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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Was tun bei Extremwetter und Umweltkatastrophen?

Die Hochwasserkatastrophe in Süddeutschland hat wieder gezeigt, dass die Auswirkungen des Klimawandels bereits deutlich zu spüren sind. Können wir solche Extremwetterereignisse überhaupt noch verhindern? Und wer hilft uns beim Aufbau nach der Katastrophe? – Ein Kommentar von Eric Hausmann

Mit Gummistiefeln und Regenponcho ließen sich Bundeskanzler Olaf Scholz und der bayrische Ministerpräsident Markus Söder Anfang Juni in den Hochwassergebieten in Süddeutschland ablichten. Sie bestaunten die Auswirkungen eines weiteren sogenannten Jahrhunderthochwassers. Dieses Jahr musste Scholz bereits Hochwassergebiete in Niedersachsen und dem Saarland besuchen, und auch die Katastrophe im Ahrtal 2021 mit 180 Todesopfern sitzt noch tief im Gedächtnis der Bevölkerung.

Das liegt unter anderem daran, dass die Wiederaufbauarbeiten immer noch stocken. Hilfsgelder können aufgrund von aufwendigen Versicherungsanträgen nur nach langer Zeit ausgezahlt werden, und zahlreiche Politiker:innen sind nach etlichen Skandalen reihenweise zurückgetreten, anstatt Verantwortung zu übernehmen.

Der Klimawandel gehört zum Kapitalismus

In Süddeutschland kam es im Juni nach starken Regenfällen zu Überschwemmungen entlang der Donau und vor allem kleineren Zuflüssen. Ein Wochenende lang galt Ausnahmezustand in vielen Gemeinden, vor allem im ländlichen Raum, aber auch in Regensburg und Passau. Teilweise stand das Wasser im Erdgeschoss bis unter die Decke, was ein Haus in den meisten Fällen unbewohnbar macht. Insgesamt sind mindestens sechs Personen durch die Fluten umgekommen – tausende Häuser sind zerstört und unzählige Keller vollgelaufen.

Pegelstände wie in Süddeutschland, die in der Vergangenheit nur einmal pro Jahrhundert auftraten, gibt es inzwischen an verschiedenen Orten in Deutschland alle paar Jahre. Grund dafür ist der menschengemachte Klimawandel als Teil der kapitalistischen Umweltzerstörung. Denn im Kapitalismus betrachten die Herrschenden nicht nur die Menschen, sondern auch die Umwelt gnadenlos als Ressource, die einzig und allein zum Zweck der Profitmaximierung ausgebeutet wird.

Das hat drastische Folgen: Zum Beispiel beträgt heute die globale Erderwärmung als Folge des Ausstoßes von Treibhausgasen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits 1,5 Grad Celsius. Dadurch werden Extremwetterereignisse häufiger. So erhöhte sich die durchschnittliche Niederschlagsmenge in Europa in den letzten Jahren um 7 Prozent. In Deutschland gab es 2023 durchschnittlich 20 Prozent mehr Niederschläge als zwischen 1991 und 2010. Hochwasser, die in Zusammenhang mit starken Regenfällen auftreten, stehen also in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel und werden in Zukunft noch häufiger auftreten.

Die Auswirkungen der Klimakrise sind also hier in Deutschland schon jetzt spürbar. Trotzdem war sich zum Beispiel der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nach der Flut in Süddeutschland sicher: „Mit solchen Ausmaßen hätte niemand rechnen können.” Doch gerade, weil die Ampelregierung – genau wie ihre Vorgänger und die CSU in Bayern – jegliche selbst gesteckten Klimaziele verfehlt, entstehen Katastrophen solchen Ausmaßes. Dazu kommt: Selbst wenn die aktuellen Ziele tatsächlich eingehalten würden, wären sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen bei weitem nicht ausreichend, um Klimawandel und Extremereignisse zu stoppen.

Kein Klimaschutz und kein Katastrophenschutz

Mit derartigen Aussagen wie der von Söder ziehen sich Politiker:innen gleich doppelt aus der Schuld: Sie leugnen einerseits ihre Verantwortung dafür, eine konsequente Klimaschutzpolitik umzusetzen und geben darüber hinaus auch vor, dass es keinerlei Möglichkeiten gäbe, die Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Dabei kritisierten bereits im Ahrtal Expert:innen die mangelnden Frühwarn- und Informationssysteme für die Bevölkerung.

Auch städteplanerisch stellt die dauerhafte Versiegelung von Böden durch deren Bebauung ein bereits länger bekanntes Problem dar. In Bayern führten sogar konkrete Entscheidungen der Landesregierung, die vor einigen Jahren bewusst Gelder beim Hochwasserschutz strich, zu einer Verschlimmerung der Lage für die Bevölkerung während der Flut.

Maßnahmen, welche die breite Bevölkerung schützen würden, wurden rigoros gekürzt. So verhinderte Hubert Aiwanger (Freie Wähler) im November 2018 den Bau von neuen Flutpoldern (Auffangbecken, in die Wasser umgeleitet werden kann) an der Donau. Die Polder seien überflüssig und zu teuer, „weil so ein Polder ja nur alle hundert Jahre mal geflutet wird“.

Der Staat wird uns nicht helfen

Wie wird nun also mit diesen Versäumnissen in Bayern umgegangen? Immerhin hat Söder Soforthilfen in Höhe von 100 Millionen Euro plus X versprochen. Man werde “so viel zahlen wie nötig.” Das widerspricht aber einer Entscheidung aus 2019, dass der Freistaat Bayern keine Hilfen mehr bei Naturkatastrophen zahlt. Der Staat solle kein „Ersatzversicherer” sein.

