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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Die Midterms in den USA: Nicht mehr als ein Wahlspektakel

In den USA wurde diese Woche gewählt. In der Mitte der Amtszeit von Joe Biden geht es den Demokraten um die Verteidigung ihrer Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat. Aber letztlich ist es fast schon egal, welche der beiden Parteien Politik macht. – Ein Kommentar von Fridolin Tschernig

Nach den letzten Wahlen 2020, nach denen Joe Biden als Präsident der Vereinigten Staaten eingesetzt wurde, besaßen die Demokraten die Kontrolle über die gesamte Legislativkammer. Seit mehreren Tagen werden in den einzelnen Bundesstaaten nun die Stimmen der Midterm-Wahl ausgezählt, und es wird über das Kopf-an-Kopf-Rennen von Demokraten und Republikanern berichtet. Schaffen es die Republikaner, eine Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erlangen? Kommt es im Senat zu einem Unentschieden? Werden es die Demokraten in Zukunft schwerer haben, ihre Gesetze durchzubringen?

Midterms – Was ist das?

Die „Midterms“ haben ihren Namen von der „Mitte der Amtszeit“ (‚mid of term‘) des Präsidenten. Sie werden deswegen auch oft als „Arbeitszeugnis“ für den amtierenden Präsidenten oder die amtierende Präsidentin gesehen. Die Amerikaner:innen haben mindestens alle 2 Jahre die Möglichkeit, wählen zu gehen. In den Midterms stehen immer das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats zur Wahl, also die beiden gesetzgebenden Institutionen der USA. Des Weiteren werden in unregelmäßigen Abständen neue Gouverneure gewählt. Das sind die „kleinen Präsidenten“ eines jeden Bundesstaats.

Da das amerikanische Wahlsystem de facto ein Zwei-Parteien-System ist, kann es so immer wieder vorkommen, dass eine der beiden großen Parteien, also die der Demokraten oder der Republikaner, zwar den Präsidenten stellt, jedoch nicht die Kontrolle über beide gesetzgebenden Kammern innehat. Die Oppositionspartei kann dann Gesetzesentwürfe recht einfach blockieren und der Regierungspartei dazwischen funken.

In der Realität ist es aber tatsächlich egal, welche von den beiden Parteien letztendlich den Präsidenten oder die Präsidentin oder die Mehrheit in einer der beiden Kammern stellt: Denn sowohl die Demokraten als auch die Republikaner machen sehr ähnliche Politik.

Was bedeutet diese Wahl für die amerikanischen Arbeiter:innen?

Jede Wahl, ob in Deutschland oder in den USA, wird als große „Schicksalswahl“ dargestellt. Ob es nun um die Präsidentschaftswahl 2020 in den USA ging  oder die Bundestagswahl in Deutschland 2021, jedes Mal geben Politiker:innen und bürgerliche Medien vor, dass es eine entscheidende Wahl sei. Mit großen Kampagnen wird zur Wahlbeteiligung aufgerufen, sowohl von staatlicher Seite, als auch durch private Kampagnen. Der Grundtenor: Wir alle hätten bei dieser wichtigen Entscheidung ein Mitsprache-Recht.

Doch gerade die letzte US-Wahl 2020 hat eindrücklich gezeigt: Gesichter im Parlament oder an der Spitze kapitalistischer Staat ändern sich, aber die Politik bleibt gleich. Joe Biden und die Demokraten versprachen zwar im Wahlkampf, ganz anders als die Trump-Regierung der Konservativen zu regieren. Doch hinter der Fassade einer vorgeblich progressiveren Regierung – immerhin hat nun eine schwarze Frau das Amt der US-Vizepräsidentin inne – versteckte sich die Fortführung der alten Politik: Still und leise werkelt die Biden-Regierung beispielsweise momentan an der Fertigstellung des Trump’schen Prestigeprojekts, der „Wall“ an der Grenze zu Mexiko zur Eindämmung der Migration aus dem südlichen Nachbarstaat.

Und auch was die Rüstungsangaben angeht, steht Biden Trump in nichts nach: Noch 2018 betonte Trump, die bedeutendste Investition in den Verteidigungshaushalt der Geschichte der USA, nämlich 716 Milliarden US-Dollar, getätigt zu haben. Doch schon 2022 erklärte Biden, nun 813 Milliarden US-Dollar für die nationale Sicherheit bereitzustellen.

Der US-amerikanische Imperialismus könnte es sich auch gar nicht leisten, alle paar Jahre einen ganz anderen Kurs fahren zu müssen. Die Kontinuität im internationalen Kampf um die Rohstoffe und Einflusssphären zeigt sich zum Beispiel im seit Jahrzehnten geführten Wirtschaftskrieg gegen China und Russland. Oder in den militärischen Eingriffen in Afghanistan und im Irak. Oder in den Waffenlieferungen in die Ukraine.

Wie bei jeder Wahl in einem kapitalistischen Land geht es hier also auch wieder nur um den Schein eines Einflusses von uns Arbeiter:innen auf die Politik der Staaten. Gerade in den USA beobachten wir deswegen derzeit ein reines Wahlspektakel, das uns vorgaukeln soll, dass wir etwas verändern könnten.

 

Fridolin Tschernig
Fridolin Tschernig
Seit 2022 Autor bei Perspektive. Schreibt als Studierender aus Sachsen insbesondere internationalistisch über die Jugend, Antimilitarismus und das tagespolitische Geschehen. Vorliebe für Gesellschaftsspiele aller Art.

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