Nach den Veröffentlichungen des MAD zu den Extremismusvermutungen in der Bundeswehr sind die Verdachtsfälle in überwiegender Zahl dem rechten Spektrum zuzuordnen. Einen Grund für diesen Anstieg sieht der MAD nicht.
Am Donnerstag hat der Militärische Abschirmdienst (MAD) den Jahresbericht zu Extremismusverdachtsfällen im Bundesministerium der Verteidigung für 2023 veröffentlicht. Der MAD ist Teil des deutschen Verfassungsschutzes und für die Auswertung gesammelter Informationen zwecks Terrorismusabwehr zuständig. Dabei übernimmt der MAD auch die Sicherheitsüberprüfung von Menschen, die an der Waffe ausgebildet werden, also in erster Linie der Bundeswehr-Soldat:innen.
Mit 1.049 Extremismusverdachtsfällen im Jahr 2023 verzeichnet der MAD im Vergleich zu 2022 einen Anstieg um rund 9 Prozent (962 Fälle). Der Extremismusbericht enthält eine Aufschlüsslung der Verdachtsfälle, demzufolge der größte Anstieg beim aktiven Personal im Spektrum „Ausländerextremismus“ zu verzeichnen ist: mit 56 Verdachtsfällen stellen diese allerdings eine klare Minderheit dar. Bei den Reservisten ist hingegen ein enormer Anstieg im rechten Spektrum zu verzeichnen.
Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache
Wenig überraschend fällt ein Großteil der Verdachtsfälle in den „Phänomenbereich Rechtsextremismus“: Von den 307 Neuaufnahmen im Jahr 2023 sind allein 178 laut MAD rechtsextrem. 776 von den insgesamt 1.059 bearbeiteten Verdachtsfällen (74 Prozent) werden ebenfalls diesem Spektrum zugeordnet. Dazu zählt noch nicht einmal die Gruppe der Reichsbürger:innen und sogenannten „Selbstverwalter:innen”, die regelmäßig rechten Verschwörungstheorien glauben und sie verfolgen – diese werden in einer eigenen Kategorie geführt, in der im vergangenen Jahr 62 Verdachtsfälle bearbeitet wurden.
Der „Phänomenbereich Rechtsextremismus“ überragt damit alle anderen Kategorien deutlich. Im Vergleich: Die zunächst meisten Verdachtsfälle werden der Kategorie „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ zugeordnet – hierzu zählt beispielsweise die Querdenker-Bewegung. Sie umfasst mit 81 Fällen aber gerade einmal rund ein Zehntel der Verdachtsfälle aus dem rechten Spektrum.
Traditionserlass: Nazi-Generäle als Vorbilder der Bundeswehr
Bei den Verdachtsfällen von Bundeswehr-Reservisten sieht es hingegen viel deutlicher aus: Von den 1.193 bearbeiteten Fällen ordnet der MAD 902 Vorgänge der Kategorie „Rechtsextremismus“ und weitere 170 derjenigen der „Reichsbürger/Selbstverwalter“ zu. Die Verdachtsfälle aus dem rechten Spektrum verzeichnen damit einen enormen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (418 Fälle), auch bei den Reichsbürger:innen hat sich die Zahl fast verdoppelt.
Häufigster Anknüpfungspunkt für Ermittlungen durch den MAD waren ausländer- oder fremdenfeindliche Aussagen in sozialen Medien durch solche Personen, die von der BRD am Umgang mit der Waffe ausgebildet wurden. Erkannt wurden durch den MAD im vergangenen Jahr insgesamt 13 Extremist:innen, die durch Entlassung oder Eigenkündigung aus dem Dienstverhältnis entfernt wurden. Davon waren 6 Personen rechtsextrem und 6 Personen aus dem Umfeld der Reichsbürger:innen. Die Zahlen sprechen deutlich dafür, dass die Bundeswehr ein Problem mit rechtem Gedankengut hat.
Keine Erklärung für den Anstieg
Der MAD selbst liefert für den Anstieg rechtsextremer Verdachtsfälle keine konkrete Erklärung. Interessanterweise kann er den Anstieg islamistischer Verdachtsfälle schnell mit dem Genozid Israels gegen Gaza oder den Anstieg ausländerextremistischer Taten mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine erklären. Darüber hinaus könnten laut des Bericht „wachsende gesellschaftliche Spannungen“ die Ursache extremistischer Tendenzen sein. Dies begründe man unter anderem „auf Basis von Erfahrungswerten“.
Währenddessen gibt der Anstieg rechtsextremer Verdachtsfälle in der Bundeswehr jedoch nur den allgemeinen Rechtsruck in der Gesellschaft wieder: Seien es organisierte rechtsextreme Angriffe in Berlin, faschistische Pogrome im UK oder Naziaufmärsche gegen CSDs – die fortschreitende Radikalisierung der Gesellschaft kann überall beobachtet werden. Dieser Aspekt fehlt jedoch in der Analyse des MAD zu dem erneuten Anstieg rechter Verdachtsfälle.
Die Gefahr kommt von rechts
Immer wieder wird von deutschen Politiker:innen sowie Medien der Irrglaube verbreitet, dass die Gefahr von Rechtsextremismus derjenigen von Links oder ausgehend vom Islamismus gleichkomme. Während der neue Bericht des MAD bedauerlicherweise keine ernsthafte Debatte über Faschist:innen in der deutschen Bundeswehr auslösen wird, werden islamistisch-fundamentalistische Anschläge dafür genutzt, generalisierte Politik auf dem Rücken Geflüchteter und Asylbewerber:innen zu machen.
Doch gerade die Umsetzung rechter Politik durch die vermeintliche „politische Mitte” trägt dazu bei, dass die Radikalisierung der Gesellschaft voran getrieben wird. Dabei darf zwar nicht übersehen werden, dass gerade die Bundeswehr eine hohe Anziehungskraft auf Rechtsgesinnte ausübt, jedoch bildet der Anstieg ungeachtet dessen den Rechtsruck des Landes und seiner Gesellschaft deutlich ab.