% gemeldet worden.
Der Staat soll Verluste auf die Arbeiter:innen abwälzen
Aber es sind auch die Versorger selbst, die durch die Drosselung von Gazprom ebenfalls in die Bredouille geraten. Das Energieversorgermonopol Uniper, das einen entscheidenden Teil an deutschen Haushalten direkt oder indirekt versorgt, schreibt seit Monaten rote Zahlen. Durch den enormen Preisanstieg auf dem Markt und die Verringerung der Gaslieferungen durch Russland muss Uniper das noch benötigte Gas woanders teuer nachkaufen. Durch diese Mechanik fährt es nach eigenen Angaben 900 Millionen Euro Minus pro Monat ein.
Und wie reagiert der deutsche Staat auf die mögliche Pleite des Konzerns? Zum einen denkt die Regierung laut über den Einstieg in das Unternehmen nach, so dass Steuergelder – ähnlich wie schon bei der Lufthansa oder Commerzbank – wieder die Profite eines Monopols retten sollen. Die zweite Variante ist die Aufhebung alter Verträge, womit die Möglichkeit geschaffen wird, die Preise und Kosten direkt bei den Haushalten anzuheben.
Konkret ist im Gespräch, dass das Unternehmen eine massive Kapitalerhöhung vornimmt, indem es neue Aktien ausgibt, die von der Bundesregierung gekauft werden. Der bisherige Großaktionär Fortum (faktisch ein finnischer Staatskonzern) geht sogar noch weiter: er will Uniper offenbar schnellstmöglich loswerden und schlägt eine Umformung in einen Staatskonzern vor. Darüber hinaus wird aber auch eine so genannte „stille Beteiligung“ des Staats diskutiert.
Letzteres würde bedeuten, dass der Staat Uniper ein Geldspritze von 3 bis 5 Milliarden zuschießt, allerdings ohne dass sich daraus mehr Einfluss oder mehr Stimmrechte auf der Aktionärsversammlung ergeben würden.
Was die Bundesregierung mit der Verstaatlichung von Uniper und der massiven Subvention des Konzerns ankündigt, ist nichts anderes, als dass wieder massive Verluste verstaatlicht und somit auf die Rücken der Arbeiter:innenklasse abgewälzt werden. Und wenn der Zwischenhandel mit Gas wieder profitabler werden wird, wird auch das Kapital zurückkehren, das jetzt Uniper verlässt wie die Ratten das sinkende Schiff.
Die Aktienkurse haben nebenbei bereits positiv auf die Ankündigung der Regierung reagiert, Milliarden in den strauchelnden Konzern zu pumpen.
Die Gas-Krise entlarvt den Charakter dieses Systems
So oder so bezahlen die Arbeiter:innen wieder einmal für die Kriege und die Krisen der Herrschenden. Der Staat bleibt dabei seiner Rolle als Instrument der Kapitalist:innenklasse und nicht als “Vermittler zwischen den Klassen” treu.
Während wir zuhause nicht mehr wissen, wie die Nebenkostenabrechnung beglichen werden soll, wird im Parlament nur über die Abhängigkeit von Russland gesprochen. Dabei geht es unseren verantwortlichen Politiker:innen jedoch wieder nicht um die Ängste der Arbeiter:innen vor einem kalten Winter, sondern um die Entkoppelung der Wirtschaft als Vorbereitung auf einen nächsten großen Krieg. Dass dieser auch wieder wirtschaftliche Verwerfungen nach sich ziehen wird, steht außer Frage.
Unterm Strich zeigt wohl kaum ein Aspekt der kapitalistischen Wirtschaft momentan so gut, dass sie nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse der Menschheit zu befriedigen, wie das derzeitige „Drama“ am Gasmarkt. Hier sehen wir astronomische Gewinne, die sich auf Spekulation stützen und andererseits zig Millionen in Europa in die Armut stürzen können. Wir sehen auch, dass der Staat nichts unternimmt und nichts unternehmen kann, um diese Tendenz zu stoppen, weil er ein Staat der Profiteure ist. Er verlegt sich darauf, die Profite der Kapitalist:innen zu subventionieren und ihre Verluste über unzählige Milliarden auf die Rücken der „Steuerzahler:innen“, auf unsere Rücken abzuwälzen.
Unterm Strich bleibt: Der Kapitalismus muss weg.