Das gemeinnützige Zentrum für Autismus-Kompetenz Südbaden (ZAKS) ist insolvent und soll geschlossen werden. Diese Nachricht trifft bei Mitarbeiter:innen und Betroffenen auf Entsetzen. Eine letzte Chance bleibt aber noch.
Das Zentrum für Autismus-Kompetenz Südbaden bietet in insgesamt fünf Ambulanzen in Freiburg, Bad Säckingen, Offenburg und Lahr Untersützung für Menschen im Autismus-Spektrum. Hierbei werden auf der einen Seite durch niedrigschwellige Angebote Hilfen in den Familien angeboten. Auf der anderen Seite soll durch Formen des unterstützten Wohnens autistischen Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden.
Petition gegen Schließung
Jetzt soll das ZAKS nach angemeldeter Insolvenz geschlossen werden. Verhandlungen zwischen Insolvenzverwalter und der staatlichen Verwaltung sind gescheitert und die Schließung scheint beschlossene Sache zu sein. Allerdings regt sich Widerstand dagegen.
Als Reaktion auf die drohende Schließung des Zentrums hat Jennifer Sühr gemeinsam mit ihrem Mann eine Petition ins Leben gerufen. Die Petition hat fast 10.000 Unterschriften insgesamt und rund 6.500 Unterschriften im Regierungsbezirk Freiburg gesammelt. Die Kommentare von Angehörigen, Betroffenen und Fachleuten wie Ärzt:innen zeigen deutlich, wie wichtig den Menschen vor Ort die Unterstützung des ZAKS ist.
Unzählige Menschen sprechen von der Unersetzbarkeit des Zentrums. „Wir haben 2 Mädels die das ATZ besuchen. Sie haben einen Platz gefunden wo sie verstanden werden“. „Das Autismus Zentrum ist für so so so viele Kinder und Jugendliche ein Ort der Hoffnung, Begegnung und Zuversicht“. Eine Ärztin erklärt, dass dort „die Qualität einer fachkompetenten und pädagogischen Arbeit gewährleistet [wird] durch pädagogisch qualifizierte Mitarbeiter:innen“. Zudem würde die „Langzeitperspektive […] einen weitaus höheren Preis kosten“, da es durch die Arbeit des ZAKS eine „langfristige Ersparnis von Kosten im Gesundheitswesen [und] Verhinderung von Klinikaufenthalten“ gebe.
Mehrbelastung für Familien
Gegenüber Perspektive Online erklärte Sühr, dass es ihr vor allem um die Familien der Betroffenen geht. Diese können den Wegfall der Angebote des ZAKS nicht auffangen. Dies sei schon in der Corona-Pandemie zu sehen gewesen, als die Schulbegleitung aufgrund der Schulschließungen wegfielen und die Familien dies schultern mussten.
Aus den Kommentaren zur Petition wird dabei deutlich, dass die Schließung vor allem Frauen treffen würde. Die überwiegende Mehrzahl der Kommentierenden sind Frauen, die auf sich alleine gestellt wären, wenn ihre Kinder keine Unterstützung des Zentrums mehr erhalten würden. Der Wegfall der Arbeit des ZAKS verschiebt die gesellschaftliche Aufgabe der Inklusion in den privaten Bereich und somit vor allem auf die Schultern von Frauen.
Drohendes Lohndumping
Der Grund für das Aus der Verhandlungen um die Rettung des ZAKS war die Uneinigkeit über die notwendigen Kosten zur Entlohnung der Mitarbeiter:innen. Die Stadt Freiburg bot einen Stundensatz von 90 Euro pro Kind. Dahingegen wurde von Seiten des Zentrums klar gemacht, dass sie 110 bis 120 Euro pro Stunde benötigten. Auf diese Forderung ließ sich die Verwaltung nicht ein.
Argumentiert wurde damit, dass andere Hilfestellen mit 90 Euro auskommen würden. Frau Sühr bezweifelt, dass andere Träger damit eine Bezahlung auf dem Niveau des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) gewährleisten können. In diesem Falle wäre Lohndumping im sozialen Bereich Tür und Tor geöffnet.
Eine Kommentarschreiberin zur Petition formuliert passend: „Es ist erschütternd, dass 450 Kinder und ihre Familien wegen einer Einsparung von nur etwa 30 Euro pro Woche & Kind einen unverzichtbaren Anlaufpunkt verlieren werden. Das Zentrum für Autismus-Kompetenz (ZAKS) ist für diese Familien essenziell und über 90 engagierte Angestellte stehen kurzfristig vor dem Verlust ihrer geliebten Arbeitsplätze und ihrer Existenz!“.
Kein Geld für Soziales?
Hilfestellen wie das ZAKS sind wichtig für die Inklusion von behinderten Menschen. Die von der BRD unterschriebene UN-Behindertenrechtskonvention sichert in Artikel 19 „den Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft“ beitragen. Ist ein finanzieller Aufwand nötig, scheinen die staatlichen Institutionen jedoch nicht daran interessiert zu sein, die Rechte von behinderten Menschen abzusichern.
Ob die Petition zur Verhinderung der Schließung führen kann, bleibt offen. Jennifer Sühr ist es trotzdem wichtig, den Betroffenen eine Stimme zu geben. Auf die Tagesordnung soll auch die grundsätzliche Frage, wer – wenn nicht der Staat – Stellen mit gesellschaftlicher Bedeutung in Notlagen auffangen soll, gesetzt werden.
Die drohende Schließung reiht sich in eine Reihe von Einsparungen im sozialen Bereich, die den Wegfall von unterschiedlichen Angeboten im Kinder- und Jugendbereich zur Folge hatten. In Berlin-Lichtenberg wurde der Jugendclub Linse mit der Begründung geschlossen, dass die Jugendarbeit ein Minusgeschäft sei. Der Widerstand dagegen hält jedoch an und die Nachbarschaft kämpft weiter für den Erhalt.