Die Ampelregierung steckt in der Krise, genauso wie die deutsche Wirtschaft. Robert Habeck und Christian Lindner streiten sich derweil darum, ob eher Subventionen oder Steuersenkungen für Unternehmen der Ausweg aus den geringen Investitionen sind. Beide sind sich jedoch einig: es braucht mehr Geschenke für die Reichen. – Ein Kommentar von Jens Ackerhof.
Trotz aller gesellschaftlichen Spaltung und kulturellen Grabenkämpfe sind sich die Deutschen über eines einig: die Ampel muss weg. Nur noch 3 Prozent der Befragten finden, dass die Koalition aus SPD, FDP und den Grünen gut für das Land sei.
Mittlerweile scheinen sogar die Ampel-Parteien diese Meinung zu teilen. Anstatt für ihre Regierung zu werben, bereiten sie sich zunehmend selbst auf den nächsten Wahlkampf vor – und das, obwohl ihre Legislaturperiode regulär noch bis September 2025 andauert. So gehen Politiker:innen wie der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Lindner (FDP) auf Konfrontationskurs mit ihrer eigenen Regierung.
Deutschland in der Investitionskrise
So präsentierte Habeck ein im Alleingang entworfenes Impulspapier, betitelt als „Update für die Wirtschaft“. Das zentrale Problem, für das Habeck eine Neuauflage für nötig hält, sind mangelnde private und öffentliche Investitionen. Ganz falsch ist die Analyse nicht. Der Anteil von Investitionen (beispielsweise in Ausrüstung oder Bauten) am Bruttoinlandsprodukt begann 1991 stark zu sinken und hat sich trotz eines leichten Anstiegs seitdem nicht erholt.
Die reinen Unternehmensinvestitionen haben immer noch nicht ihr Niveau von vor der Coronapandemie erreicht. Auch der deutsche Staat investiert ungern und bildet im Bereich der Infrastrukturausgaben beinahe das Schlusslicht im EU-Vergleich. Dementsprechend niedrig fällt auch das Wirtschaftswachstum aus, das laut IWF-Prognose in diesem Jahr sogar stagnieren dürfte.
Wirtschaftskrise: Deutschland weiter in schwankender Stagnation
Habeck vs. Lindner – „Deutschlandfond“ oder Steuersenkungen?
Die deutsche Wirtschaft steckt also in der Krise. Habecks Ausweg? Ein „Deutschlandfond“ unter Beteiligung des Bunds und der Länder. Aus diesem Fond solle eine Prämie von zehn Prozent an alle investierenden Unternehmen (ganz egal ob Großkonzern oder kleiner Betrieb) gezahlt werden. Auch Start-Ups und andere Unternehmen, die noch nicht profitabel sind, hätten Anspruch auf die zunächst auf fünf Jahre begrenzte Maßnahme. Finanziert werden soll der Fond durch Schulden, allerdings angeblich ohne dabei die Schuldenbremse anzutasten.
Habeck schlägt außerdem Abnahmegarantien vor, also die Verpflichtung des Staats, ein von privaten Unternehmen entwickeltes Produkt zu kaufen oder zu subventionieren. Dies ist keine neue Forderung von Habeck, wünschte er sich doch bereits Abnahmegarantien in einem aktuell besonders profitablen Sektor – der Waffenindustrie. In seinem Impulspapier erklärt der Kriegstreiber Habeck auch die strikte Trennung von militärischer und ziviler Forschung für „nicht mehr zeitgemäß“. Stattdessen wünscht er sich eine europaweite Einrichtung nach Vorbild der DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), die Technologien für das US-Militär entwickelt.
Klar ist, dass sich Habecks Vorschlag mit der jetzigen Koalition nicht realisieren ließe. Während er argumentiert, dass eine Prämie Investitionen gezielter fördern würde, setzen Lindner und seine FDP auf niedrigere Unternehmenssteuern. Während Habeck die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse als Wachstumshemmnis kritisiert, wird sie von der FDP und CDU als nahezu heilig angesehen. Statt auf staatliche Subventionen zu setzen, will Lindner die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Kapitalist:innen verbessern – also ihre Profite durch niedrigere Steuern und den in letzter Zeit viel besungenen Abbau von „Bürokratie“ erhöhen.
