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Montag, April 29, 2024
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    “Ich bin seit über 80 Tagen im unbefristeten Hungerstreik gegen die Paragraphen 129,129a und 129b”

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    Am Mittwoch beginnt vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht der Prozess gegen die Antifaschist:innen Özgül Emre, Ihsan Cibelik und Serkan Küpeli. Eine solidarische Unterstützerin, Eda Haydaroglu, befindet sich deshalb seit 80 Tagen im Hungerstreik für deren Freilassung. Im Interview mit Perspektive spricht sie über den Prozess, die Solidarität mit Lina E. und die dortige Inhaftierung ihres Begleiters Tim Hilgendorf.

    Bitte stelle dich kurz vor!

    Mein Name ist Eda Haydaroglu. Ich bin im unbefristeten Hungerstreik gegen die Paragraphen 129,129a und 129b. Mittlerweile schon seit über 80 Tagen.

    Du warst auch in Leipzig bei der Demonstration zum “Tag X”. Warum?

    Ich war in Leipzig auf der Tag X-Demo, weil ich zum einen Solidarität mit Lina und dem Antifa-Ost-Verfahren zeigen wollte, zum anderen, weil ich auch als Antifaschistin meine Grundrechte wahrnehmen wollte.

    Der Hungerstreik hat auch viel damit zu tun: Der Paragraph 129 greift all unsere demokratischen Rechte und Freiheiten an. Dieser Paragraph dient als Instrument, um Antifaschist:innen zu kriminalisieren und zu verhaften. Deswegen habe ich das auch als einen Teil meines Widerstands gesehen.

    Wie hast du die Situation in Leipzig im Allgemeinen wahrgenommen? Wie bewertest du das Auftreten der Polizei?

    Wir waren auf einer offiziell angemeldeten Demo unter dem Motto „Auch in Leipzig gilt die Versammlungsfreiheit!“. Tausende von Menschen haben teilgenommen. Ich habe schon gemerkt, dass die Polizei versucht zu verhindern, dass wir laufen, weil es sich sehr in die Länge gezogen hat.

    Das ganze Verbot, das dann spontan entschieden wurde, war ziemlich willkürlich. Die Polizei hat dann einfach angefangen, die Menge anzugreifen und teilweise einzukesseln. Aber das Ganze wurde willkürlich durchgesetzt. Wonach und nach welchen Gesetzen oder mit welcher Begründung – niemand wusste, was Sache ist.

    „Das ist legales Unrecht!“ – Interview mit dem „Komitee – Weg mit den Paragraphen 129 A&B”

    Du befindest dich selbst seit mehreren Wochen in einem Hungerstreik und forderst unter anderem die Freilassung der Antifaschist:innen Özgül Emre, Ishan Cibelik und Serkan Küpeli. Wie beeinflussen die Ereignisse in Leipzig deinen Kampf?

    Diesen Widerstand mache ich wie gesagt, um auf die willkürlichen staatlichen Repressionen gegen Antifaschist:innen aufmerksam zu machen und diese in die Öffentlichkeit zu tragen. In Leipzig war genau das der Fall. Leipzig hat auch mir nochmal gezeigt, wie wichtig und notwendig dieser Kampf ist.

    Der Staat greift uns willkürlich an, sei es auf der Straße oder vor Gericht. Und all diese willkürlichen Angriffe erklären sie dann mit ihren Gesetzen. Sei es der Paragraph 129 oder andere. Sie nutzen es als Deckmantel. Ihre Gesetze sind die Handtücher, mit denen sie ihre blutigen und schuldigen Hände abtrocknen. Genau das ist der Punkt.

    Alle diese Repressionen machen sie “legal”, alles nach ihren Gesetzen – “legal” ist hier aber nicht gerecht! Deswegen möchte ich nochmal alle dazu aufrufen, den Hungerstreik zu unterstützen, weil dieser Widerstand für uns alle durchgeführt wird.

    Wir wollten auch in Leipzig auf unseren Hungerstreik aufmerksam machen und wollten alle zum Prozessbeginn am 14. Juni einladen. Bei der Eskalation war das nicht so möglich. Wir haben es zum Teil mit spontanen Redebeiträgen gemacht.

    Düsseldorf: Prozess-Auftakt gegen türkische Antifaschist:innen

    Auch wir waren mit unserem Banner dort über 9 Stunden mit Hunderten von Menschen – teilweise Minderjährigen – eingekesselt. Wir konnten nicht auf Toilette gehen, Wasser wurde uns erst nach Stunden gegeben, was natürlich schwierig ist, wenn man im Hungerstreik ist seit über 70 Tagen.

    Und obwohl die Polizei wusste, dass wir schon über mehrere Wochen im Hungerstreik sind, haben sie uns angegriffen. Sie haben mich bewusst geschlagen. Nach diesen Angriffen war ich die ersten Tage natürlich kaputt, aber ich werde weiterhin allen von diesen willkürlichen Angriffen gegen Antifaschist:innen erzählen und dazu aufrufen, sich zu organisieren.

    Noch immer sind Genoss:innen aus dem Leipziger Kessel in Haft, unter anderem der Antifaschist Tim Hilgendorf, der auch dich auf der Demonstration begleitet hat. Stehst du mit ihm in Kontakt und kannst Du etwas über die Situation der Gefangenen berichten?

    Tim Hilgendorf ist einer meiner Begleitpersonen während dem Hungerstreik gewesen. Er ist seit Anfang an mit dabei und achtet darauf, dass ich genug trinke, Zucker und Salz zu mir nehme etc.. Wir sind gemeinsam von Berlin nach Leipzig gefahren. Er war dort als Antifaschist, um sich mit Lina zu solidarisieren und seine Grundrechte wahrzunehmen.

    Er ist jetzt auch einer der 10 Antifaschisten, die sich in U-Haft befinden. Allen wird schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Direkten Kontakt habe ich nur zu Tim. Er befindet sich in der JVA Leipzig in der Leinestraße. Aber wir sind natürlich solidarisch mit allen Gefangenen. Wir sagen; Widerstand ist kein Verbrechen und Antifaschist zu sein, ist kein Verbrechen, sondern einen Pflicht.

    Wie können Tim und die anderen Gefangenen derzeit unterstützt werden? Und wie kann dein Kampf unterstützt werden?

    Ich möchte zum Einen darauf aufmerksam machen, dass wenn Tim sich heute nicht in U-Haft befinden würde, dann würde er am 14. Juni in Düsseldorf zum Prozessauftakt kommen.

    Dieser 129b-Prozess ist der vorläufige Höhepunkt der Angriffe auf unsere demokratischen Rechte und Freiheiten. Deswegen ist es für uns alle sehr wichtig, dort zahlreich zu erscheinen. Auch um den “Terror”-Demagogien der Medien entgegenwirken zu können. Wir müssen dort sein – für Tim und für alle Antifaschist:innen.

    Für die Gefangenen aus Leipzig fängt jetzt demnächst eine Kampagne an. Wir rufen alle dazu auf, diese Kampagne zu unterstützen und den Gefangenen Briefe zu schreiben. Nehmt an den Kundgebungen und Demos teil! Konkret um den Hungerstreik zu unterstützen , kann man gerne mit uns in Kontakt gehen. Dass Medienvertreter:innen von dem Widerstand berichten, ist sehr wichtig.

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