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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Proteste in Tschechien gegen geplante VW-Batteriefabrik

VW gilt als größtes deutsches Monopol, doch im kapitalistischen Wettkampf um schwarze Zahlen mit Tesla & Co. schnitt der Automobil-Konzern zuletzt schlecht ab. Mehrere zehntausend Jobs stehen deshalb nun auf dem Spiel. Das Monopol richtet seinen Fokus auch auf die billige Produktion von Elektroautos in Osteuropa. Die jüngste Idee: den Flughafen in Pilsen abzureißen, um eine Fabrik für Batteriezellen zu bauen. Doch dagegen formiert sich jetzt Widerstand in der tschechischen Bevölkerung.

Im Wettstreit mit dem US-Autohersteller Tesla will Volkswagen neue Werke für sein neues Elektromodell „Trinity“ hochziehen. Für Unruhe hatten bereits Mitte Oktober 2021 angebliche Äußerungen von Konzernchef Diess gesorgt, wonach wegen der Umstellung auf Elektrofahrzeuge bis zu 30.000 Stellen in Deutschland wegfallen könnten. Diess verlangt eine effizientere Produktion in Wolfsburg. Szenarien kursieren, wonach jeder vierte Job bei der Kernmarke bedroht sein könnte.

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Der Volkswagen-Konzern baut sein Monopol aus und plant für die kommenden Jahre mindestens fünf weitere eigene Fabriken für Batteriezellen – eine davon in Osteuropa, Polen und Ungarn sind dabei im Gespräch. Die Volkswagen-Tochter Skoda wirbt währenddessen vehement um den Standort Tschechien. Dieser sei „im Interesse der gesamten Republik“, sagt Martin Jahn aus dem Vorstand von Skoda. „Leider“ hätte der Konzern in den letzten Jahren aber versäumt, „neue strategische Industriegebiete in Tschechien vorzubereiten“. Demnach sei Pilsen-Line nun „der einzige Standort, an dem die Anforderungen von Volkswagen technisch erfüllt“ werden könnten, so Jahn.

Die tschechische Regierung hat weitere Treffen und Machbarkeitsstudien angekündigt. Ob diese zu Ergebnissen kommen, bevor sich Volkswagen für einen Standort entscheidet, ist offen. Der Skoda-Vorstandsvorsitzende Klaus Zellmer hatte am Montag auf einem deutsch-tschechischen Wirtschaftsforum in Prag erklärt, dass er bis zum Jahresende eine Grundsatzentscheidung des VW-Konzerns zur Standortwahl erwarte.

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Der Flughafen Pilsen-Line mit einer 1.550 Meter langen Beton-Landebahn gehört dem tschechischen Verteidigungsministerium und wurde bisher noch als strategische Reserve vorgehalten. Die Armee hätte daran gerne festgehalten. Der Flughafen sei der fünftgrößte in Tschechien, erzählt ein Hobby-Pilot. Er sei eine Reserve für den einzigen Militärflughafen in Tschechien. Außerdem seien die Flugschulen und der Rettungsdienst auf den Standort angewiesen. Zudem gebe es dort einen Bunker für den „möglichen Verteidigungsfall“, denn der könne ja auch noch „wichtig“ werden, so der Pilot.

Die tschechische Regierung beschloss am Mittwoch in Prag, das Vorhaben von VW/Skoda dennoch zu unterstützen: Dieses Projekt sei „eine riesige Chance“, den wichtigen „Industriezweig auf die Zukunft vorzubereiten„, sagte Industrie- und Handelsminister Jozef Sikela. Zuvor hatte auch Premierminister Petr Fiala die Batteriefabrik und den Standort schon zu einem Schlüsselprojekt mit absoluter Priorität erklärt: „Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass in Tschechien zehn Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts und 25 Prozent unserer Exporte in der Automobilindustrie erwirtschaftet werden und hunderte Unternehmen und zehntausende Mitarbeiter damit verbunden sind. Wenn wir wollen, dass die Automobilindustrie hier eine Zukunft hat, müssen wir uns an die Veränderungen anpassen, die sie durchmacht.“

Die sogenannte „Gigafabrik“ würde rund 4.500 Arbeitsplätze in der Batteriezellen-Produktion schaffen. Was verwundert: die Arbeitslosigkeit in Pilsen liegt bei unter 3%. Die Vermutung liegt nahe, dass daher eher Fachkräfte aus dem Ausland angeworben und untergebracht oder von anderen lokalen Unternehmen abgeworben werden müssten. Insgesamt profitiert VW dabei natürlich von dem Lohnniveau in Osteuropa, das um einiges geringer ist als das in Deutschland.