Haushaltslücke und sinkende Steuereinnahmen
Doch ob es nun Subventionen oder Steuersenkungen sind – die Frage bleibt: woher soll der Staat das Geld nehmen? Immer noch klafft im jetzigen Haushaltsentwurf ein Loch von 12 Milliarden Euro. Bis jetzt würde dieses nur durch die sogenannte „globale Minderausgabe” gestopft werden können – also basierend auf der Annahme, dass nicht alle geplanten Ausgaben und Projekte tatsächlich realisiert werden. Sonderlich realistisch ist das jedoch nicht.
Im Falle einer weiterhin geringen Konjunktur würden durch ein Schlupfloch der Schuldenbremse zwar höhere Schulden möglich werden, jedoch würden bei weiterhin schlechter Wirtschaftslage auch die Steuereinnahmen niedriger ausfallen. Generell erwarten Steuerschätzer:innen für die kommenden Jahre deutlich geringere Einnahmen: Bis 2028 müsse der gesamte Staat mit 58,1 Milliarden Euro weniger auskommen, als noch im Mai angenommen.
Geschenke an Kapitalist:innen, Sparkurs für Arbeiter:innen
Trotz der Differenzen in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik ist es bezeichnend, dass sich die etablierten Parteien über eines einig sind: die deutschen Kapitalist:innen sollen mehr Geld bekommen. Die Bedürfnisse der Arbeiter:innenklasse, die schon in den letzten Jahren mit drastisch steigenden Preisen und bestenfalls stagnierenden Löhnen zu kämpfen hatte, sind ihnen herzlich egal. Vielmehr soll gerade an uns gespart werden, um die Geschenke an die Reichen zu ermöglichen.
Besonders deutlich ist das am Bürgergeld zu erkennen: Die Ausgaben für das Bürgergeld sollen im kommenden Jahr um 5,3 Milliarden Euro gekürzt werden. Zusätzlich fordert Lindner, nun auch die individuelle Kostenübernahme für Wohnungen zu streichen und kein Bürgergeld mehr an ukrainische Geflüchtete zu zahlen. Auch wenn die etlichen Sanktionen, durch die Arbeitslose in prekäre Jobs gezwungen werden, den Staat sogar einiges kosten sollen, profitieren Kapitalist:innen massiv durch die dadurch freigesetzten billigen Arbeitskräfte.
Braucht der Staat dann doch noch mehr Geld, werden Sozialausgaben immer als erstes gekürzt. Die von uns Arbeiter:innen erwirtschafteten Steuergelder fließen dann nicht in bessere Schulen, soziale Einrichtungen oder den öffentlichen Verkehr, sondern mehr oder weniger direkt in die Taschen der Reichen.
Die Krise hat System
Es sollte jedoch auch klar sein, dass diese Politik nicht einfach ein Merkmal der FDP, der Grünen oder irgendeiner anderen bürgerlichen Partei ist. Denn egal, wie groß der gesellschaftliche Nutzen von Investitionen in Infrastruktur oder klimafreundliche Technologien sein mag – sind die erwarteten Profite zu niedrig, werden Kapitalist:innen nicht investieren: Das Auszahlen von Dividenden an Aktionäre, Finanzspekulation, oder schlichtweg das Horten von Geld ist für Unternehmen oft (zumindest kurzfristig) profitabler. Da die kapitalistische Wirtschaft jedoch von deren Investitionen abhängig ist, wollen und können bürgerliche Politiker:innen kaum etwas anderes tun, als den Reichen Geschenke zu machen.
In seinem Impulspapier schiebt Habeck die miserable Wirtschaftslage unter anderem auf die durch den Ukrainekrieg verursachten hohen Energiepreise und bürokratische Hindernisse. Zweifelslos spielen diese Faktoren eine Rolle. Doch ein grundlegenderes Problem ist die bereits von Karl Marx beschriebene und mittlerweile empirisch gut belegte Tendenz zur fallenden Profitrate. Erschließen Kapitalist:innen nicht permanent neue Märkte oder erhöhen ihre Einnahmen durch Lohndumping oder die Verlagerung von Betrieben in Billiglohnländer, so können sie mit der Zeit immer weniger Kapital verwerten. Die sichersten Profite finden sich dann zumeist in den Bereichen, die für die Gesellschaft keinerlei Nutzen haben, wie etwa die Finanzspekulation.
Wenn sich die deutsche Politik also darüber streitet, wer den Kapitalist:innen die besten Geschenke machen kann, ist dies eine klare Kampfansage an die Arbeiter:innenklasse. Unsere Antwort dagegen muss der Klassenkampf sein – für einen Staat, in dem Investitionen nicht für höhere Profite, sondern tatsächlichen gesellschaftlichen Nutzen getätigt werden.