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Freitag, April 26, 2024
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    6 Jahre Haft für Folter und schwersten Missbrauch – Normalität in der bürgerlichen Rechtsprechung

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    In Herne foltert und vergewaltigt ein 37-Jähriger Freier eine Frau über Stunden. Da der Täter geständig ist und zum Zeitpunkt der Tat unter Drogeneinfluss stand, erhält er für seine Tat lediglich eine Haftstrafe von 6 Jahren. Ein Urteilspruch, der sinnbildlich für die bürgerliche Rechtsprechung in Bezug auf Sexualstraftäter steht und ein grundlegendes Problem offenbart. Ein Kommentar von Elena Behnke

    In Herne (NRW) wurde ein 37-Jähriger Freier zu einer 6-jährigen Haftstrafe verurteilt. Der Mann hat eine prostituierte Frau über fünf Stunden lang mit sadistischen Methoden gefoltert und gequält, so dass diese mehrmals das Bewusstsein verlor und Todesangst erlitt. Sie konnte sich nur durch Glück von ihrem Peiniger befreien, sich Hilfe holen und die Tat zur Anzeige bringen.

    Die Anklage lautet: „Schwere Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung und schwerer Raub“. Der Tat, sie sich bereits am 6. Juni 2022 ereignete, folgte nun der Richterspruch. 6 Jahre Haft für Folter und schwersten Missbrauch. Der Täter hat gestanden, stand zum Zeitpunkt der Tat unter Drogeneinfluss und hat vermeintliche „Erinnerungslücken“. Alles Gründe, die in den Augen der bürgerlichen Justiz ein milderes Urteil erlauben. Wie so oft ist die Strafe ein Hohn für die Betroffene, ein Nachtreten auf eine Frau, der Schlimmstes widerfahren ist.

    100 Vergewaltigungen – 1 Verurteilung

    Dass Sexualstraftäter in Deutschland entweder gar nicht oder nur sehr mild bestraft werden ist leider keine Ausnahme, sondern die Regel. Allein im Jahr 2021 wurden 9.903 Vergewaltigungen angezeigt. Allerdings werden nur maximal 15 Prozent aller erlebten Vergewaltigungen überhaupt zur Anzeige gebracht.

    Dass die Dunkelziffer demnach um ein Vielfaches höher ist, erklärt sich von selbst. Von den wenigen 15 Prozent werden im Weiteren nur knapp die Hälfte, in manchen Bundesländern noch deutlich weniger, verurteilt. Um die Zahlen mit den Worten von Kriminologe Christian Pfeiffle zusammenzufassen: „Von 100 Frauen, die vergewaltigt werden, erlebt nur etwa eine einzige eine Verurteilung.“

    Aussage gegen Aussage

    Wenn es dann zu einer Verurteilung kommt, dann sieht es so aus, wie im oben beschriebenen Fall, meistens sogar noch milder. Die Liste an Ursachen für die Nicht-Verurteilung oder milde Bestrafung von Sexualstraftätern ist lang. Auf der einen Seite wird Frauen in einem patriarchalen Gesellschaftssystem intuitiv weniger geglaubt. Frauen wird häufig eine Mitschuld an der Situation zugesprochen, welcher sie ausgesetzt waren.

    Außerdem stehen Betroffene oft unfreiwillig unter dem Einfluss von Aufputsch- oder Betäubungsmitteln, wodurch sie schlichtweg keine lückenlose Aussage über die Tat und den Täter machen können und wodurch ihre Aussagefähigkeit in Frage gestellt wird.

    Dazu kommt noch ein weiteres Problem: Es steht meist Aussage gegen Aussage und in der bürgerlichen Rechtsprechung ist die Betroffene in der Pflicht, die Schuld des Täters zu beweisen. Das führt zu stundenlangen, demütigenden Befragungen und intensiven körperlichen Untersuchungen, bei welchen am Ende doch nur festgestellt werden kann: Die Tat ist nicht eindeutig beweisbar.

    Und es stimmt, diese Taten sind in den meisten Fällen nur schwer eindeutig beweisbar, das liegt in der Sache der Natur und Täter wissen diesen Fakt für sich auszunutzen! Geht es also nach der bürgerlichen Justiz, so bleibt es also auch ein Naturgesetz, dass Sexualstraftäter nicht verurteilt werden können. Außer natürlich sie gestehen die Tat, wie der Freier aus Herne, und erhalten als Belohnung dafür auch noch eine mildere Strafe.

    Beweise, dass du unschuldig bist!

    Die Beweispflicht muss also von dem Kopf auf die Füße gestellt werden. Treffend haben das die Kommunistischen Frauen (KF) in einer letztens erschienenen Erklärung über den Umgang mit patriarchaler Gewalt an Frauen formuliert. Dort heißt es: „Auf der Seite der Betroffenen zu stehen und ihr zu glauben bedeutet (…), dass umgekehrt zur bürgerlichen Rechtsprechung nicht die Frau beweisen muss, was passiert ist, sondern der Mann glaubhaft darlegen muss, dass die Vorwürfe gegen ihn nicht stimmen“.

    Dieser Ansatz ist die konsequenteste Herangehensweise im Umgang mit Gewalt an Frauen. Denn die hohe Zahl an Nicht-Verurteilungen und die milden Strafen, wenn es zu einem Schuldspruch kommt, rufen allen Betroffenen sexualisierter Gewalt immer wieder zu: Dieser Staat schafft keine Gerechtigkeit für dich. Nicht mal dann, wenn dein Peiniger verurteilt wird, denn der Staat steht parteiisch auf der Seite des Täters.

    • Seit 2022 Perspektive-Autorin, Kinderkrankenschwester aus Sachsen, schreibt Artikel und Kommentare über Soziale Kämpfe und Militarisierung. Liest am liebsten politische Romane.

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