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Donnerstag, April 18, 2024
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    Warum explodieren die Strompreise?

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    Wer derzeit einen neuen Stromvertrag abschließt, muss tief in die Tasche greifen. Der günstigste Tarif beim Vergleichsportal Check24 kostete Mitte vergangenen Jahres noch 21 ct/kWh. Nun liegt der Arbeitspreis des billigsten Tarifs bei 64,11 ct/kWh – dem Dreifachen. – Was sind die Hintergründe dieser Entwicklung?

    1. Der Strompreis war schon immer hoch

    Zuerst einmal ist wichtig festzuhalten, dass die Strompreise in Deutschland im europäischen Vergleich schon immer die teuersten waren. Mit einem Preis von knapp 32,16 Cent pro Kilowattstunde lag Deutschland im Jahr 2021 ungefähr 10 Cent über dem europäischen Durchschnitt, der nämlich etwa 22 ct/kWh beträgt. Die Gründe dafür sind vielfältig:

    • Kartellstrukturen:
      In Deutschland ist der Strommarkt noch immer weitestgehend unter den fünf großen Energieunternehmen E.ON, EnBW, Vattenfall, LEAG und RWE aufgeteilt. Auch wenn es einen gewissen Konkurrenzkampf gibt, so ist man sich doch einig, den Strompreis insgesamt auf hohem Niveau halten zu wollen.
    • Die Stromkonzerne können mehr verdienen:
      Da das Haushaltseinkommen in Deutschland verhältnismäßig hoch ist, sind hier auch die Strompreise höher, da die Konzerne einfach mehr verlangen “können”. In Ungarn fielen beispielsweise im Jahr 2021 lediglich 10 ct/kWh für Elektrizität an.
    • Sehr hohe Steuern:
      Gehen im europäischen Durchschnitt etwa 40 Prozent des Strompreises an den Staat, so war es in Deutschland lange Zeit ungefähr die Hälfte – das hat sich erst mit dem kürzlichen Wegfall der EEG-Umlage etwas geändert. Anders handhaben es hingegen die Niederlande, dort ist der steuerliche Anteil sogar negativ.

    2. Energiewende auf dem Rücken der breiten Bevölkerung

    Norwegen bezieht seine Energie bereits heute aus 100 Prozent erneuerbaren Energien. In Deutschland wurde die Energieversorgung aber jahrzehntelang durch Kohle, Gas und Atomstrom gewährleistet. Doch da die fossilen Rohstoffe perspektivisch zur Neige gehen, will die deutsche Großmacht nicht ins Hintertreffen geraten. Aus diesem Grunde wurde im letzten Jahrzehnt die „Energiewende“ intensiviert.

    Doch diese kostet viel Geld – das wird aber nicht von denjenigen bezahlt, die jahrzehntelang an fossiler Energieproduktion verdient haben, sondern von uns allen. Denn neu zu bauende Leitungen, neue Maschinen, Umrüstungen von Kraftwerken – all das wird auf den Strompreis umgelegt. Hinzu kommt die CO2-Steuer auf den noch immer stark verwendeten Kohlestrom, die ebenfalls direkt an die Verbraucher:innen weitergegeben wird.

    3. Gaspreisexplosion führt zur Strompreisexplosion

    Die Wirtschaftskrise 2019/2020 ging gegen Ende 2021 vielerorts in einen leichten Aufschwung über, als die Lockdowns gelockert wurden. Die Industrie benötigte Strom – und Gas. Doch das Gas wurde schon seit Anfang 2021 immer teurer. Mit dem Krieg in der Ukraine und der daraus resultierenden Neuverteilung des Gases weltweit kam es zu weiteren Preissprüngen. Am Strommarkt richtet sich der Preis jedoch immer nach der teuersten Herstellungsart, die noch benötigt wird, um die Nachfrage zu bedienen – und das ist eben oft der Strom, der aus Gaskraftwerken gezogen wird.

    4. Die Auswirkungen des Klimawandels

    Ein weiterer kurzfristiger Effekt ist, dass Deutschland derzeit massenhaft Strom aus deutschen Gaskraftwerken nach Frankreich exportiert. Normalerweise verhielt es anders herum, doch ein Großteil der französischen Atomkraftwerke ist derzeit wegen der extremen Hitze nicht funktionsfähig. Das liegt unter anderem daran, dass die Rhone zu wenig Wasser führt, um die Kraftwerke zu kühlen.

    Normalerweise bezieht Frankreich 70 Prozent seines Stroms aus der Atomkraft und muss deshalb nun massiv importieren. Das zeigt, wie kurz gedacht die Rufe – vor allem von verschiedenen rechten Parteien – danach sind, nun auch in Deutschland die Atomkraftwerke wieder hoch zu fahren oder sogar neu zu bauen.

    Wie geht es weiter?

    Eine Entspannung am Strommarkt ist nicht in Sicht. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass die hohen Preise bleiben werden und im nächsten Jahr erst recht auf uns Verbraucher:innen durchschlagen werden. Denn die extrem hohen Preise an der Strombörse sind Zahlungen auf Strom, der erst in einem Jahr ausgeliefert werden wird – aber dann bezahlt werden muss. Es ist also damit zu rechnen, dass unsere Stromrechnungen weiter steigen werden.

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