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Dienstag, März 19, 2024
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    Galeria-Karstadt beantragt erneut Millionenhilfe – ver.di gibt sich überrascht

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    Galeria Karstadt Kaufhof hatte bereits 680 Millionen Euro Steuergelder geschluckt, um eine Unternehmenspleite abzuwenden. Die ver.di handelte einen Tarifvertrag aus, mit dem die Arbeiter:innen auf erhebliche Teile ihres Lohns verzichteten – um ihre Zukunft zu sichern. Nun schlägt die KKG erneut Alarm und ver.di gibt sich entrüstet über eine Misere, die sie selbst mit verantwortet hat. – Ein Kommentar von Olga Wolf.

    Galeria Karstadt Kaufhof scheint pleite – mal wieder. Und das, obwohl der Bund erst vor knapp zwei Jahren auf die Bitte des östereichischen Eigentümers René Benko einging, das Unternehmen vor der Pleite zu retten. Damals flossen 680 Millionen Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) – Steuergelder – in das Unternehmen.

    Doch die Bundesregierung war nicht die Einzige, die tief in die Tasche griff, um das scheinbar Schlimmste abzuwenden. Die Gewerkschaft ver.di handelte für die rund 17.000 Beschäftigten einen Integrations- und Überleitungsvertrag aus. Im Klartext: Die Gewerkschaft organisierte, dass Arbeiter:innen Arbeitsplatzabbau und selbst für den Einzelhandel unterirdische Löhne akzeptierten. Heute spricht die ver.di von einem “Eigenanteil” in Höhe von “mehreren Millionen Euro”, den die Beschäftigten geleistet haben.

    Eigenanteil ist natürlich irreführend, denn während die Beschäftigten trotz der unsicheren Situation über die Grenzen des Zumutbaren gegangen sind, wurden sie natürlich nicht Anteilseigner. Sie hatten keine Mitsprache daran, wie die 680 Millionen Euro genutzt würden, um das Unternehmen vor der Pleite zu retten. Dem Versprechen seitens der Unternehmensleitung, massiv in die Filialen zu investieren, scheint niemand nachgekommen zu sein.

    Die GKK stellt weiteren Rettungsantrag

    Nun finden sich das Unternehmen und mit ihm 17.000 Beschäftigte im Prinzip in der selben Lage wieder wie schon 2020: Ein Drittel der Filialen will Konzernchef Benko schließen. Der Milliardär stellte erneut einen Schutzschirm-Insolvenzantrag.

    Wenn die 680 Millionen Euro Steuergeld nicht als massive Investitionen in den Filialen und auch nicht bei den Beschäftigten ankamen – wo denn dann eigentlich? In dem Moment, als die Galeria Karstadt Kaufhof die erste WSF-Zahlung erhielt, ließen sich die Anteilseigner der Galeria Properties 450 Millionen Euro Dividende ausschütten – ein Gros davon ging direkt an Benko.

    Die Gewerkschaft ver.di hat die Beschäftigten, die sie im Tarifstreit mit der GKK vertreten sollte, vor einen Karren gespannt, der sie überrollen würde – sehenden Auges. Die Arbeiter:innen haben verzichtet und gearbeitet, um ihre Beschäftigung zu sichern, die Firma dankt. Dass die Unternehmensführung den Vertrag im Oktober 2022 kippen würde, durfte für keine Gewerkschaft der Welt überraschend gewesen sein.

    Arbeiter:innen erneut in Sorge

    Nun müssen 17.000 Beschäftigte wieder um ihre Jobs bangen. Nur sind das jetzt Jobs, in denen sie in den vergangenen zwei Jahren zu katastrophalen Bedingungen gearbeitet haben, weil die Gewerkschaft ihnen das als zukunftssichernde Idee verkauft hat. Anders als für Benko gibt es für sie keine Dividendenausschüttung und auch keinen Rettungsschirm in Millionenhöhe.

    In einer Veröffentlichung scheint die ver.di vor Wut zu schäumen. Von mangelnder Verantwortung Benkos ist die Rede. Benko ist seit Beginn seines investorischen Engagements jährlich in neue Skandale verwickelt, aus denen er stets als reicher Mann hervor geht. Die Gewerkschaft hat wissen müssen, dass sie Benko ein riesiges Geschenk macht, den Arbeiter:innen ihre Ausbeutung als Ausweg schönzureden.

    „Die Beschäftigten haben ihre persönlichen Verluste in Galeria investiert“, betont Stefanie Nutzenberger von ver.di. So will sie das Unternehmen zur Verantwortung zwingen. Stattdessen müsste die Gewerkschaft sich eingestehen: Arbeiter:innen dazu zu bringen, persönliche Verluste zu investieren und damit kapitalistische Misswirtschaft auszubügeln, ist das Gegenteil ihres eigentlichen Auftrags.

    Damit demonstriert die DGB-Gewerkschaft ver.di einmal mehr ihren politischen Unwillen, Arbeitskämpfe so zu führen, dass die Arbeiter:innen gewinnen – auf Kosten der Unternehmensführung. Sie ist sich sogar nicht zu schade, ihre Unverantwortlichkeit gegenüber den Beschäftigten als Dreistigkeit der Unternehmensseite darzustellen – als wäre ein Verrat an den Beschäftigten in diesem Fall überraschend.

    Neben den Tarifverhandlungen, die die ver.di auch aktuell aufzunehmen versucht, gab es in vielen Städten auch selbstorganisierten und solidarischen Protest mit den Beschäftigten. An diese Proteste gilt es nun anzuknüpfen und den Galeria-Karstadt-Arbeiter:innen den Rücken zu stärken, während sie sich gegen den Abbau ihrer Arbeitsplätze organisieren.

    • Perspektive-Autorin seit 2017, Redakteurin seit 2018. Aus dem Rheinland, Sozialwissenschaftlerin. Schreibt am liebsten über das Patriarchat und internationale Frauensolidarität dagegen.

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