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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Interview mit dem KJB zum Schüler:innenstreik gegen die Angriffe auf Rafah

Am 22.05.2024 hatten der „Kommunistische Jugendbund” und „Migrantifa Berlin” in der Hauptstadt zu einem „Schulstreik für Palästina“ am Ernst-Abbe-Gymnasium aufgerufen. Nach dem durchgeführten Schulstreik haben wir von Perspektive Online mit den Organisator:innen gesprochen.

Am Vormittag des 22. Mai fand in Berlin eine Demonstration in Solidarität mit dem palästinensischen Volk anlässlich der Angriffe auf Rafah statt. Mit der Besonderheit, dass dieses Mal die Organisationen Migrantifa und Kommunistischer Jugendbund (KJB) zu einem Schulstreik aufriefen.

Etwa 100 Schüler:innen und Unterstützer:innen nahmen sich die Straße und forderten, dass der deutsche Staat die Waffenlieferungen an Israel einstelle und die rassistische Hetze gegenüber Palästinenser:innen ein Ende finde.

Startpunkt der Demonstration war das Ende letzten Jahres deutschlandweit bekannt gewordene Ernst-Abbe-Gymnasium in Berlin-Neukölln. An dieser Schule hatte kurz nach dem 7. Oktober 2023 ein Lehrer einem Schüler ins Gesicht geschlagen, weil dieser eine Palästina-Flagge trug.

Berlin-Neukölln: Schulstreik gegen die Angriffe des Berliner Senats

Repression durch die Polizei – Unterstützung durch die Anwohner:innen

Nach einer kurzen Anfangskundgebung zogen die Schüler:innen letzten Mittwoch begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot los. Wie in der Vergangenheit kam es während der Demonstration zu mehreren Festnahmen aus teils fadenscheinigen Gründen. Auf diese reagierten die Schüler:innen spontan mit Sprüchen wie: „Wir sind friedlich, was seid ihr?“ oder „Wo, wo, wo wart ihr in Hanau?“ und warteten solidarisch, bis die Gefangenen wieder freikamen.

Die friedliche Demonstration stieß auf durchweg positive Reaktionen von Passant:innen und Anwohner:innen, die teils Palästina-Fahnen aus ihren Fenstern hielten und in die Parolen einstimmten. In verschiedenen Reden wurde ein Ende des Genozids im Gazastreifen und der Besetzung palästinensischer Gebiete gefordert. Zugleich wurde zu einem friedlichen Zusammenleben aller Menschen in der Region, unabhängig von Religion und Hautfarbe, aufgerufen.

Das Interview mit den Organisator:innen vom Kommunistischen Jugendbund

Die Solidaritätsbewegung mit Palästina ist weltweit gerade aktiv dabei, ihre Aktionsformen zu steigern und immer mehr Menschen teilweise militant auf die Straßen zu bringen. Wie ordnet ihr eure Aktion in diesen Gesamtkontext ein?

In Deutschland herrscht ein krasser Anpassungsdruck bei der Meinung zur vermeintlichen „Selbstverteidigung Israels”, die wir eigentlich – um es korrekt und wahr zu sagen – als Genozid bezeichnen müssen. Dieser Druck kommt sehr hart moralisch daher, noch bevor er durch Richter:innen und handfeste Polizeigewalt durchgepresst wird.

Deswegen sind die Kampfbedingungen in Deutschland in dieser Frage besonders hart. Das heißt: Was eigentlich als das Gerechteste der Welt erscheint, also sich im Moment des Massenmords auf die Seite der Unterdrückten zu stellen, ist mit unglaublich viel Angst verbunden.

Trotzdem sehen wir in der Jugend eine sehr weit verbreitete Selbstverständlichkeit, jetzt erst recht laut zu werden und mit unseren Geschwistern in Palästina zusammenzustehen. Unsere Jugend ist damit so viel stabiler als die älteren Generationen der deutschen Linken oder diejenigen, die sich selbst als Linke bezeichnen. Die Entwicklung der Proteste in anderen Ländern nimmt man in der Jugend hier beeindruckt zur Kenntnis, und wir denken, dass es für viele auch eine Inspiration und Bestärkung ist.

Schulstreiks sind seit dem Aufkommen von Fridays for Future wieder ein Thema in Deutschland. Warum habt ihr euch konkret für dieses Kampfmittel entschieden? Gibt es eine Verbindung der Kämpfe in den Schulen mit denen an den Universitäten?

Zum Genozid in Gaza gab es viele Demos. Die Beteiligung der Jugend daran war immer auch hoch. Diese Demos wurden vor allem in Berlin sehr hart angegriffen, und viele sind trotzdem drangeblieben. Leider war der Effekt trotz allem noch eher gering.

In dem Moment, in dem die Offensive in Rafah gestartet wurde, dachten wir: Wenn der Genozid so zugespitzt wird, müssen wir in unseren Protestformen auch weiter eskalieren. Sehr bald steht in Gaza keine einzige Schule mehr; warum sollen wir weiter in unsere Schulen gehen? Um uns dort erzählen zu lassen, dass das alles eine Lehre aus der deutschen Geschichte sein soll?

