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Donnerstag, März 28, 2024
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    Urteil gegen Franco A.: Faschistischer Bundeswehroffizier zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt

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    Franco A. legte sich eine falsche Identität als syrischer Geflüchteter zu, um unter falscher Flagge Anschläge zu verüben. Das Oberlandesgericht Frankfurt sieht darin die Planung einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Der Soldat war kein Einzeltäter, sondern Teil einer gut vernetzten faschistischen Terrorzelle.

    Der 33-jährige Franco A. wurde zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Bundeswehroffizier eine schwere staatsgefährdende Gewalttat geplant hat, und bescheinigten ihm eine „völkisch-nationalistische“ und „rechtsextremistische“ Gesinnung. Zudem sprachen sie Franco A. auch wegen mehrerer Waffendelikte schuldig. Den illegalen Besitz von Waffen, Munition und Sprengstoff hatte dieser zuvor bereits eingeräumt. Auch wegen Betrugs wurde der gebürtige Offenbacher verurteilt, da er sich als falscher Geflüchteter Sach- und finanzielle Leistungen erschlichen habe.

    Die Verteidigung hatte im zentralen Anklagepunkt, der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat, Freispruch gefordert und für die weiteren Vorwürfe Geld- oder Bewährungsstrafen angesetzt. Die Richter hingegen folgten im Wesentlichen der Argumentation der Staatsanwaltschaft, die zuvor ein Strafmaß von sechs Jahren und drei Monaten gefordert hatte.

    2018 hatte das Oberlandesgericht Frankfurt eine Anklage gegen Franco A. noch wegen nicht hinreichendem Terrorverdacht abgelehnt. Nur durch eine Beschwerde der Bundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe kam es letztlich zur Anklage.

    Festnahme am Wiener Flughafen

    Im Februar 2017 hatte die österreichische Polizei Franco A. am Wiener Flughafen festgenommen, als er dort eine Pistole abholen wollte, die er zwei Wochen zuvor im Reinigungsschacht einer Behindertentoilette deponiert hatte. Eine Putzkraft hatte die Waffe entdeckt und die Polizei alarmiert. Diese wartete bei der Rückkehr von Franco A. bereits auf den Soldaten und nahm ihn in Gewahrsam.

    Beim Abgleich seiner Fingerabdrücke stellte sich heraus, dass diese bereits unter dem Namen Benjamin David – einem in Bayern gemeldeten Geflüchteten aus Syrien – registriert waren. Bei den anschließenden Hausdurchsuchungen bei Franco A. und seinen Mittätern Maximilian T. und Mathias F. wurden dann Waffen, Munition und Sprengstoff sichergestellt, was die Ermittlungen ins Rollen brachte.

    Anschläge unter falscher Flagge geplant

    Woher die Waffe auf der Flughafentoilette stammte und was Franco A. damit konkret vorhatte, ist bis heute unklar. Der Bundeswehroffizier soll jedoch Anschläge auf hochrangige Politiker:innen geplant haben. So fanden die Ermittler:innen bei Franco A. eine Liste mit potenziellen Anschlagszielen. Auf ihr wurden unter anderem der damalige Justizminister Heiko Maas, die damalige Vizepräsidentin des Bundestags Claudia Roth und Ex-Bundespräsident Joachim Gauck geführt. Für einen Anschlag auf Anetta Kahane, die damalige Vorstandsvorsitzende der antirassistischen Amadeu-Antonio-Stiftung, spähte A. das Gelände der Stiftung in Berlin aus und fertigte Fotos von der Tiefgarage an. Auch soll er einen Reiseplan für den Anschlagstag sowie Instruktionen für die Übergabe der Tatwaffe durch einen Komplizen erstellt haben.

    Die Scheinidentität als Geflüchteter soll dazu gedient haben, Geflüchtete für die geplanten Anschläge verantwortlich zu machen und damit für rassistische Hetze zu sorgen. Dieses Vorgehen bezeichnet man auch als „False-Flag-Operation“, also eine Aktion unter falscher Flagge. Obwohl Franco A. allenfalls gebrochen arabisch spricht, gelang es ihm, sich als syrischer Flüchtling registrieren zu lassen. Die Ermittler:innen stellten massive Fehler bei seinem Asylverfahren fest und sprachen intern von einem „Komplettversagen aller Kontrollmechanismen“. Bei seiner 90-minütigen Befragung in der Ausländerbehörde saß A. obskurer Weise einem Bundeswehrsoldaten gegenüber, der dorthin „ausgeliehen“ war.