Stattdessen versucht der Staat, die finanzielle Verantwortung für das erhöhte Katastrophenrisiko auf die Bevölkerung abzuschieben. Zuletzt drängte der Bundesrat auf die verpflichtende Einführung einer Elementarversicherung für Gebäude, anstatt die eigentlichen Verursacher:innen des Klimawandels – die kapitalistischen Konzerne – für die Katastrophenfolgen zahlen zu lassen. Hierdurch vergrößert der Staat außerdem das Geschäft für Versicherungskonzerne, die bei einer Pflichtversicherung fette Prämien kassieren würden.

Katastrophenschutz und Wiederaufbau selbst in die Hand nehmen!

Welche Optionen haben wir stattdessen? Wenn der Staat und seine Politiker:innen durch eine Sparpolitik die Gefahren von Katastrophenereignissen herunter spielen und sich dann im Nachgang höchstens für PR-Aktionen blicken lassen, dann ist die Arbeiter:innenklasse wohl oder übel gezwungen, die Aufbauarbeiten und die gegenseitige Unterstützung selbst in die Hand zu nehmen.

Ein gutes Beispiel dafür sind die Hilfstrupps, die Anfang 2023 auch aus Deutschland in die Türkei reisten, um nach dem verheerenden Erdbeben Hilfe beim Wiederaufbau zu leisten. Dort stand der türkische Staat massiv in der Kritik, weil in den als Erbebenregionen bekannten Gebieten bewusst auf eine sichere Bauweise der Häuser verzichtet wurde, um Kosten zu sparen. Die deutsche Jugendorganisation Young Struggle entsandte eine Delegation in die Türkei und machte gleichzeitig deutlich: „Nicht das Erdbeben tötet, sondern der Profit.“

Auch innerhalb von Deutschland gab es zum Beispiel 2021 breite Unterstützung aus verschiedenen ehrenamtlichen und politischen Organisationen, die ins Ahrtal reisten, um die Opfer der Flutkatastrophe zu unterstützen – während sich die damalige rheinlandpfälzische Landesumweltministerin und spätere Bundesfamilienministerin Anne Spiegel einen 4-wöchigen Frankreichurlaub gönnte.

Jetzt sind in Bayern ebenfalls wieder einige freiwillige Helfer:innen wie z.B. die „Schwabenhilfe” aus Augsburg dort zur Stelle, wo der Staat versagt hat. Keller müssen ausgeräumt , Häuser entkernt und der ganze Schutt entfernt werden. Ob und wann ausreichende Hilfsgelder bei den Betroffenen landen und wie ihre Zukunft aussieht, steht für viele gerade in den Sternen.

Eine klassenbewusste Politik entwickeln

Unseren Hilfsinitiativen darf es dabei nicht nur darum gehen, die Versäumnisse der Politik aufzufangen. Wohin das langfristig führt, zeigen z.B. die unzähligen ehrenamtlich betriebenen Tafeln in Deutschland, zu denen der Staat Menschen schickt, die er nicht ernähren kann – oder will. Den Katastrophenschutz selbst zu organisieren, bedeutet stattdessen aus Solidarität zu den eigenen Klassengeschwistern selbst mit anzupacken, aber nicht die Drecksarbeit für ein marodes System zu erledigen, sondern die Politik der Kapitalist:innen gleichzeitig offensiv zu entlarven.

Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass die herrschende Klasse im Kapitalismus den kurzfristigen Profit an erster Stelle sieht und nicht die Interessen der Arbeiter:innenklasse und aller anderen Werktätigen. Klimaschutzmaßnahmen und Katastrophenschutz sind erst einmal teuer, und wenn sie dann doch umgesetzt werden, dann nur auf Kosten der Arbeiter:innen durch hohe Preise oder Zusatzsteuern.

Fakt ist: Auch in Zukunft werden weitere Umweltkatastrophen auf uns zukommen – zu groß sind die bisherigen Versäumnisse der Politik, zu rasant entwickelt sich der Klimawandel. Auch die angespannte weltpolitische Situation und die Zuspitzung der zwischenimperialistischen Widersprüche bieten den Kapitalist:innen noch weniger Spielräume, um Investitionen im Bereich Klimaschutz und Katastrophenschutz zu tätigen.

Der Kapitalismus zeigt immer wieder aufs Neue seine inneren Widersprüche: Eine Wirtschaft, die auf Profitmaximierung basiert, wird niemals ausreichend Rücksicht auf den Menschen und unsere Umwelt nehmen. Wir können uns bei Umweltkatastrophen deshalb niemals auf den kapitalistischen Staat und seine Politiker:innen verlassen.

Wir müssen heute die Aufbauarbeiten selbst in die Hand nehmen und gleichzeitig den Kampf für die sozialistische Gesellschaft von morgen jenseits des Kapitalismus führen. Im Sozialismus wird nicht mehr im Interesse der Kapitalist:innen gewirtschaftet und gehandelt, sondern Produktion und Politik werden von den Interessen der breiten Bevölkerung bestimmt – nur dann ist eine konsequente Klima- und Katastrophenschutzpolitik möglich.

Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 88 vom Juli 2024 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.

Mario Zimmermann
Mario Zimmermann
Perspektive-Autor seit 2023. Lieblingsthemen: Militarisierung und Arbeitskampf. Lebt und arbeitet in Nürnberg. Motto: "Practice like you've never won, play like you've never lost!" -Michael Jordan

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