Eine so falsche Lehre, gegen die man aber nichts sagen darf, ohne von Lehrern physisch angegriffen zu werden, wie es am Ernst-Abbe-Gymnasium – dem Startpunkt unserer Demo – ja wirklich im Oktober letzten Jahres passiert ist? Diese ganze moralische Heuchelei haben wir und so viele Jugendliche satt.

Es war ein schöner Zufall, dass am gleichen Tag zeitgleich die Besetzung des Instituts für Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität durchgezogen wurde. In der Zukunft müssen wir mit dem Protest an Schulen, Unis und Berufsschulen noch enger zusammenarbeiten. Die Jugend eint es, dass wir dem von Deutschland unterstützten Genozid nicht still zusehen wollen – die einzige Antwort darauf kann eine schlagkräftige Aktionseinheit sein!

In Ländern wie Griechenland oder den USA wurden bereits Waffenlieferungen an Israel von streikenden Arbeiter:innen blockiert. Wie seht ihr die Perspektiven für eine Ausweitung der Kampfformen in Deutschland?

Die Genoss:innen machen uns da auf jeden Fall Großes vor, an dem man sich ein Beispiel nehmen kann. Für solche Aktionen braucht es eine feste Verankerung in den entscheidenden Bereichen der Klasse und dazu Aktivist:innen, die bereit sind, einen Schritt weiter zu gehen. Wir hoffen, dass sich auch in Deutschland die Bewegung diesem Level annähert, und wir wollen dazu auch weiterhin unseren bescheidenen Anteil leisten.

Wie schätzt ihr eure Aktion im Nachhinein ein und was folgt daraus?

Wir hatten keinen Plan, wie viele Leute wohl zu unserem sehr kurzfristig angesetzten und mobilisierten Streik kommen würden. Dass mehrere hundert Leute und diverse Organisationen auf der Straße laut zusammenstanden und inhaltliche Beiträge geleistet haben, hat uns dann aber doch positiv gestimmt. Auch schön war, dass wir sofort die Migrantifa Berlin und Young Struggle als Mitstreiter gewinnen konnten.

Natürlich hätten wir gern noch mehr, am liebsten Tausende, auf die Straße gebracht. Das zeigt, dass es das eine ist, im Internet, mit Plakaten und mit Flyern vor Schulen zu mobilisieren. Das andere ist, uns als Kommunist:innen und Palästina-Solidarische wirklich eine feste Verankerung und Basis in den Ausbildungsstätten zu erarbeiten. Da müssen wir noch viel mehr ran.

Sehr schön war aber eine spontane Rede eines Lehrers, der uns seine Solidarität ausgesprochen hat und mehr solcher Aktionen und auch endlich eine Unterstützung der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) für die Palästina-solidarischen Aktionen gefordert hat. Das zeigt uns: Die Lehrer:innen, die uns eigentlich auf Staatskurs bringen sollen, sind nicht einfach alle unsere Feinde. Wir sollten stattdessen vielmehr auch das Bündnis mit denen suchen, mit denen wir einen gemeinsamen Kampf aufnehmen können. Die Stichworte für die Zukunft sind also: Diskutieren, vernetzen, organisieren.

Wie hat der deutsche Staat bzw. wie haben auch die Autoritäten an den Schulen auf eure Aktion reagiert? Und wie seid ihr damit umgegangen?

Es ging schon mit dem Bullenaufgebot auf der Auftaktkundgebung los: Selbst die Vertreter:innen der bürgerlichen Presse vor Ort waren fassungslos über die Menge an Mannschaftswagen, mit denen man uns eingekreist hat, und die Deutsche Presseagentur (dpa) hat ironischerweise die massive Polizeipräsenz in der Überschrift ihrer Meldung hervorgehoben.

Wahrscheinlich wollte man uns damit eigentlich als gefährlich kennzeichnen, aber hat stattdessen gezeigt, wie absurd das polizeiliche Aufgebot bei jeder noch so jungen Demonstration für Palästina ist. Sobald wir uns aufgestellt hatten, gab es schon die ersten Identitätsfeststellungen und später mehrfach Festnahmen und Übergriffe.

Wir haben es so damit gehalten, die Maßnahmen genau zu beobachten, nicht weiterzulaufen, bis die Genoss:innen wieder freikommen oder auf die Verschleppten selbstverständlich vor den Türen der Gefangenensammelstelle zu warten. Außerdem gibt es unter unserem gemeinsamen organisatorischen Dach im Stadtteilkomitee Neukölln immer wieder die Möglichkeit, sich kostenlos rechtliche Beratung zu Repression auf Palästina-Demos einzuholen. Was für uns immer klar ist: Ihre Repressionen bekommen uns nicht klein – der Kampf geht gemeinsam weiter!

„Unser Engagement ist nicht gern gesehen“ – Interview mit der Schüler:innenzeitung Zündstoff

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