Die angekündigten Sparmaßnahmen des Weltkonzerns haben für Aufschrei gesorgt. Die vorgezogenen Tarifverhandlungen zwischen Unternehmensvorstand und Gewerkschaft könnten deutlich härter werden als bisher angenommen.
Seit Mittwoch, dem 25. September, 11 Uhr laufen im Schloss Herrenhausen die Tarifverhandlungen zwischen dem VW-Management, der IG-Metall (IGM) und dem Betriebsrat. Vor dem Gebäude haben sich nach Angaben der IGM rund 3.000 Arbeiter:innen zum Protest versammelt. Die Tarifverhandlungen wurden als Reaktion auf die Ankündigung des Konzerns, im Rahmen eines Sparprogramms Werkschließungen und Massenentlassungen nicht auszuschließen, vorgezogen.
Dabei wurde die seit 30 Jahren geltende Beschäftigungsgarantie aufgekündet. Laut dem Manager Magazin könnten bis zu 30.000 Stellen wegfallen. Diese Maßnahmen werden als Tabubruch gesehen. Die Verhandlungen betreffen die 120.000 Beschäftigten in den sechs großen westdeutschen Werken, weil für sie der VW-Haustarif gilt. Für die Standorte in Sachsen gibt es separate Verhandlungen.
IGM: keine Werkschließungen und Massenentlassungen
Laut Thorsten Gröger (IG-Metall-Bezirksleiter in Niedersachsen) seien Werkschließungen und Massenentlassungen für die Gewerkschaft „ausgeschlossen“. Der Widerstand gegen das Entlassungsprogramm fällt zusammen mit weiteren Forderungen an die Metall- und Elektrobranche.
Die IGM möchte sieben Prozent mehr Lohn und eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 170 Euro. Außerdem soll die Beschäftigungsgarantie bei VW bis 2030 verlängert werden. IGM begründete ihre Forderungen damit, dass höhere Löhne unter anderem notwendig seien, um den Privatkonsum anzuregen. Auch auf die höheren Lebenskosten trotz sinkender Inflation wurde verwiesen.
Konzernchefs bestehen auf Stellenabbau
Diese Forderungen stehen im Gegensatz zu denen der kapitalistischen Unternehmensspitze des Weltkonzerns. Diese will weniger Personalkosten (auch im „indirekten Bereich“, also Stellen außerhalb der Produktion) inklusive geringerem Lohn für Leiharbeiter:innen und zudem weniger Auszubildende aufnehmen.
Der Konzern versucht die Arbeiter:innen auf den Abbau einzustimmen, indem Flugblätter in den niedersächsischen Werken verteilt werden. Darin sind Dinge zu lesen wie: „Wir müssen die Produktivität steigern. Wir müssen unsere Arbeitskosten senken” wie die FAZ berichtet, oder „Volkswagen produziert in Deutschland zu teuer“, so die Wirtschaftswoche. Aufgrund der Überproduktion von ca. 500.000 VW-Autos seien nun insgesamt zwei Werke überflüssig. Der bisherige Tarifvertrag gilt bis Juli 2025, ab dann sind betriebsbedingte Kündigungen möglich.
Probleme schon länger sichtbar
Der Konzern schwächelt schon seit ein paar Jahren. Diese Entwicklung hatte sich bereits im Hintergrund angedeutet: Im Standort Hannover beispielsweise wurden seit 2020 freiwerdende Stellen nicht neu besetzt. Zwickau wurde als erstes Werk vollständig auf Elektro umgestellt und hat am meisten unter der niedrigen Nachfrage nach Elektrofahrzeugen zu leiden. Als Konsequenz gab es Streichung von Schichten und keine Vertragsverlängerung für hunderte Beschäftigte.
Sollten sich Gewerkschaft und Konzernführung nicht einigen, sind Streiks nicht ausgeschlossen, denn ab Dezember endet die Friedenspflicht für die Gewerkschaft. Damit würden auch Zugeständnisse der Belegschaft selbst an VW, wie der Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, voraussichtlich zurückgenommen.
Politik will VWs Verkaufszahlen ankurbeln
In der Politik versucht man, dem Konzern den Autoverkauf zu erleichtern. So fordert Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), dass die EU-weiten Begrenzungen des CO2-Ausstoßes für VW ausgesetzt werden, damit der Konzern keine Strafe zahlen muss. Das deckt sich mit Aussagen des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne). Dieser hatte sich mit Vertreter:innen der Autolobby getroffen, die gefordert hatten, dass die Grenzwerte schon 2025 statt erst 2026 erhöht werden. Habeck möchte diesen Forderungen gerne nachkommen.
Der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ließ diesbezüglich eine Regierungserklärung verlauten. Darauf, dass das Land Niedersachsen ein besonderes Interesse hat, da es Anteile an VW und 20 Prozent der Stimmrechte besitzt, womit es auch bei Standortentscheidungen Mitspracherecht hätte, ging Weil nicht ein. Zwar wolle er „um jeden Arbeitsplatz“ kämpfen, doch Maßnahmen für mehr Produktivität und Effizienz bedeuteten nun einmal „weniger Arbeitsplätze.“
Weil und führende Wirtschaftspolitiker:innen der SPD wollen eine neue Abwrackprämie, heißt es in einem Papier, über das der Stern berichtete. Wer seinen Verbrenner abwracke und in ein neues E-Auto tausche, solle 6.000 Euro bekommen. Für den Kauf eines gebrauchten E-Autos solle es 3.000 Euro geben. Damit soll eine Nachfrage nach Neuwagen erzeugt werden.
Die letzte Abwrackprämie im Jahr 2009 kam direkt im Anschluss an die globale Überproduktionskrise und die konsequente Weltfinanzkrise von 2008. Sie wurde damals unter dem Namen „Umweltprämie“ durchgeführt: eine staatliche Prämie in Höhe von 2.500 Euro, finanziert also durch staatliche Gelder.
Dieses Mal sollen laut Regierungspartei SPD zudem Ermäßigungen beim Kauf von E-Autos, „soziale Leasing-Angebote“ für niedrige Einkommen und auch Kaufanreize für E-Gebrauchtwagen zusätzlich die Angebotsseite stärken – wiederum finanziert aus Steuergeldern.