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Donnerstag, April 25, 2024
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    Antifaschismus oder falsches Spiel: Was bedeutet die Razzia gegen die Patriotische Union?

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    Die Razzia gegen die Patriotische Union sorgte letzte Woche für internationale Aufmerksamkeit. Mit dem rund 3.000 Polizisten:innen starken Großeinsatz sollte ein hartes Vorgehen gegen Rechtsterrorismus signalisiert werden. Doch was steckt wirklich dahinter? Greift der Staat jetzt tatsächlich hart gegen Rechtsterrorismus durch? – Ein Kommentar von Rudolf Routhier.

    Bereits Ende November durften sich Polizist:innen in ganz Deutschland auf die Razzia gegen die Patriotische Union vorbereiten. Dem Journalisten Peter Neumann lassen währenddessen andere Sorgen keine Ruhe. Auch das ehemalige Mitglied von Armin Laschets (CDU) sogenanntem “Zukunftsteam” hat sich der „Terrorismusbekämpfung“ verschrieben. Nur sieht er die Gefahr nicht bei tatsächlichen, Umsturzpläne schmiedenden und bewaffneten Reichsbürger:innen, sondern ganz woanders. Bei einer hypothetischen “grünen RAF”, wie er im Spiegel schreibt.

    Allein ist er damit nicht. Während sich Polizei und Patriotische Union auf ihren jeweiligen großen Tag vorbereiten, haben große Teile der deutschen Politik und Medienlandschaft die größte Bedrohung für die öffentliche Ordnung schon woanders gefunden.

    Nämlich links. Naja, nicht wirklich “links” sondern eher ziemlich “mittig”. Aber immerhin auf den ersten Blick links genug, um RAF-Kaderin Ulrike Meinhof, bewaffnet mit Suppe, aus dem Grab auferstehen zu lassen, um den nächstbesten Monet zu attackieren. Die Gruppe, die angeblich auf das Ende der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hinarbeitet, heißt “Die letzte Generation”.

    Zwar unterscheidet sich die Umweltschutzgruppe von ihren Forderungen her kaum von den durchschnittlichen Grünen-Politiker:innen vor der Wahl, nur ihre Aktionen weichen dann doch etwas vom politisch akzeptierten Rahmen ab. Anstatt auf Reformen durch Teilnahme an Wahlen zu hoffen, hofft die letzte Generation auf Reformen durch Aufmerksamkeit erregende Aktionen. So kleben sie sich auf Straßen oder Flughäfen fest, treten in den Hungerstreik oder werfen Suppe auf Gemälde.

    Die Antwort des Staats lässt nicht lange auf sich warten: Polizeigewalt, Repression – in Bayern wirft man Aktivist:innen der Letzten Generation gleich in Präventivhaft, das heißt 30 Tage Gefängnis auf den bloßen Verdacht hin, dass du vielleicht irgendwann mal eine Straftat begehen könntest. Auch die bürgerlichen Medien schießen aus allen Rohren. So fordert der bereits erwähnte Peter Neumann schnellere Urteile und noch härtere Strafverfolgung. Nur so könne man eine “grüne RAF” noch verhindern.

    Die Reaktion mancher eher links stehender Menschen darauf war es, sich zu fragen, wo diese Energie bleibt, wenn es um die Bekämpfung von rechtem Terror geht. Egal ob NSU oder Kreuz-Netzwerk, die Haltung des Staats zum Rechtsterrorismus sprang meistens irgendwo zwischen karikaturhafter scheinbarer Inkompetenz und williger Mittäterschaft hin und her.

    Seit Jahren konnten sich rechte Netzwerke, oft mit guten Beziehungen zu Polizei, Bundeswehr und Politik, so gut wie ungestört entwickeln, und viele von Faschist:innen begangene Straftaten blieben entweder unaufgeklärt oder wurden mit Strafen geahndet, von denen G20-Demonstrant:innen nur vergeblich träumen können.

    Eine ähnliche Haltung hatten auch die bürgerlichen Medien. Wenn sie nicht gerade beschäftigt waren, rechtes Gedankengut durch reaktionäre Berichterstattung zu befeuern, wurde es verharmlost. Wer Reichsbürger hörte, dachte an Xavier Naidoo und Pickelhaube tragende Opas. An seltsame, doch letztendlich harmlose Spinner. Viele dachten nicht an bewaffnete Terroristen.

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    Greift der Staat endlich gegen Rechtsterrorismus durch?

    Zumindest in der letzten Woche scheint es so, als ob der Staat nun doch etwas tut. Die Razzia gegen die Patriotische Union scheint ein Umdenken zu beweisen. Der aktuelle Antiterroreinsatz ging nicht etwa gegen links und auch nicht gegen Islamisten, sondern gegen deutsche Faschist:innen. Vielleicht hat der Staat es endlich verstanden? Politiker:innen unterschiedlichster Parteien fordern jetzt sogar, teilweise in Berufung auf den Koalitionsvertrag, “Extremisten” schneller aus dem Staatsdienst zu entfernen. Ist das Ende der rechten Netzwerke in Polizei und Bundeswehr gekommen?

