`
Donnerstag, April 25, 2024
More

    Erhöhung des Mindestlohns bereits durch Inflation aufgefressen

    Teilen

    Zum 1. Oktober 2022 stieg der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro. Eine Erhöhung, von der etwa 6,6 Millionen Arbeiter:innen profitierten. Doch ein führender kapitalistischer Ökonom erklärt nun, dass diese bereits durch die Inflation „neutralisiert“ wurde. Derweil hat das Statistikamt die Offiziellen Inflationszahlen immer unbrauchbarer gemacht, um zu verstehen, wie Arbeiter:innen-Familien von den Teuerungen betroffen sind.

    Seit seiner Einführung im Jahr 2015 stieg der Mindestlohn nur im Schneckentempo – von 8,50 auf 9,82€ Anfang 2022. Dann folgten größere Sprünge auf 10,45€ im Juli 2022 und auf 12,00 € zum 1. Oktober 2022. Die Mindestlohnerhöhung war gerade von der SPD im Wahlkampf betont worden. Es sei „Eine Frage des Respekts“ heißt es dazu auf der Website der Bundesregierung.

    Doch die Erhöhung fiel in den Zeitraum der höchsten Inflationsentwicklung seit Bestehen der Bundesrepublik – die allerdingsschon bereits zum Zeitpunkt der Mindeslohnerhöhungen bekannt war. Nun kommt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher zu dem Schluss, dass damit die Mindestlohnerhöhung bereits „neutralisiert“ sei – sprich von der Inflation aufgefressen wurde.

    Die Politik müsse nun über „eine erneute Erhöhung des Mindestlohns nachdenken“, so Fratzscher gegenüber dem Handelsblatt. Der “Sozialverband Deutschland” (SoVD) forderte etwa eine Erhöhung auf 14,13 € zum kommenden Jahreswechsel, nur um die bis dahin weiter steigende Inflation auszugleichen.

    Laut Fratzscher erführen Bezieher:innen von Mindestlohn häufig „eine doppelt bis dreimal höhere Inflation“ als Menschen mit hohen Einkommen. Denn sie müssten einen großen Anteil ihres monatlichen Einkommens für Dinge wie Lebensmittel ausgeben, die besonders von starken Preissteigerungen betroffen seien.

    Neuberechnung der Inflationsrate zu Ungunsten von Arbeiter:innen

    Während also bereits jetzt die Inflation die Menschen sehr ungleichmäßig trifft, hat das Statistische Bundesamt eine ‘Neuberechnung der Basis zur Bestimmung des Verbraucherpreisindex´ vorgenommen. Dies passiert regelmäßig alle fünf Jahre, um den „typischen Warenkorb“, der zur Berechnung der Inflation herangezogen wird, An die Preisentwicklung anzupassen. Während dieser Warenkorb etwa in den 80er Jahren beispielsweise einen Walkman beinhaltete, ist es heute ein Smartphone, das wegen der Kommunikation und Partizipation gekauft wird.

    Doch nun hat das statistische Bundesamt eine weitere Veränderung vorgenommen. So wird zur Inflationserrechnung nicht mehr eine Stichprobenuntersuchung unter Verbraucher:innen durchgeführt, sondern die Inflationsberechnung wird an die „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung“ angepasst.

    Das bedeutet, dass auch die wenigen, aber reicheren Einkommen in der Inflationsberechnung stärker berücksichtigt werden. Dies mache aber zugleich die Zahlen unbrauchbarer, um die Lage eines gemeinen Arbeiter:innen-Haushalts zu verstehen, wie das Hans-Böckler-Institut herausgearbeitet hat.

    Plötzlich ein Prozent weniger Jahresinflation

    Die Neuberechnung führt auch zu einer rückwirkenden Veränderung der Inflationsrate: Für die Inflationsrate im Jahr 2022 hatte das Statistische Bundesamt am 17. Januar 2023 mitgeteilt, dass die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2022 im Vergleich zu 2021 bei 7,9 % lag. “Diese Ergebnisse wurden auf der Basis von 2015 ermittelt. Gerechnet auf der neuen Basis 2020 lag die Inflationsrate im Jahr 2022 bei 6,9 %.“ heißt es dazu in einem „Hintergrundpapier zur Revision des Verbraucherpreisindex für Deutschland 2023“.

    Diese “statistische Veränderung” dürfte jedoch durchaus stärkere Auswirkungen haben: So werden etwa die offiziellen Inflationsraten oftmals in Lohnverhandlungen herangezogen, in denen es eben um die Gehälter der Arbeiter:innen geht, die aber mit der neuen Berechnung schlechter abgebildet werden.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News