Der Bundesparteitag der Linken ist vorbei. In Zukunft will man sich stärker an der Arbeiter:innenklasse orientieren. Jedoch bleiben die dafür notwendigen Neuausrichtungen aus. Anders konnte es nicht kommen. – Ein Kommentar von Felix Zinke.
Am vergangenem Wochenende hat die Partei „Die Linke“ ihren 9. Bundesparteitag durchgeführt. Ergebnis sind ein neu gewählter Vorstand und einige neue Vorhaben, welche die Partei nach eigenem Anspruch wieder stärken sollen. Bei Durchsicht der Beschlüsse ist auffällig, dass die Parteilinie der Anpassung und Reform weiterhin gleich geblieben ist.
So werden Forderungen immer innerhalb der Grenzen des kapitalistischen Systems gestellt: seien es bessere Tarifverträge, mehr soziale Gerechtigkeit, Mietenstopp oder Tarifbindung. Auch wenn diese Reformen jeweils für sich selbst betrachtet das Leben von Teilen der Arbeiter:innenklasse sicher verbessern würden, packen sie das Problem eben nicht an der Wurzel – selbst wenn in Teilen Imperialismus und Kapitalismus oberflächlich als Ursache der Probleme betrachtet werden.
Imperialismus und Kapitalismus – Eine oberflächliche Kritik
Als gutes Beispiel für das oben beschriebene Phänomen lässt sich der 13-seitige Leitantrag ins Feld führen. Dieser benennt in vielen Punkten richtigerweise die Krisen, Phänomene und Probleme, die unserer Klasse jeden Tag begegnen: die zu hohen Mieten, der allgemeine Rechtsruck in der Politik, die erhöhte Arbeitsbelastung oder die Teuerung, die in den letzten Jahren über jede Lohnerhöhung hinausgewachsen ist.
Der Leitantrag benennt sogar zum Ende hin Kapitalismus und Imperialismus als Ursache für Kriege, Krisen und Aufrüstung auf Kosten unserer Klasse. Jedoch sind die allgemeinen Lösungen in das bestehende System integriert oder idealistisch. So wird im Allgemeinen ein Versuch des Aufbaus eines „demokratischen Sozialismus“ innerhalb dieses Systems angestrebt und kein Bruch mit dem Parlamentarismus und dem kapitalistischen System als Ganzes. Es gibt einen höheren Fokus darauf, sich mehr in der Klasse verankern zu wollen und eine auffällige Rückkehr zu einer eher aufgesetzten Klassenkampfrhetorik. Dass diese Ansätze hier und da Früchte tragen können in einer sich vergessen gefühlten Arbeiter:innenklasse, zeigen einzelne Erfolge von z.B. der ebenfalls links-sozialdemokratischen „Kommunistischen Partei Österreichs“ (KPÖ). Jedoch werden diese Ansätze bei gleichbleibender Politik nur zu kurzfristigen Erfolgen führen. Denn schon in der Vergangenheit hatte sich die Partei, sobald sie in Machtpositionen kam, eher als Elendsverwalterin denn als Reform-Partei gezeigt – z.B. beim Mittragen der Privatisierung von Wohnraum auf Landesebene oder bei den Schließungen von Jugendclubs auf kommunaler oder Bezirksebene.
Wenn es um den Imperialismus geht, wird dieser ebenfalls nicht im Kern angegriffen. Er wird als Ursache für Kriege richtigerweise benannt, dennoch wird bei jeder Gelegenheit ein pazifistischer Ansatz gewählt. Statt die Zerschlagung des imperialistischen Weltsystems zu verlangen, das Kriege gesetzmäßig als Konsequenz des Konkurrenzkampfs der Konzerne und Großmächte hervorbringt, werden Wünsche nach einer langsamen Abrüstung aller Staaten geäußert. Solange man die Grundlagen dieser Gesellschaftsordnung nicht angreift, wird aber kein kapitalistischer Staat freiwillig dauerhaft abrüsten. Für eine Welt ohne Militarisierung müsste der Kapitalismus vielmehr auf internationaler Ebene überwunden und eine sozialistische Friedensordnung errichtet sein.
Der Kampf gegen Krieg und Militarismus muss sich gegen jeglichen Imperialismus richten!
Palästina und die Partei
Seit dem 7. Oktober 2023 konnte man noch stärker die Zerrissenheit der Partei beobachten, wenn es um Palästina geht – ob beim Landesparteitag in Berlin oder dem Bundeskongress der Jugendorganisation Linksjugend (’solid). Die Präsenz der israel-solidarischen Strömung – wenn auch grundsätzlich in der Minderheit – kam dort zum Tragen und führte zu einigen Eskalationen.
Davon war diesmal nichts zu spüren. Nach eigenen Angaben wurden diese Diskussionen schon im Vorfeld beschwichtigt, um etwaige Streitigkeiten auf dem Parteitag zu verhindern und zu einer Kompromissposition zu kommen. Diese hält an der deutschen Staatsräson fest und zielt auf einen Waffenstillstand ab. Zudem wird der koloniale Kontext des Konflikts nicht aufgezeigt. Stattdessen wird auf eine Gleichsetzung der kämpfenden Parteien gesetzt und sowohl Israel als auch Hamas und Hisbollah werden zum Waffenstillstand aufgefordert. Es wird ebenfalls eine Zweistaatenlösung mit den Grenzen von 1967 gefordert. Wie auch schon im allgemeinem Imperialismus-Verständnis der Partei wird hier keine Analyse des kolonialen Kontextes, der Klasseninteressen der kämpfenden Parteien oder der imperialistischen Interessen von Staaten wie Deutschland in diesem Konflikt angeführt.
Krieg in Israel und Palästina – Wie ist die aktuelle Lage einzuschätzen?
Was nun?
Auf dem Parteitag hat sich die Linke mit Ines Schwerdtner und Jan van Aken eine neue Doppelspitze gegeben, die eine neue klassenorientierte Linie verkörpern soll. Bisher sind an diesem Auftrag jedoch auch die beiden vorherigen Zweiergespanne gescheitert. Es scheint, als würde niemand mehr den Karren Linkspartei aus dem Dreck ziehen können. Umso weniger, seit mit Sahra Wagenknecht eines der charismatischsten Gesichter eine andere Partei gegründet hat und sich andere alte Granden der Linkssozialdemokratie wie Gregor Gysi langsam in den Ruhestand verabschieden oder das in den nächsten Jahren tun werden.
Doch die Probleme der Linken sind nicht einfach nur personell. Eher sind sie der lebende Beweis, dass eine auf Reformen, Regierungsbeteiligungen und Parlamentspolitik fokussierte Linke scheitern muss, weil sie in den Zwängen des Kapitalismus gefangen und gefügig gemacht wird. Eine echte, widerständige Arbeiter:innenlinke muss aber den Konflikt im Betrieb und auf der Straße suchen, muss die Gesellschaft in ihren Grundfesten angreifen und einen konsequenten Klassenkampf gegen Krieg und Kapitalismus führen. All das war mit der Linken nie zu haben – und wird es auch weiterhin nicht sein. Die Linkspartei hat langsam endgültig abgewirtschaftet. Umso mehr ist es an der Zeit, eine klassenkämpferische Linke aufzubauen.