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Samstag, April 20, 2024
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    Droht ein neuer Gaza-Krieg?

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    Bei den jüngsten israelischen Luftangriffen auf den Gaza-Streifen wurden schon 49 Menschen getötet, die meisten davon Zivilist:innen. Viele fürchten nun einen neuen Gaza-Krieg. Westliche Analysten vermuten dahinter einen geplanten Schachzug der israelischen Regierung.

    Derzeit herrscht ein brüchiger Waffenstillstand zwischen dem israelischen Militär und der islamisch-fundamentalistischen Organisation “Islamischer Djihad”. Nach der Festnahme eines ranghohen Führers hatte die Gruppe Raketen auf israelisches Gebiet geschossen, das israelische Militär flog Luftangriffe. Während der dreitägigen Angriffe des israelischen Militärs auf die palästinensischen Gebiete sind 49 Personen getötet worden – darunter 17 Kinder. Israelis wurden nicht getötet.

    Die größere Gruppe der Hamas, die seit 2006 die Regierung in Gaza stellt, hat sich bisher nicht an den Kämpfen beteiligt, da ein erneuter Krieg mit Israel den Zugang zu ausländischen Hilfsgütern erschweren würde, auf die der Gaza-Streifen dringend angewiesen ist.

    Bei verstärkten israelischen Angriffen wäre die Hamas allerdings zu einer Reaktion gezwungen, um nicht ihr Gesicht zu verlieren. Dies würde unweigerlich in einem neuen Gaza-Krieg münden. Bei dem letzten großen Krieg zwischen Israel und den Hamas im Mai 2021 starben 256 Palästinenser:innen und 14 Israelis. Viele der Kriegsschäden konnten bis heute noch nicht vollständig repariert werden.

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    Droht ein größerer Krieg

    Nun werden Stimmen laut, die eine mögliche weitere Eskalation erwarten. Ein erneuter Krieg könnte nämlich durchaus im Interesse der israelischen Regierung sein. Bei den im November anstehenden Wahlen könnten die Stimmen der Rechten, die ein aggressives Vorgehen gegen den palästinensischen Widerstand fordern, der entscheidende Faktor sein.

    Nachdem die israelische Koalitionsregierung aus acht Parteien unter Ministerpräsident Naftali Bennet im Juli zusammenbrach, ist Jair Lapid amtierender Ministerpräsident. Im November tritt er bei Neuwahlen gegen den früheren Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu an.

    Der Analysedienst Stratfor geht davon aus, dass ein erfolgreicher Schlag gegen Gaza ihm den Wahlsieg sichern könnte. Die wenigen Wechselwähler bei den bevorstehenden Wahlen seien rechtsgerichtet. Dies werde Lapids geschäftsführende Regierung dazu veranlassen, ihre offensive Strategie gegen die Palästinensische Bewegung beizubehalten, in der Hoffnung, diese rechten Wähler für sich zu gewinnen.

    Zudem wurden in den letzten Wochen wurden bereits 25.000 Reservist:innen mobilisiert, und auch in den israelischen Medien wird zunehmend Kriegsstimmung verbreitet.

    Sorgen vor internationalen Protesten

    Sorgen bereiten könnte der israelischen Regierung allerdings die Reaktion der internationalen Öffentlichkeit. Trotz der finanziellen und militärischen Unterstützung vieler westlicher Länder, allen voran der USA und Deutschlands, die in Israel einen wichtigen Verbündeten und Vertreter ihrer Interessen sehen, waren während des letzten großen Angriffes auf Gaza weltweit Hunderttausende auf den Straßen, um ihre Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf zu zeigen.

    Ein erneuter Krieg würde wahrscheinlich ein weiteres Wachstum der pro-palästinensischen Solidaritätsbewegung sowie Aufstände von in Israel lebenden Palästinenser:innen nach sich ziehen.

    Zudem ist die israelische Staatsführung zunehmend in Bedrängnis geraten, seitdem führende Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und B’Tselem die israelische Besatzung mittlerweile als “Apartheid” bezeichnen.

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    Doch selbst wenn ein erneuter Krieg erst einmal ausbleiben sollte, ist die Situation in Gaza für viele der Bewohner:innen weiterhin katastrophal. Der nur 360 Quadratkilometer große Küstenstreifen gilt als einer der am dichtesten besiedelten Gegenden auf der Welt: Dort leben mehr als 1,7 Millionen Menschen.

    Die meisten von ihnen sind Geflüchtete und Vertriebene aus anderen Teilen Palästinas/Israels. Jeder Zugang wird von den Nachbarländern Israel und Ägypten kontrolliert. Import und Export sowie Ausreisen, selbst in medizinischen Notfällen, sind so gut wie unmöglich und es fehlt an den allernötigsten alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Die wirtschaftlichen Bedingungen sind schlecht, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 70 Prozent. Das Trinkwasser ist oft verunreinigt.

    Auch die Infrastruktur wurde bei israelischen Luftangriffen oft stark beschädigt. Das einzige Stromkraftwerk in Gaza wurde im Krieg 2014 fast zerstört, und 2021 folgten schwere Schäden am einzigen Krankenhaus Gazas. Aufgrund der Blockade konnten viele der Schäden bis heute nicht beseitigt werden. Die meisten Haushalte haben nur für ungefähr zwei Stunden am Tag Strom. Einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge ist Gaza seit 2020 als für Menschen unbewohnbar einzuschätzen.

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