`

Zeitung für Solidarität und Widerstand

Streiks in Hollywood: KI kann die Menschen nicht ersetzen

Am 26. Juli traten massenhaft Schauspieler:innen und Synchronsprecher:innen in einen Streik gegen den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Denn statt den technischen Fortschritt der KI für kürzere Arbeitszeiten zu nutzen, steigt nur die Ausbeutung der Angestellten. – Ein Kommentar von Finn Wittmann.

Seit einiger Zeit lässt sich eine starke Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz und Programmen wie ChatGPT feststellen. Sie sind dazu in der Lage, immer komplexere Aufgaben zu erfüllen und helfen bereits vielen Menschen ihren Alltag zu bewältigen. Nach und nach dringt die KI nun auch in den beruflichen Alltag ein, wo sie mit der Hoffnung eingesetzt wird, höhere Gewinne zu erzielen. Einer dieser Bereiche ist eben auch die Film- und Videospielbranche, in der nun immer weiter versucht wird, den Einsatz von Schauspieler:innen z.B. für Motion Capture, Synchronisationen oder auch von Autor:innen zurückzufahren.

Bereits im Oktober 2022 starteten die Vertragsverhandlungen der Mitglieder der Schauspieler:innengewerkschaft „SAG-AFTRA”. Im Rahmen dieser Verhandlungen erklärte die Gewerkschaftspräsidentin Fran Drescher, dass sie „keinem Vertrag zustimmen werden, der es Unternehmen erlaubt, KI zum Nachteil unserer Mitglieder zu missbrauchen“. Sie zeigte auf, dass die Vertragsverhandlungen nicht daran scheiterten, dass die Schauspieler:innen sich nicht einigen könnten, sondern dass die Videospielfirmen keine ernsthaften Angebote machten, mit denen die Schauspieler:innen leben könnten.

Die aktuellen Streiks erinnern sehr stark an die Autor:innenstreiks des vergangenen Jahres in den USA, in denen Autor:innen für große Filmstudios von Mai bis Oktober ihre Arbeit niederlegten. Grund war vor allem das Sinken der Löhne, seitdem ein Großteil der Filme und Serien auf Streaming-Diensten angeboten wird. Schauspieler:innen und Drehbuchautor:innen streikten das erste Mal seit Jahrzehnten gemeinsam und konnten damit einen Großteil des Hollywood-Geschäfts lahmlegen.

Gemeinsamer Streik: Schauspieler:innen und Drehbuchautor:innen legen Hollywood lahm

KI nur bei Alltagsfragen so kreativ wie Menschen

Wie sehr es schadet, wenn Menschen aus kreativen Arbeitsprozessen herausgenommen werden, zeigt sich bei verschiedenen Aufgaben unterschiedlich stark. In der Kreativitätsforschung wird zwischen „Little-C“ – der alltäglichen Kreativität, die jeder Mensch im täglichen Leben braucht und zeigt – und „Big-C“ – kreativen Leistungen, die bedeutende kulturelle oder wissenschaftliche Veränderungen bewirken – unterschieden. Eine Studie der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Essex verglich die Kreativität von KI und Menschen und fand kaum Unterschiede in der Alltagskreativität. Doch im Bereich der Big-C kommt die KI nicht an die Komplexität des menschlichen Gehirns heran.

„Das, was die Programme heutzutage produzieren können, wird von den meisten Menschen wohl durchaus als kreativ angesehen. Was sie allerdings nicht können, ist völlig abstraktes Neuland zu betreten, denn dafür ist die Architektur der Programme nicht geeignet“, erklärt Antonio Krüger, Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz. Zudem bräuchten KI-Programme immer einen äußeren Anreiz durch Menschen, um „kreativ” zu werden.

Die Film- und Videospielstudios können sich daher nicht einfach damit zufrieden geben, dass kein:e Schauspieler:in oder Autor:in mehr für sie arbeitet, sondern müssen bei längerer Streikdauer nach und nach auf die Forderungen eingehen. Denn die Kreativität von Drehbuchautor:innen oder die Authentizität der Schauspieler:innen sind bisher und auch in absehbarer Zukunft nicht ersetzbar.

Maschinen schaffen keinen neuen Wert

Ein weiterer sehr bedeutender Faktor, der zwar dazu führt, dass der Anteil von menschlicher Arbeit minimiert wird, aber niemals komplett verschwinden kann, ist, dass nur die menschliche Arbeitskraft einen neuen Wert schaffen kann. In jedem Bereich der Produktion, auch in der Videospiel- und Filmproduktion, geht der Wert der Maschinen – oder in diesem Fall auch der KI – nach und nach in das Endprodukt über, während es selbst verschleißt oder durch menschliche Arbeit in Stand gehalten werden muss.

Am Beispiel der Filmproduktion bedeutet das, dass die gekauften Kameras oder auch die KI-Programme nicht einfach von selbst arbeiten und Profite erzielen, sondern nur durch die menschliche Arbeitskraft, die z.B. ein Drehbuch schreibt, als Schauspieler:in vor der Kamera steht, Mikrofon und Kamera bedient oder das ganze Equipment instand hält. Durch KI können nun zwar bestimmte Arbeitsschritte vereinfacht werden, doch kann dadurch einerseits nicht die Qualität von menschlicher Kreativität erreicht werden und andererseits entstehen sogar neue Berufe, um die neuen Arbeitsschritte auszuführen. Solange die Film- und Videospielunternehmen einen Profit erzielen wollen, sind sie genau so wie alle anderen Kapitalist:innen daher auf Menschen, die die Arbeit verrichten, angewiesen.

Durch den Fortschritt der Technik wird allerdings nicht die Arbeitszeit der Arbeiter:innen minimiert. Müssen die Unternehmen im Kapitalismus einen immer größeren Profit erzielen, werden technische Neuerungen wie Künstliche Intelligenz nicht automatisch zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeiter:innen, sondern eher zu einer stärkeren Ausbeutung führen: Denn wird der Anteil von Maschinenarbeit immer höher, muss immer mehr Profit aus der dann womöglich kleineren Anzahl an Arbeiter:innen herausgequetscht werden. Das ist nur möglich, indem langfristig entweder ihre Arbeitszeit verlängert oder ihre Löhne gesenkt werden.

Mehr lesen

Perspektive Online
direkt auf dein Handy!