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Freitag, März 29, 2024
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    Weniger Grundrechte, mehr Überwachung

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    Viertägige Ingewahrsamnahme, Chat-Überwachung ohne Verdacht, Ausreiseverbot: Der Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz schränkt Grundrechte weiter ein. Besonders betroffen sind unter anderem Fußballfans und politische Aktivist:innen.

    In der vergangenen Woche wurde ein Referentenentwurf für ein neues Bundespolizeigesetz aus dem Innenministerium vorgestellt. Zu den Zielen der Überarbeitung des Gesetzes heißt es darin in verklausuliertem Beamtendeutsch: „Die besonderen Fähigkeiten und die herausragende Stellung der Bundespolizei müssen, an ihren Kernkompetenzen und Bedarfen orientiert, gezielt gestärkt und an die technische Entwicklung sowie an die aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen und Gefahrenlagen angepasst werden. Darüber hinaus soll die Bundespolizei im Bereich der Gefahrenabwehr mit neuen Befugnissen ausgestattet werden, die für ihre Aufgabenerledigung notwendig sind.“ Im Klartext möchte man also die Sonderrechte der Polizei gegenüber der Bevölkerung massiv ausweiten, während „Transparenz“ und „Bürgernähe“ nur am Rande eine Rolle spielen.

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    Was ist die Bundespolizei?

    Die Bundespolizei ist eine polizeiliche Behörde des Bundes, wie sie die meisten Menschen wohl von Bahnhöfen und Flughäfen kennen. Da die Polizeien in Deutschland generell Ländersache sind und man nach dem zweiten Weltkrieg als Lehre aus dem Faschismus den Aufbau eines starken Zentralstaats verhindern wollte, ist diese Institution schon im Grundsatz immer umstritten gewesen.

    2005 ist sie aus dem Bundesgrenzschutz (BGS) hervorgegangen, der 1951 nach jahrelangen Diskussionen gegründet wurde. Während dieser offiziell die deutschen Grenzen „schützen“ sollte, zeigen die Debatten um seine Gründung und seine Geschichte, dass er von Anfang an als polizeiliche Behörde angelegt war.

    So träumte der FDP-Bundestagsabgeordnete Max Becker schon 1950 davon, der BGS könne „die Grundlage einer anständigen Bundespolizei selbst sein“. Der damalige Bundesinnenminister Robert Lehr sprach 1951 von der Schaffung eines „Machtinstruments der Bundesrepublik nach innen“. In der Folge spielte der BGS unter anderem bei der Verfolgung der “Roten Armee Fraktion” (RAF) eine zentrale Rolle.

    Was steht im Gesetzentwurf?

    Der neue Gesetzentwurf knüpft an diese Traditionen an. Dabei gilt jedoch als wahrscheinlich, dass es im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens in Bundestag und Bundesrat noch einige Anpassungen geben wird. Die grundlegende Stoßrichtung dürfte sich jedoch nicht mehr ändern.

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    Diese ist bereits aus anderen Gesetzen der letzten Jahre bekannt. Dazu zählen die neuen Versammlungsgesetze in Nordrhein-Westfalen und Hessen, die neuen Polizeigesetze ab 2018 oder die geplante Verschärfung des „Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes“ (ASOG) in Berlin. Kern des neuen Gesetzentwurfs ist eine Ausweitung der allgemeinen Überwachung der Bevölkerung und Einschränkung ihrer Rechte, aber auch die verstärkte Verfolgung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, zum Beispiel linker Aktivist:innen, Fußballfans und Geflüchteter.

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    Bereits auf der zweiten Seite des Entwurfs heißt es, man wolle eine „Rechtsgrundlage“ schaffen, den Kreis der im Bereich „Extremismus“ „zu überprüfenden Personen“ auszuweiten – und zwar „erheblich“. In einer Behörde, deren erster Inspekteur ein Wehrmacht-General war und die immer wieder in Skandale rund um faschistische Terror-Netzwerke verwickelt ist, dürfte sich diese Verfolgung vor allem nach links richten. Eine Reihe der allgemeinen Maßnahmen dient ebenfalls diesem Zweck.

    Überwachung und Reglementierung der Bewegungsfreiheit

    Auch an Flughäfen und auf Autobahnen ist die Bundespolizei im Einsatz. Für viele Menschen sind diese Orte mit ihrem Recht auf Bewegungsfreiheit verbunden. Der Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz gibt sich Mühe, dieses Recht weiter einzuschränken und seine Ausübung noch weiter zu überwachen.

    So soll sich die Anzahl der durch Luftfahrtunternehmen zu übermittelnden Passagierdaten verdoppeln. Außerdem soll die Bundeswehr künftig Ausreise- und Aufenthaltsverbote sowie Meldeauflagen gegen Fußballfans verhängen dürfen. Um das durchzusetzen, soll man Menschen dann bis zu vier Tage festnehmen und ihrer Freiheit berauben dürfen.

    Weiterhin soll die Bundeswehr heimlich Kennzeichen erfassen und abgleichen können. Auch der Einsatz von Drohnen, die Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen können, wird in Zukunft unter anderem an Bahnhöfen erlaubt sein, wenn es nach dem Gesetzentwurf geht.

    Auch ohne Verdacht: Die Polizei liest und hört mit

    In den letzten Monaten gab es wiederholt Diskussionen um die auf EU-Ebene geplante Chatkontrolle. Auch der Referentenentwurf enthält neue Bestimmungen zur Überwachung von Chats und Telefonaten.

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    Der „Staatstrojaner“ ist dabei zwar nicht Teil der Planungen, dafür aber allerhand anderes: Bei der Überwachung von Telekommunikation möchte man künftig beispielsweise einen Bereich der „präventiven Sicherheit“ für Grenzen, Bahn- und Luftverkehr sowie die Bundespolizei selbst schaffen. Gemeint ist damit, dass auch ohne konkreten Tatverdacht Menschen überwacht werden dürfen.

    Das Portal Netzpolitik.org, das sich mit unseren Grundrechten im digitalen Raum beschäftigt, spricht von „Fast-schon-Verdächtigen“, deren Telekommunikation für drei Monate überwacht werden darf, wobei auch eine Verlängerung möglich sein soll.

    Durch Verkehrsdatenabfragen bei Mobilfunkbetreibern und sogenannte „Stille SMS“ sollen genauere Bewegungsprofile erstellt werden können. Auch „IMSI-Catcher“, also spezielle Hardware zum Ausspähen der “International Mobile Subscriber Identity”, sollen zum Einsatz kommen. Diese können in ihrem Umfeld Mobiltelefone orten und Telefonate mitschneiden.

    Mehr Transparenz und Bürgernähe?!

    Neben diesen zahlreichen Überwachungsmaßnahmen enthält der Entwurf auch Passagen, die Bürgerrechte und Transparenz getreu der Ampel-Selbstinszenierung als „Fortschrittskoalition“ garantieren sollen. Unter anderem soll künftig von der Bundespolizei an das Innenministerium und den Bundestag in einem Zwei-Jahres-Rhythmus berichtet werden.

    Hier wurde außerdem durch die gesellschaftlichen Kämpfe gegen Polizeigewalt nun eine Kennzeichnungspflicht von Beamt:innen der Bundespolizei erkämpft. Wenig Auswirkung für Betroffene rassistischer Polizeikontrollen dürfte die neu geschaffene Möglichkeit haben, sich nach polizeilichen Maßnahmen eine Quittung ausstellen lassen zu können.

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