Für die Arbeiter:innen aus Pilsen und der Umgebung handelt es sich bei dem Projekt weniger um ein Zukunftsinvestment als um eine gewöhnliche Chemiefabrik – mit einem enormen Bedarf an Strom und Wasser. Beides könne in Pilsen nur ca. zu einem Drittel gedeckt werden, der Rest müsste von woanders beschafft werden.

Die Stadt Pilsen und fünf Nachbargemeinden sind daher gegen die geplante Batteriefabrik. Eine Petition haben mehr als 11.000 Menschen unterschrieben. Der Bürgermeister Martin Sobotka aus Dobrany kritisiert, dass lokale Interessen und Bedenken keine Rolle spielten: „Bisher haben unsere Regierungen eher mit Verachtung über den Green Deal gesprochen, und plötzlich wollen sie, dass wir ein großes Opfer für denselben Green Deal bringen.“ Der VW-Konzern ist dabei als größtes deutsches Wirtschaftsmonopol und Teil der deutschen Automobilindustrie nicht gerade für seine Umweltfreundlichkeit bekannt. Das hatte zuletzt der Abgas-Skandal gezeigt.

Tschechische Proteste gegen die deutsche Ausbeutung

Knapp 50 Menschen hatten sich bereits vor ca. zwei Wochen auf dem Platz vor der deutschen Botschaft in Prag versammelt. Auf einem großen Transparent stand der Slogan „Stop Gigafactory“ geschrieben. Die Demonstrant:innen kritisieren, dass der Flugplatz abgerissen werden soll, „was einen Haufen Geld“ kosten und nichts bringen würde, da der Flugplatz „vollständig funktioniert“ und „in einem sehr guten Zustand“ sei. In den Abriss Milliarden von Tschechischen Kronen zu investieren sei also vollkommen „sinnlos.“

Sie kritisieren, dass nicht etwa ein Ort wie Sokolov an der deutschen Grenze ausgesucht wurde, an dem sich früher Bergwerke befanden. Dort gäbe es „Arbeitslose, Strom und Wasser – alles was man braucht – und das Gebiet ist gerade einmal 60 Kilometer entfernt“. Allerdings führt dort noch keine Autobahn hin. Aber „es wäre doch besser, eine Autobahn zu bauen, als einen wichtigen Flugplatz abzureißen“, argumentieren die Demonstrant:innen.

Am Dienstag protestierten dann mehrere hundert Menschen aus der Umgebung und aus ganz Tschechien dagegen, dass der Flughafen abgerissen wird, um eine Fabrik für Batteriezellen für VW zu bauen. Es ist die größte Aktion, seitdem die Pläne von Volkswagen im April bekanntgeworden sind. Mehr als 200 Autos blockierten die Landebahn des Flughafens in der Nähe von Pilsen.

Der Vorsitzende des tschechischen Luftfahrtverbands, Václav Vašek, der mobilisiert hatte, glaubt nicht „an das Märchen, dass dieser Flughafen zum Nutzen irgendeines Unternehmens“ abgerissen werden müsse. „Wenn die Regierung in der Tat geneigt wäre, auf den Chef eines jeden Unternehmens zu hören, sollten wir die Frage stellen: Was ist dann die Souveränität dieses Landes?“, so Vašek.

Er erinnerte auch an das Schicksal des ehemaligen Flughafens in Žatec, wo das Industriegebiet „Triangle“ entstanden ist. „Was glauben Sie, wie viele Tschechen dort arbeiten?“, fragt er rhetorisch. „Höchstens dreißig Prozent“, antwortet er sich selbst. Alle anderen Arbeiter:innen seien aus verschiedenen europäischen Ländern „importiert“ worden. Er mahnt an, dass sich die Menschen nicht der Illusion hingeben sollten, dass „hier dank der Volkswagen-Batteriefabrik das Paradies auf Erden entstehen“ werde.

Und die Proteste zeigen Wirkung: „Der erste Regierungsbeschluss vom Juli sah Abrissarbeiten im September vor“, stellt Vašek fest. Er danke daher den Menschen am Flughafen dafür, denn in diesem Fall habe „der Widerstand gewirkt“.

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