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Donnerstag, April 25, 2024
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    Ohio (USA): Zug voller hochgiftiger Chemikalien entgleist und explodiert

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    Am 3. Februar entgleisten und explodierten 50 Waggons eines Güterzuges im Dorf East Palestine im US-Bundesstaat Ohio. Verletzt wurde im Zuge des Unfalls niemand, aufgrund der brennenden Chemikalien sind langfristige Schäden an Natur und Luft jedoch nicht auszuschließen. Verkehrsbehörden und Gewerkschaften haben vor derartigen Katastrophen schon früher gewarnt und zeigen sich besorgt.

    Noch tagelang stiegen dicke Rauchschwaden an der Unfallstelle im Norden der USA in die Luft, nachdem der Güterzug beim Entgleisen Feuer fing. Von den insgesamt 140 Waggons, die ursprünglich in den Nachbarstaat Pennsylvania gefahren werden sollten, enthielten 20 Eisenbahnwagen gefährliche Chemikalien, darunter auch leicht entflammbares und krebserregendes Vinylchlorid.

    Der Zug explodierte bereits zum Zeitpunkt des Unfalls. Um weitere verheerende Explosionen zu vermeiden, setzten Einsatzkräfte die Waggons bewusst in Brand. Dadurch gerieten viele weitere gefährliche Stoffe in die Luft, woraufhin die Bürger:innen innerhalb eines 2 Kilometer großen Radius evakuiert wurden.

    Wären die Waggons nur ein paar Kilometer weiter östlich entgleist, so wären mehrere zehntausend Menschen in Pittsburgh einer immensen Gefahr ausgesetzt gewesen, wie die britische Tageszeitung The Guardian schreibt. Darüberhinaus lebt knapp ein Zehntel der US-amerikanischen Bevölkerung in einem potentiellen Gefahrengebiet für explodierende Züge.

    Allein in der Region um Pittsburgh entgleisten in den vergangenen fünf Jahren acht Züge, landesweit sind es sogar 1.700 jährlich. Im Fall von East Palestine hat vermutlich die defekte Achse eines Waggons zur Entgleisung geführt, durch genauere Kontrollen hätte eine Katastrophe derartigen Ausmaßes jedoch verhindert werden können.

    564 ArbeiterInnen sind letztes Jahr bei Arbeitsunfällen gestorben

    Doch der US-Senat und Schienenverkehr-Lobbys stellen sich immer wieder gegen neue Sicherheitsvorkehrungen, wohl auch, weil die Schienenindustrie jeden Wahlzyklus um die fünf Millionen US-Dollar an Kampagnen der Republikaner spendet. So hatte Ende 2017 das US-Verkehrsministerium unter Donald Trump mithilfe fehlerhafter Berechnungen bereits eine Regel gekippt, die verbesserte Bremssysteme für mit hochentzündlichen Materialien geladene Züge vorsah.

    Seit 2020 darf außerdem Flüssigerdgas (LNG) ohne zusätzliche Regulierungen auf der Schiene transportiert werden. Züge mit über 100 befüllten Waggons sind in den USA seitdem keine Seltenheit mehr. Die Bahngesellschaft Norfolk Southern Railway, der auch der zerstörte Zug in Ohio gehörte, brüstete sich Anfang vorletzten Jahres gar mit ihren rekordverdächtig langen Zügen: Demnach schaffen sie es mit einer verhältnismäßig geringen Belegschaft eine enorme Menge an Gütern zu transportieren und „erledigen so den Job“.

    Das alles geschieht unter großem Protest seitens unabhängiger Sicherheitsbehörden, der Feuerwehr und zahlreicher Gewerkschaften: So beklagten die „Railroad Workers United“ im Zusammenhang mit dem Unfall, dass die Konzerne Jahr für Jahr die Länge und Tragfähigkeit der Züge erhöhten, während Instandhaltung und Sicherheitskontrollen zunehmend eine immer geringere Rolle spielten. Zusätzlich werden die Arbeitsstellen in der Eisenbahnindustrie drastisch gekürzt – so verloren allein im Jahr 2019 20.000 Menschen ihre Arbeitsstelle.

    Während die verbliebenen Arbeiter:innen daraufhin für eine Bezahlung im Krankheitsfall streiken, verzeichnet Norfolk Southern Milliardengewinne. Letztes Jahr betrug das Einkommen dabei zwölf Milliarden US-Dollar, eine Rekordzahl für das Unternehmen.

    Auch zehn Tage nach dem Unfall wird weiterhin über die Ursachen und Folgen spekuliert – so steht mittlerweile im Raum, dass die Besatzung schon weit vor dem eigentlichen Entgleisen vor möglichen Komplikationen gewarnt wurde. Außerdem musste auf einer Pressekonferenz in der lokalen Sporthalle ein Journalist Polizeigewalt erfahren.

    Nachdem er versucht hatte, über das Ereignis zu berichten, wurde er aus der Halle geleitet, wo er erst gewaltsam zu Boden gedrückt und später fünf Stunden im Gefängnis festgehalten wurde. Anwesend war dabei auch der Gouverneur von Ohio, Mike DeWine, als er über den aktuellen Stand des Geschehens unterrichtete. Er musste Fehler im Umgang mit Pressevertreter:innen einräumen. Die Situation in East Palestine ist weiterhin dynamisch und es bleibt abzuwarten, was noch zu Tage tritt.

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