Die Adidas AG-Aktionärsversammlung hat trotz großer Verluste einmal mehr Gewinnausschüttungen beschlossen. Gleichzeitig verletzt das Unternehmen Rechte von Arbeiter:innen und setzt das Lieferkettengesetz nicht konsequent um.
Am Mittwoch, den 15. Mai hat die Aktionärsversammlung des deutschen Unternehmens Adidas beschlossen, dass 0,70 Euro pro Aktie als Dividende an seine Aktionär:innen ausgezahlt werden sollen. Dabei hatte Adidas in dem entscheidenden Geschäftsjahr gar keinen Gewinn gemacht – das erste Mal seit 30 Jahren. Die Dividenden sollen deshalb aus den Rücklagen in Höhe von 125 Mio. Euro gezahlt werden.
Diese Rücklagen setzt Adidas damit weder für die Absicherung von Löhnen in Krisenzeiten des Unternehmens noch für präventive Maßnahmen im Sinne des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ein. Wegen dieser beiden Punkte wurde Adidas in der Vergangenheit immer wieder scharf kritisiert. Die Entscheidung fällt dementsprechend ganz bewusst zugunsten Teilhaber:innen und damit gegen die Arbeiter:innen aus.
Kein Gewinn – keine Dividende?
Die Ausschüttung einer Gewinnbeteiligung wegen Besitzes eines Unternehmensanteils in Form einer Aktie wird nach dem Geschäftsjahr von der Hauptversammlung beschlossen. An dieser nehmen alle Aktionär:innen teil, die Beschäftigten hingegen in der Regel nicht. Die Vorgehensweise der Aktionär:innen ist – auch gemessen an einem Finanzmarkt bezogenen Vergleich – unüblich.
Zentral muss dieser Umgang in der Hauptversammlung besonders begründet werden, denn dass aus den Rücklagen entnommene Geld fehlt dem Unternehmen nun an anderer Stelle. Im Vergleich zu den diesjährigen 0,70 Euro ließen sich die Aktionär:innen im Jahr 2021 und 2020 für das je vergangene Geschäftsjahr 3,00 Euro pro Aktie auszahlen.
Lohndiebstahl an Arbeiter:innen aus Kambodscha
Es ist kein Geheimnis, dass Adidas seine Klamotten nicht in Deutschland herstellen lässt, sondern in Ländern, in denen die Löhne weitaus geringer sind und regelmäßig ein schlechterer Standard an sozialer Absicherung herrscht. Ein solches Land ist z.B. Kambodscha: Hier entließ Adidas inmitten der Corona-Pandemie vor vier Jahren etwa 500 Arbeiter:innen.
Nach den dortigen Gesetzen hätte den Arbeiter:innen eine Abfindung von ca. 2.000 US-Dollar pro Person – insgesamt also etwa eine Summe von 1 Million US-Dollar – zugestanden. Bis heute weigert sich Adidas jedoch, diese zu zahlen. Ohne finanzielles Sicherheitsnetz waren die Arbeiter:innen damals nicht mehr in der Lage, ihre Familien zu ernähren und mussten persönliche Gegenstände pfänden. Die Gleichgültigkeit des deutschen Textil-Riesen gegenüber dieser Tatsache steht im krassen Kontrast zu der diesjährigen Ausschüttung von Dividenden, für die sogar Rücklagen angegraben werden.
Kein Geld für die Erfüllung wichtiger Sorgfaltspflichten
Nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz müssen Unternehmen seit letztem Jahr dafür Sorge tragen, dass in den Lieferketten ihrer Produkte keine Menschenrechte verletzt werden. Noch Anfang des Jahres versuchte die FDP, sich gegen eine Verschärfung der laschen nationalen Regelungen auf EU-Ebene zu wehren. Diese Gegenwehr scheiterte jedoch letztendlich.
Adidas erfüllt diese Bestimmungen nicht. Mit Blick darauf, dass auch in Zukunft Überschwemmungen und Hitzewellen zu weiteren Fabrikschließungen führen können, fehlt jedwede Vorsorge seitens Adidas, dass den dortigen Arbeiter:innen nicht dasselbe Schicksal wie denjenigen in Kambodscha droht. Schon 2022 stand Adidas in der Kritik, Baumwolle aus Xinjiang – unter Zwangsarbeit hergestellt – zu importieren.
Trotzdem weigert sich der Konzern weiter, das verbindliche (Privat-)Abkommen „Pay Your Workers – Respect Labour Rights (PYW-RLR)” zu unterzeichnen. Nach diesem wäre eine Risikoanalyse der Lieferketten notwendig, um danach weitere präventive Maßnahmen zu treffen, für die jedoch kein Interesse und damit kein Geld seitens Adidas vorhanden zu sein scheint.
Zusammenfasst: Das deutsche Unternehmen weigert sich – sowohl in konkreten Fällen des Verstoßes gegen Arbeiter:innenrechte als auch abstrakt durch systemisch-vorbeugende Lösungen –, gegen Ausbeutung innerhalb der eigenen Lieferketten vorzugehen. Die neuerliche Dividendenausschüttung zeigt: Geld ist da – nur eben nicht dort, wo es wirklich gebraucht wird.