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Nach Anschlag in Ankara: Türkei intensiviert Luftangriffe auf Kurdistan

Bei einem Anschlag in Ankara sind fünf Menschen gestorben und 22 weitere verletzt worden. Am Freitag Morgen bekannte sich die PKK zu dem Angriff. Das türkische Regime reagierte mit schweren Angriffen auf Ziele in Kurdistan.

Am Mittwoch, 23. Oktober, drangen mehrere Täter:innen auf das Gelände des türkischen Rüstungs- und Raumfahrtunternehmens TUSAŞ (Türk Havacılık ve Uzay Sanayii AŞ) ein und töteten dort mindestens vier Personen. Zuvor hatten sie den Taxifahrer, dessen Auto sie  dann nutzten, erschossen. Beide Angreifer:innen, eine Frau und ein Mann, wurden bei dem Anschlag getötet, mindestens 22 Menschen wurden verletzt. Es soll auch Sprengstoff zum Einsatz gekommen sein.

Das Unternehmen TUSAŞ ist hauptsächlich im militärischen Bereich tätig: Als Staatskonzern stellt es unter anderem F-16 Kampfflugzeuge für die Türkei sowie Black-Hawk-Kampfhubschrauber her.

Am Freitag Morgen hat sich nun die PKK zu dem Anschlag bekannt. Das Hauptquartier-Kommando des Volksverteidigungszentrums (HSM) erklärte: „Die Opferaktion gegen den TUSAS-Campus in Ankara am Mittwoch, dem 23. Oktober, gegen 15:30 Uhr wurde von einem autonomen Team des Unsterblichen-Bataillons durchgeführt. Die Helden dieser historischen Aktion, die mit großer Entschlossenheit, kreativem Talent und dem aufopferungsvollen Geist der Apoisten stattfand, sind die Kameraden Asya Alî-Mine Sevjin Alçiçek und Rojger Hêlîn-Ali Örek.“

Laut PKK richtete sich die Aktion gegen den TUSAS-Konzern, dessen Waffen in Kurdistan tausende Zivilist:innen, darunter Kinder und Frauen, getötet haben. Sie wende sich aber nicht gegen die aktuellen Verhandlungen mit der Türkei, sondern sei Teil regelmäßiger Aktionen, die sich gegen strategische Ziele des türkischen Militärs richten.

Bombardierung von Kurdistan

Mittlerweile hat die türkische Regierung beide Attentäter:innen als Mitglieder der PKK identifiziert. Bereits zuvor, unmittelbar nach den Anschlag, wies der türkische Innenminister Ali Yerlikaya der PKK die Schuld für den Anschlag zu: der Angriff trage ihre Handschrift.

Seit Mittwochnacht hat das türkische Regime verschiedene Dörfer und Städte in Südkurdistan sowie Rojava (Irak und Syrien) unter Beschuss durch Drohnen und Kampfjets genommen. Betroffen ist nahezu das gesamte Grenzgebiet zwischen der Türkei und Kurdistan. Während der durch den türkischen Geheimdienst MIT ausgeführte Angriff laut Informationen der Türkei militärischen Zielen galt und „Terroristen neutralisiert“ worden seien, meldeten Berichte aus den angegriffenen Gebieten, dass insbesondere zivile Infrastruktur und Zivilist:innen betroffen seien. Nach aktuellen Meldungen sind mindestens zwölf Menschen getötet, darunter zwei Kinder, sowie mehr als 25 Menschen verletzt worden.

Türkische Angriffe auf Kurdistan – ein Überblick

Luftangriffe auf Kurdistan keine Neuheit

Die Türkei deklariert die Angriffe zwar als Vergeltung, jedoch muss man sie im Gesamtkontext des Kriegs betrachten, den die Türkei gegen die kurdische Freiheitsbewegung führt: Die Gebiete Kurdistans befinden sich seit Monaten unter intensiver Bombardierung. Mitte April diesen Jahres hatte die Türkei ihre Invasion Kurdistans im Nordirak begonnen mit dem erklärten Ziel, die Arbeiter:innenpartei PKK zu zerschlagen. Bereits in den Tagen vom 21. bis 23. Oktober – vor dem Anschlag in Ankara – fanden in den Grenzgebieten zu Nordkurdistan fast 50 Luftangriffe statt.

Zurzeit verhandelt die Türkei über die Freilassung des Gründers und Vordenkers der PKK, Abdullah Öcalan, im Gegenzug für dessen Kapitulation vor dem türkischen Parlament, inklusive Auflösung seiner Partei. Öcalan sitzt seit 25 Jahren in einer nach dem Völkerrecht rechtswidrigen Isolationshaft.

Öcalan-PKK-Deal und Angriff auf kurdische Gebiete

Solidarität unter NATO-Partnern

Die NATO steht derweilen fest an der Seite seines Mitglieds Türkei. So verurteilte das deutsche Auswärtige Amt (AA) bereits am Mittwoch den Anschlag in Ankara, äußerte sich bislang jedoch nicht zu den andauernden Luftangriffen des Verbündeten. Auch der neue NATO-Generalsekretär Mark Rutte stellte sich umgehend auf die Seite des türkischen Regimes.

Währenddessen rufen kurdische Kräfte zum Protest auf und fordern die Anti-IS-Koalition auf, den Luftraum über Kurdistan zu schließen. Ebenfalls fanden Mittwoch in verschiedenen deutschen Städten kämpferische Kundgebungen wegen der Angriffe statt.

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