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    Über ein Drittel der Haushalte hat kein Geld für Nachzahlungen

    Bereits letztes Jahr hat ein Drittel aller privaten deutschen Haushalte Probleme gehabt, Nachzahlungen in Höhe von 1.150 Euro oder mehr zu bezahlen. Derzeit müssen wir wegen der steigenden Energiepreise mit noch deutlich höheren vierstelligen Summen für Nebenkosten rechnen. Die aktuelle Inflation facht das Ganze weiter an, sie liegt aktuell bei zehn Prozent.

    Am Mittwoch veröffentlichte das Statistische Bundesamt (Destatis) in einer Pressemitteilung die Ergebnisse seiner Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) 2021. Mit ihr kamen besorgniserregende Zahlen ans Licht: 31,9 Prozent der Haushalte hatten schon im vergangenen Jahr kein Geld für plötzliche Ausgaben im unteren vierstelligen Bereich. Mit Zahlungen in dieser Höhe müssen aber so gut wie alle deutschen Privathaushalte nun auf Grund der steigenden Heizkosten und Energiepreise spätestens im nächsten Jahr rechnen.

    Unter “größere unerwartet anfallende Ausgaben“ fallen für das Statistische Bundesamt Ausgaben in Höhe von 1.150 Euro oder mehr. Abhängig vom Einkommensniveau werden die Grenzen hier je nach Stadt anders gezogen.

    In anderen westeuropäischen Staaten ist der Anteil der Menschen, die sich solche Ausgaben nicht leisten können, zum Teil niedriger: in Frankreich liegt er bei etwa 27,6 Prozent und in den Niederlanden bei etwa 15,1 Prozent. In Ländern wie Rumänien, Kroatien, Griechenland, Zypern und Lettland sind es jedoch jeweils mehr als 40 Prozent der Bevölkerung, die über keine ausreichenden Rücklagen verfügen, um Nachzahlungen tätigen zu können.

    Fast 4 Prozent der Bevölkerung waren bereits letztes Jahr im Zahlungsverzug

    In der Statistik zeigt sich nicht nur die Problematik, dass den Menschen das Geld für die Nachzahlungen fehlt. Es lässt sich auch ablesen, dass 3,7 Prozent der deutschen Bevölkerung bereits letztes Jahr im Zahlungsverzug bei Versorgungsbetrieben wie etwa Strom- und Gasanbietern waren. ´

    Aus den Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat geht auch hier hervor, dass die Bevölkerung in anderen Ländern vor ähnlichen Problemen steht: In den Niederlanden waren nur etwa 1,2% der Bevölkerung im Zahlungsverzug, in Frankreich waren hingegen sogar 7,1% bei der Begleichung von Rechnungen für Versorgungsleistungen im Rückstand.

    Ein Fünftel hat ein “Nettoäquivalenzeinkommen” von unter 16.300 Euro

    In der Pressemitteilung von Destatis wird außerdem auf das  sogenannte “Nettoäquivalenzeinkommen” eingegangen. Die Ergebnisse dafür stammen aus der europäischen Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen.

    Das “Nettoäqivalenzeinkommen” ist ein statistisches Modell, um den Lebensstandard von Menschen in verschiedenen Haushaltstypen besser vergleichen zu können. Hierbei wird nicht das nominale Haushaltseinkommen verglichen, weil bestimmte Einspareffekte berücksichtigt werden sollen, die entstehen, wenn mehrere Personen in einem Haushalt leben.

    Vereinfacht gesagt geht es darum, darzustellen, dass zwei Erwachsene, die zusammen leben und ihr gemeinsames Einkommen von 40.000 Euro teilen, einen deutlich höheren Lebensstandard erzielen, als beispielsweise ein allein lebender Mensch, der ein Jahreseinkommen von 20.000 Euro erzielt.

    Einem Fünftel der Bevölkerung in Deutschland steht demnach ein jährliches Nettoäquivalenzeinkommen von unter 16.300 Euro und somit ein besonders niedriger Lebensstandard zur Verfügung. Bei zwei Fünfteln, also etwa 40 Prozent der Bevölkerung, sind es unter 22.000 Euro.

    Zu den 40 Prozent mit dem geringstem Einkommen zählen überdurchschnittlich häufig Personen aus Alleinerziehenden-Haushalten. Fast zwei Drittel (64,6 Prozent) von ihnen verfügten 2021 nur über ein Nettoäquivalenzeinkommen von weniger als 22.000 Euro im Jahr, bei gut einem Drittel der Alleinerziehenden (33,2 Prozent) betrug es weniger als 16.300 Euro. Ähnlich betroffen sind Haushalte mit zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern. Von ihnen verfügten sogar 57,7 Prozent nur über ein Einkommen von weniger als 22.000 Euro.

    Auch allein lebende Erwachsene sind stark betroffen: So lebte 2021 mehr als die Hälfte von ihnen (53,2 Prozent) mit einem Einkommen von unter 22.000 Euro und mehr als ein Drittel (32,2 Prozent) mit einem unter 16.300 Euro. Außerdem musste etwa die Hälfte aller Personen im Ruhestand (50,1 Prozent) und über die Hälfte aller Student:innen (55,4 Prozent) mit einem Einkommen von unter 22.000 Euro jährlich auskommen.

    Mit am stärksten betroffen sind Arbeitslose. Bei Arbeitslosen und anderen nichterwerbstätigen Personen ab 16 Jahren gab es mit 77,1 Prozent beziehungsweise 58,3 Prozent einen noch höheren Anteil in den zwei untersten Einkommensgruppen. Mehr als jede zweite arbeitslose Person (54,7 Prozent) zählte darüber hinaus zu den 20 Prozent der Bevölkerung mit den geringsten Einkommen.

    Neben Arbeitslosen sind also Alleinverdiener:innen mit und ohne Kinder sowie Haushalte mit mehreren Erwachsenen aber auch außergewöhnlich vielen Kindern besonders stark von Armut betroffen. Den höchsten Lebensstandard erzielten im Durchschnitt Haushalte mit mehreren Erwachsenen aber wenigen oder keinen Kindern.

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