    Kein Einzeltäter

    Die Ermittlungen zeigten sehr klar: Franco A. war kein Einzeltäter, sondern vielmehr Teil einer rechten Terrorzelle, die im Jägerbataillon 291 im elsässischen Illkirch angesiedelt und innerhalb der faschistischen Bewegung in Deutschland gut vernetzt war.

    Maximilian T., Bundeswehroffizier und AfD-Mitglied, half A. nachweislich beim Aufbau seiner Scheinidentität und soll gemeinsam mit ihm in Wien gewesen sein, um jene Waffe zu besorgen, die in der Flughafentoilette gefunden wurde. Die Bundesanwaltschaft stellte 2018 das Ermittlungsverfahren gegen ihn jedoch ein, ohne Anklage zu erheben. Bei dem Soldaten Mathias F. fanden die Ermittler:innen unter anderem aus Bundeswehrbeständen stammende Munition, Teile von Handgranaten, Leuchtspur-Munition und eine Machete. F. wurde 2019 zu einem Jahr auf Bewährung und einer Geldstrafe von 2.500 Euro für eine Hilfsorganisation für Geflüchtete verurteilt. Das Trio tauschte mit mindestens vier weiteren Soldaten unter anderem in einer WhatsApp-Gruppe faschistisches Gedankengut aus.

    Verbindungen zum „Kreuz-Netzwerk“

    Die Kontakte der Gruppe um Franco A. reichten bis in das faschistische „Kreuz-Netzwerk“ hinein, das im Zuge der Ermittlungen gegen A. aufgedeckt wurde. In dem Netzwerk waren verschiedene weitere Terrorzellen organisiert, wie etwa die Gruppe um den ehemaligen Elite-Polizisten Marco G. namens „Vier Gewinnt“, die illegal Munition beiseite geschafft haben soll und 200 Leichensäcke und Ätzkalk bestellen wollte. Darüber hinaus hatte das „Kreuz-Netzwerk“ Verbindungen zum verbotenen neonazistischen „Blood & Honour“-Netzwerk und dessen bewaffnetem Arm „Combat 18“.

    Als Drahtzieher identifizierten die Ermittler:innen André S. alias „Hannibal“, einen Elitesoldaten des “Kommandos Spezialkräfte” (KSK). Er war Administrator von vier Chatgruppen mit den Namen „Nordkreuz“, „Südkreuz“, „Westkreuz“ und „Ostkreuz“, in denen insgesamt rund 200 Personen aktiv waren. Franco A. war im „Südkreuz“ vernetzt und besuchte André S. mehrfach bei ihm zuhause. André S. hatte zudem eine führende Rolle im Veteranen-Verein „Uniter“, der vornehmlich aus ehemaligen deutschen Elitesoldaten besteht und in dem auch Franco A. Mitglied war.

    Faschistische Terrorzellen im Staatsapparat

    Sowohl die „False-Flag“-Zelle um Franco A. als auch das „Kreuz-Netzwerk“ belegen, dass rechte Terrorzellen sich im deutschen Staatsapparat einnisten und dort über weite Strecken ungestört agieren können. Die Führungspersonen sowie der Großteil der Mitglieder dieser Gruppen setzten sich dabei aus aktiven oder ehemaligen Teilen dieses Apparats zusammen: hohen Offizieren, Elitesoldaten, Polizeibeamten. Da bis heute immer wieder neue faschistische Netzwerke in Bundeswehr und Polizei aufgedeckt werden, ist davon auszugehen, dass diese auch aktuell einen wesentlichen Einfluss innerhalb der Sicherheitskräfte ausüben.

    Während sich ein Großteil der medialen Berichterstattung über das Urteil gegen Franco A. als Einzelperson und seine Gedankenwelt konzentriert, geraten seine Querverbindungen zu verschiedenen faschistischen Strukturen in den Hintergrund. Die Gefahr für Migrant:innen und fortschrittliche Kräfte, die von den rechten Terrorzellen innerhalb des Sicherheitsapparats ausgeht, bleibt jedoch groß. Ob eine Justiz, die zunächst von einer Anklage gegen Franco A. absah und die Ermittlungen gegen seinen Komplizen Maximilian T. eingestellt hat, dieser Gefahr etwas entgegensetzen kann oder will, ist fraglich.

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