    Die Wortwahl ist entscheidend. Wenn Politiker:innen – angefangen bei Nancy Faeser (SPD) über Annalena Baerbock (Die Grünen) bis hin zu Joachim Herrmann (CSU) – Konsequenzen fordern, dann sprechen sie meistens nicht von Faschist:innen sondern allgemein von “Extremisten” oder “Feinden der Verfassung und Demokratie”. Der Koalitionsvertrag erwähnt unter besagten Feinden explizit auch “Linksextremismus”.

    Was heißt “Extremismus”?

    Das sind dehnbare Begriffe. Extremismus ist letztlich alles, was stark vom Status Quo abweicht. Nach dieser Logik ist der Todeslisten schreibende KSK-Soldat und der SS-Uniformen sammelnde Polizist genauso extrem wie die junge Lehrerin, die im Unterricht positiv über die Revolution in Rojava spricht oder der Alt-68er der seinen Schüler:innen ein Misstrauen gegen Autoritäten mitgeben möchte. Auch vom Boden der deutschen Verfassung von 1949, sprich der “Demokratie”, weicht eigentlich schon jeder ab, der die uneingeschränkte Herrschaft der Monopolkonzerne und die Ausbeutung der Arbeiter:innenklasse kritisiert.

    Bestätigen kann das der Lehrer Klaus Lipps, der wegen seiner Mitgliedschaft in der Deutschen Kommunistischen Partei  (DKP) Berufsverbot bekam. Lange Zeit mühten sich Linke ab, Leute wie die AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann aus ihrem Richteramt zu entfernen – die nun der Mitgliedschaft in der Patriotischen Union beschuldigt wird. Zugleich verloren zahlreiche andere linke Staatsbedienstete ihren Job für weitaus weniger. Besonders in den 70er Jahren bekamen zahlreiche Menschen Berufsverbot aufgrund ihrer Mitgliedschaft in oder auch nur Sympathie zu linken und kommunistischen Gruppen.

    Doch warum dann das harte Vorgehen gegen die Patriotische Union (PU)? Verglichen mit Gruppen wie dem rechtsterroristischen Kreuz-Netzwerk war die Truppe verhältnismäßig klein, schlecht bewaffnet und isoliert. Während beispielsweise Mitglieder der Kreuz-Netzwerk-Front-Organisation “Uniter” gute Beziehungen zu faschistischen Diktatoren wie Duterte unterhalten, wurden die Kontaktversuche der PU zu Russland komplett ignoriert.

    Einerseits unterscheiden sie sich von vielen anderen faschistischen Gruppen dadurch, dass sie aktiv und in absehbarer Zeit auf den Umsturz hinarbeiteten. Kein Staat kann so etwas einfach ignorieren. Aber möglicherweise ist es auch wichtig, dass andere rechtsterroristische Gruppen vielleicht nicht auf dem Boden der Verfassung, aber immerhin unter einer gewissen Kontrolle des Verfassungsschutzes stehen.

    Im Umfeld des NSU bewegten sich rund 40 V-Männer, also Spitzel der Geheimdienste und der Polizei. Ganz zu schweigen von “Verfassungsschutz”-Agenten wie Andreas Temme, der von Kollegen “klein Adolf” genannt wird, “Mein Kampf” Ausgaben sammelt und dessen Anwesenheit in der Nähe von sechs der NSU-Tatorten nachgewiesen ist. In Haft ist er selbstverständlich nicht, er arbeitet immer noch für den Staat.

    Auch das Kreuz-Netzwerk wurde von Kontaktpersonen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) aufgebaut. Doch trotz der Parallelen hinsichtlich der Beziehung zu Polizei und Bundeswehr sucht man Geheimdienstleute bei der PU bislang vergebens.

    Es gibt keinen staatlichen Antifaschismus

    Aber egal, welche Motive der Staat jetzt hatte, ist es nicht trotzdem gut, dass die PU zerschlagen wurde? Ja, zweifellos ist es gut, dass die Faschist:innen gestoppt werden konnten, bevor ihre Pläne zu Toten oder Verletzten führten. Doch muss uns auch klar sein dass sowohl die Forderungen nach Präventivhaft für Klimaaktivist:innen als auch die nach “Entfernung von Extremist:innen aus dem Staatsdienst” letztendlich nur darauf abzielen, eine möglichst breite und politisch diverse Masse in der Bevölkerung für die Möglichkeit zu gewinnen, linke politische Opposition stärkerer Repression auszusetzen.

    Historisch betrachtet wurden solche Gesetze immer stärker gegen Kommunist:innen und Arbeiter:innen als gegen Faschist:innen eingesetzt, da sie – im Gegensatz zum Faschismus – eine Bedrohung für den Kern des Staates, den Kapitalismus, darstellen.

    Der Staat ist daher auch beim Antifaschismus kein verlässlicher Partner. Gegen rechten Terror kann uns nur das Organisieren als Klasse und der Aufbau antifaschistischen Selbstschutzes langfristig und zuverlässig schützen.

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    • Perspektive-Autor seit Sommer 2022. Schwerpunkte sind rechter Terror und die Revolution in Rojava. Kommt aus dem Ruhrpott und ließt gerne über die Geschichte der internationalen Arbeiter:innenbewegung.

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