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    Mouhamed Lamine Dramé – Das Lügenkonstrukt der Polizei

    Mouhamed wurde von der Polizei erschossen. Diese ist seitdem bemüht, den Mord als Notwehr umzudeuten. Doch immer mehr Erkenntnisse und Beweise belegen, dass das Lügenkonstrukt der Polizei wackelt und es ihr dieses Mal nicht so einfach gelingt, einen weiteren tödlichen Polizeieinsatz zu vertuschen. – Ein Kommentar von Elena Behnke

    Am 8. August diesen Jahres wurde Mouhamed Lamine Dramé von der Polizei ermordet. Der 16-Jährige war aus dem Senegal nach Deutschland geflüchtet und lebte in Dortmund in einer Wohngruppe. Er befand sich in einer psychischen Krise, als er sich in den Innenhof der Wohngruppe zurückzog. Dort stellte er für Niemanden eine Gefahr dar – außer für sich selbst. Aus Sorge vor einer vermutlich suizidalen Absicht informierten die Betreuer:innen der Wohngruppe die Polizei.

    Doch anstatt ihm zu helfen, erschießt sie ihn. Das ist in Deutschland nichts Ungewöhnliches, insbesondere Migrant:innen und Menschen in psychischen Ausnahmesituationen sind von tödlicher Polizeigewalt betroffen. Polizeiwissenschaftler Alexander Bosch sagt dazu, es sei „eine berechtigte Angst, als migrantische Person einen Polizeieinsatz nicht zu überleben.“  Dennoch erzählen Polizist:innen nach jedem tödlichen Einsatz dasselbe Märchen: Es hätte sich um Notwehr gehandelt – so auch im Fall Mouhamed.

    Erst vor wenigen Wochen berichtete ein Perspektive-Korrespondent jedoch von neuen Erkenntnissen, die belegen, dass die Polizei-Version nicht mit dem Tathergang übereinstimmen kann, und auch der aktuellste Ermittlungsstand bestätigt: Die Schuss-Abgabe war nicht notwendig! Bisher beruft sich die Polizei darauf, dass Mouhamed durch einen Elektroschocker nicht hätte ruhiggestellt werden können.

    Dortmund: Polizeimord an Mouhamed Lamine Dramé – immer mehr Polizeiaussagen stellen sich als falsch heraus

    Es habee also geschossen werden müssen, um ihn zu stoppen. Die Auswertung von Tonaufnahmen, die während des Einsatzes entstanden sind, zeichnet nun jedoch ein ganz anderes Bild, was viele nicht überraschen dürfte: Die Polizist:innen lügen. Denn der erste Schuss aus der Maschinenpistole fiel bereits 0,7 Sekunden nach dem Taser-Einsatz. Mouhamed hatte also schlichtweg nicht die Möglichkeit, auf den Taser-Angriff zu reagieren. Er wurde anlasslos und unmittelbar, nachdem er zweimal von einem Elektroschocker getroffen wurde, mit mehreren Kugeln erschossen.

    Die Beweislast ist also erschlagend, und selbst die Ermittlungsbehörden, die sonst wenig Interesse daran haben, tödliche Polizeieinsätze aufzuklären, kommen nicht drum herum, gegen die Polizist:innen vorzugehen. Denn es liegt nahe, dass es zu Absprachen kam, die Aussagen zum Tathergang betreffend. Die Handys der Polizist:innen wurden inzwischen beschlagnahmt. Ob eine ernsthafte Datenauswertung durchgeführt werden wird, bleibt abzuwarten. Denn dass über den Fall Mouhamed verhältnismäßig viel berichtet wird, ist nicht das Ergebnis eines gerechten Systems, sondern vor allem auf den öffentlichen Druck zurückzuführen. Genau diesen Druck gilt es nun aufrechtzuerhalten, damit die Ermittlungen nicht stillschweigend eingestellt werden.

    Deshalb organisiert der Solidaritätskreis “Justice4Mouhamed” am 19.11.2022, um 13:30 Uhr in Dortmund eine bundesweite Demonstration gegen tödliche Polizeigewalt. Denn: Mouhamed ist nur einer von vielen, und sie alle verdienen Gerechtigkeit.

    • Seit 2022 Perspektive-Autorin, Kinderkrankenschwester aus Sachsen, schreibt Artikel und Kommentare über Soziale Kämpfe und Militarisierung. Liest am liebsten politische Romane.

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