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Dienstag, April 23, 2024
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    Schimmelige Wände und Löcher in Fußböden – Essener Meme-Seite deckt Missstände an Schulen auf

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    Die Essener Meme-Seite „essen diese“, betrieben von Jugendlichen aus dem Essener Norden, sorgt nicht nur für leichte Unterhaltung, sondern macht auch immer wieder auf soziale Missstände in der Stadt aufmerksam. In der Vergangenheit wurden zum Beispiel die Krankenhaus-Schließungen im ärmeren Norden der Stadt oder obdachlosen-feindliche Bänke in der Innenstadt thematisiert. Auf einen Aufruf hin wurden nun Mängel in skandalösem Ausmaß an Essener Schulen öffentlich gemacht.

    Es fing an mit dem Bild einer vollgemalten Ecke eines Klassenzimmers im Essener Stadtteil Kettwig. Der eigentliche Witz dabei war, dass in diesem als eher gut betucht geltenden Viertel scheinbar auch Kommunist:innen unterwegs sind und dort Hammer-und-Sichel-Symbolik hinterlassen haben. Auf eine Aufforderung der Administrators, ähnliche Fotos aus der eigenen Schule einzuschicken, entpuppte sich hingegen der schulische Alltag im kapitalistischen Bildungssystem: Ein Foto zeigt eine mit reichlich Moos bewachsene Innenwand eines Klassenraums, ein weiteres ein nur dürftig mit einer dünnen Holzplatte zugedecktes Loch mitten in einem Flur. Die Fülle der Einsendungen zeigt: Einzelfälle sind dies nicht.

    Ein konkretes Beispiel ist das „Gymnasium Essen Nord-Ost“. Gleich mehrere Generationen von Schüler:innen beschreiben auf der Seite ähnliche Probleme. Anonym erinnert sich ein:e ehemalige:r Schüler:in: „Ich war auf dem Gymnasium Essen Nord-Ost, und dort gab es auch einige eklige Angelegenheiten. (…) Andererseits hatten wir als Deutsch-LK einen Raum zugewiesen bekommen, den Raum 210, der verschimmelt war.“ Eine weitere Person antwortet darauf: „Das stimmt, ich habe da letztes Jahr Abi gemacht. Nicht nur im Raum 210 ist Schimmel, in den daneben liegenden Räumen auch. Man riecht das aber auch. Die Wände in den Fluren sind feucht und die Böden rissig“. Eine Reaktion der Schule soll gewesen sein, Regale vor die verschimmelten Stellen zu stellen.

    Ein weiteres Problem, das es an mehreren Schulen zu geben scheint, sind kaputte Fenster. Hierzu meldet sich auch eine Lehrerin einer Grundschule im nördlichen Stadtteil Altenessen: „Ich habe 3 alte Fenster im meinem Klassenzimmer, und eines davon wurde zugenagelt, da es ebenfalls aus dem Rahmen fliegt. Bei starkem Wind reißen die Fenster auch von alleine auf, sodass kein Kind mehr dort in der Nähe sitzen darf“. Ähnlich oft wurden defekte Toiletten und Heizungen genannt.

    Es fällt auf, dass die meisten Bilder aus dem Essener Norden eingesendet wurden. Der Norden ist in den meisten – seit Ende des Bergbaus ohnehin schon armutsgeplagten – Ruhrgebietsstädten traditionell deutlich ärmer. Gerade in Essen wird daher den Verantwortlichen vorgeworfen, die nördlichen Stadtteile systematisch zu benachteiligen: bei der Gesundheitsversorgung, beim ÖPNV und eben auch in Fragen der Schulsanierung.

    Bis zum Jahr 2024 will die Stadt Essen nun nach eigenen Angaben 388 Millionen Euro in die Schulinfrastruktur investieren, inklusive dem Abbruch und anschließendem Neubau von fünf Schulen und dem Bau einer neuen Schule. Unter den Schulen, die abgerissen und neu gebaut werden sollen, ist auch das Gymnasium Essen Nord-Ost. Hier wurden schnell 205.000 Euro in die Hand genommen – nicht für die Schüler:innen, sondern zur Organisierung eines Wettbewerbs und als Preisgeld für Firmen, die um den Auftrag konkurrierten. Obwohl der Prozess schon vor vier Jahren begonnen wurde, haben bis heute weder Abbruch- noch Neubauarbeiten stattgefunden, und es wird weiterhin in verschimmelten Räumen unterrichtet.

    Es steht zudem die Frage im Raum, warum man die Schulen überhaupt so verfallen ließ, dass jetzt zig Millionen an Steuergeld zusätzlich investiert werden müssen – und die hier genannten Zahlen beinhalten noch keine Fördergelder durch Land oder Bund, die eventuell dazu kommen.

    Letztere sorgen auch für manch interessantes Phänomen: In verfallenen kommunalen Immobilien werden durch Fördergelder beispielsweise effiziente Kleinprojekte durchgeführt, die nach wenigen Jahren durch weitere Bauarbeiten oder Sanierungsarbeiten wieder ganz- oder teilweise zurückgebaut werden müssen. Das wenige Geld, das also investiert wurde, wird durch wenig vorausschauende  Verwaltungsvorgänge und viel mehr noch durch vorrangig profitorientierte Architektur- und Bauunternehmen nochmals verdünnt, sodass nur noch wenig tatsächlich bei der Jugend ankommt.

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