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Pashanims „2000“ – Was hat uns der Deutschrap heute zu sagen?

Der Berliner Rapper Pashanim veröffentlichte kürzlich sein lang erwartetes Debütalbum „2000“. Bekannt geworden durch Hits wie „Shababs botten“ oder „Airwaves“ (2020) mischt sich migrantische Jugendkultur mit Kritik am deutschen Staat und dem Wunsch, ganz oben zu stehen. Über die Entwicklung des Deutschrap von „2000“ bis heute. – Ein Kommentar von Marius Fiori.

Pashanim ist Mitte zwanzig und kommt aus Berlin-Kreuzberg; zentrales Merkmal der Identität des selbstbetitelten „Cano Costello“ (Alias von Pashanim) ist das Erzählen von Geschichten. Diese handeln vom täglichen Kampf gegen Polizei und Obrigkeit in Kreuzberg, Urlauben in Italien nach Dolce Vita und einer ordentlichen Portion Luxus-Designer und Automarken.

Augenscheinlich hat sich also nicht viel getan im Deutschrap: In Berlin-Kreuzberg wird weiterhin gerappt und ein Porsche bleibt weiterhin ein erstrebenswertes materialistisches Ziel.

Zum „State of the art“ des deutschen Rap

Ein Charakteristikum im Deutschrap ist die gesteigerte Benutzung bereits existierender Sounds und Melodien („Sampling“) für die Beats im Hintergrund. Oftmals versuchen Künster:innen auf diesem Weg, den Wiedererkennungswert der eigenen Lieder zu steigern, was in höheren Chartplatzierungen, bekannteren TikTok-Sounds und somit schlichtweg stärkeren monetären Einnahmen mündet. Hinzu kommt der nostalgische Wert alter Melodien, die dann neu interpretiert werden. Auch Pashanim macht auf seinem neuen Album davon Gebrauch, so ist etwa der Beat von „Mittelmeer“ ein Sample von Bushidos Klassiker „Sonnenbank Flavour“ (2006).

Zwei Lieder auf „2000“ widmet Pashanim der künstlerisch-emotionalen Verarbeitung seiner Beziehungen. Während „Mittelmeer“ eher eine nostalgische Flucht aus dem Alltag behandelt, geht es in „Nokia 3310“ um den Widerspruch zwischen seiner Arbeit und der Einbeziehung seiner Partnerin. Hier fällt Pashanim in die altbekannte Selbstinszenierung des Rappers zurück, dessen zwielichtige Geschäfte die Partnerin nichts anzugehen haben. Auch wenn das Album also nicht gänzlich ohne patriarchale Narrative auskommt, ist doch festzustellen, dass im heutigen Deutschrap sexistisches Vokabular kein zwingendes Stilelement mehr ist. Eine positive Entwicklung.

Migrantische Themen in den Vordergrund

Pashanim macht auf seinem neuen Album auch mehr Platz für politische Themen; mithilfe des autobiografischen Songs „2000″ arbeitet er seine Lebensgeschichte auf. Angefangen bei einer Anspielung auf die menschenunwürdigen, ausbeuterischen Verhältnisse, die migrantische Arbeitskräfte (hier speziell seine Großeltern) in Nachkriegsdeutschland erlebten: „Es war herkomm’n, arbeiten und sterben in ein’ fremden Land“ (2000). Auf ähnliche Weise verarbeiten auch der Berliner Rapper Apsilon und viele weitere den Rassismus gegenüber Migrant:innen in Deutschland – zunehmend auch mit emotionalen Parts.

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Erfahrungen mit Alltagsrassismus werden auch hier verarbeitet: „Wenn wir kam’n, war’n wir uneingeladen, weil sie wollten Jungs wie uns nicht auf den Homepartys haben.“ Hinzu kommen noch Solidaritätsbekundungen mit den unterdrückten Völkern Kurdistans und Palästinas auf dem Track „Jede Saison“.

Es steckt manchmal viel mehr dahinter als man denkt

Auch das bereits erwähnte Sehnsuchtsobjekt eines Sportwagens (oder anderer Luxusgüter) hat seine politische Relevanz im Deutschrap, vor allem im migrantischen Kontext, denn es handelt sich oft nicht nur um ein einfaches Statussymbol. Wie die deutsch-kurdische Rapperin Ebow sehr treffend in ihrem Lied „Prada Bag“ (2022) rappt:

„Aber wenn du in einer Gesellschaft aufwächst, die dich immer als Mensch zweiter Klasse sieht, immer von oben herab, dann ist deine einzige Möglichkeit, auf gleicher Augenhöhe zu stehen, ihnen zu imponier’n. (…) Und du eignest dir das an, was sie gerne hätten. Du trägst die Marken, die sie gerne hätten, du fährst den Wagen, den sie gerne hätten. Das ist der einzige Moment, wo du ihre Aufmerksamkeit bekommst. Wenn du dir etwas nimmst, wovon sie denken, dass es dir nicht zusteht.“

Damit wird das rassistische Narrativ junger migrantischer Menschen in teuren Sportwagen umgedreht und zeigt die eigentliche Problematik dahinter auf.

Welche Aspekte machen Pashanims Album „2000″ also repräsentativ für derzeitige Entwicklungen im Deutschrap? Das Zusammenspiel aus Sound (Texten und Beats) sowie dem künstlerischen Individuum ist bemerkenswert gut abgestimmt; so findet neben „Hannah Montana“ und den „Drei ???“ auch das Bushido-Sample seinen Platz – quasi die Dreieinigkeit der frühen 2000er. Politisch ist noch viel Luft nach oben, doch eine gewisse Entwicklung ist deutlich zu erkennen. Gepaart mit dem Altbekannten öffnen Pashanim und Co. Millionen Menschen in Deutschland die Ohren für junge, migrantische und proletarische Lebensrealitäten.

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