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Ein Jahr israelische Bodenoffensive in Gaza: Das Massensterben geht weiter

Vor einem Jahr begann Israel seine Bodenoffensive im Gaza-Streifen. Unter dem Vorwand, die Hamas zerstören und die israelischen Geiseln befreien zu wollen, verübt der israelische Staat seit einem Jahr einen Genozid an der palästinensischen Bevölkerung. Doch bis heute hat die Besatzungsarmee es nicht geschafft, die vollständige Kontrolle über Gaza zu erlangen. – Ein Überblick von Quentin Klaas.

Am 27. Oktober 2023 starteten die Israeli Defence Forces (IDF) die zuvor angekündigte Bodenoffensive unter dem Namen „Eiserne Schwerter“. In den Tagen nach den Angriffen des palästinensischen Widerstands am 7. Oktober hatte es bereits schwere Bombardierungen gegeben. Die Zerstörung von Infrastruktur hatte zum Ziel, den israelischen Einheiten eine möglichst freie Angriffsfläche zu ebnen. Damit sollte der Vorteil der palästinensischen Widerstandsgruppen im Häuserkampf minimiert und eine schnelle militärische Zerschlagung ermöglicht werden.

Im Vorfeld der Bodenoffensive gab es zudem kleinere Operationen, um Sensoren anzubringen und Informationen zu sammeln. Die wirkliche Bodenoffensive begann mit dem Eindringen von Soldat:innen im Norden Gazas bei den Städten Beit Hanoun im Nordosten, Beit Lahia im Nordwesten und Juhor ad-Dik im Osten.

Israelische Bodenoffensive: „Wir werden Gaza in eine verlassene Insel verwandeln“

In den darauf folgenden Tagen lieferten sich die israelische Besatzungsarmee und palästinensische Widerstandsgruppen heftige Kämpfe. Parallel zu den Kämpfen am Boden setzte Israel die Bombardements aus der Luft fort und verwandelte ganze Nachbarschaften in Berge aus Schutt. Bis es am 22. November 2023 zu einem vorübergehenden Waffenstillstand kam, waren bereits 38.000 Gebäude beschädigt.

Am 29. Oktober gab das israelische Militär die Warnung heraus, das „Al-Quds-Krankenhaus” zu bombardieren. Bei 14.000 Menschen, die im und um das Krankenhaus untergebracht waren, war eine vollständige Evakuierung jedoch unmöglich. Das Al-Quds Hospital war das erste in einer Reihe von Krankenhäusern, die durch Israel zerstört wurden. Mittlerweile ist das Gesundheitssystem in Gaza völlig zusammengebrochen, was die humanitäre Lage zusätzlich verschärft.

Khan Younis und Rafah

Ende November gab es einen temporären Waffenstillstand und einen Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas. Dieser Waffenstillstand hielt nur bis zum 30. November und endete durch Behauptungen Israels, dass das Waffenstillstandsabkommen von Seiten der Hamas gebrochen worden sei. In den darauffolgenden Tagen wurde Gaza-Stadt, seit November belagert, eingenommen.

Im Dezember dann begannen die IDF mit dem bis dahin tödlichsten Angriff: Die Stadt Khan Younis war bis dahin der wesentliche Zufluchtsort für den größten Teil der 1,9 Millionen Geflüchteten in Gaza. Nach Aufforderung des Militärs, die eigentlich als „sichere Zone erklärte“ Stadt zu evakuieren, starteten die Angriffe auf die Stadt.

Die zweite große Offensive dieses Kriegs von Israel gegen die Palästinenser:innen war die Offensive auf Rafah. Dabei zerlegte die Armee die komplette Stadt und übernahm unter anderem die Kontrolle über den Grenzübergang zu Ägypten.

Mehr-Frontenkrieg

Schon seit Beginn des genozidalen Kriegs Israels gegen Gaza finden die Kämpfe an mehreren Fronten statt. Denn neben dem Hauptschauplatz des Völkermords kämpfen im besetzten Westjordanland Widerstandsgruppen und die Besatzungsarmee sowie bewaffnete zionistische Siedler:innen gegeneinander.

Israel führt schon seit Jahrzehnten ein Besatzungsregime über das palästinensische Westjordanland und lässt Siedlungen bauen, um die Palästinenser:innen systematisch zu enteignen. Dagegen wehrten sich von Anfang an die palästinensischen Bewohner:innen und militärische Widerstandsgruppen. Im Zuge des jetzigen Völkermords in Gaza haben sich auch hier die Kämpfe intensiviert. So startete im August diesen Jahres die israelische Armee eine großangelegte Militäroffensive im Westjordanland.

Westjordanland: Gewalt durch Siedler:innen und IDF nimmt zu

Anfang Oktober 2024 eskalierte dann der Krieg gegen den Libanon: Israel begann eine Bodenoffensive im Süden Libanons, nachdem zuvor die Hauptstadt Beirut bombardiert worden war. Seit Beginn des Kriegs gegen den Libanon gibt es bereits hunderte Tote und etwa 1 Million Geflüchtete.

Die dritte Front, an welcher der Konflikt in den letzten Tagen noch einmal eskalierte, aber auch schon zuvor durchgängig brodelte, ist der Konflikt zwischen Israel und dem Iran. Die imperialistische Konkurrenz zwischen beiden Staaten spielt sich seit Jahren mithilfe von Stellvertretern wie der Hisbollah im Libanon ab. Schon Anfang des Jahres waren die Auseinandersetzungen in offene Aggressionen umgeschlagen. Am 1. Oktober dann griff der Iran mit 200 Raketen Ziele in Israel an, als Reaktion auf die Tötung des Hisbollah-Anführers Hassan Nasrallah im Libanon. In der Nacht auf den 26. Oktober wurden nun israelische Vergeltungsangriffe auf iranische Ziele gemeldet. Diese blieben zwar begrenzt, heizen die Situation in der Region jedoch weiter an.

Israelischer Angriff auf Iran bleibt begrenzt – wie geht es nun weiter?

Kein Ende in Sicht

Auch nach einem Jahr Bodenoffensive und Völkermord in Gaza ist kein Ende in Sicht. Obwohl die israelische Besatzungsarmee tausende Häuser zerstört, zehntausende Menschen umgebracht und die gesamte Infrastruktur lahmgelegt hat, ist es ihr nicht gelungen, die verschiedenen palästinensischen Widerstandsgruppen – von säkular bis islamisch-fundamentalistisch – zu zerschlagen. Immer noch trifft Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten auf Gegenwehr.

Israel versucht, durch seinen Krieg gegen den Libanon, durch seine Angriffe auf den Iran und den fortdauernden Genozid in Palästina die imperialistische Vormacht in der Region zu wahren und zu festigen. Es zeichnet sich immer wieder ab, dass eine vollständige Vertreibung des palästinensischen Volks und eine Schwächung des Iran oberstes Kriegsziel ist. Solange diese Ziele nicht erreicht sind, wird es wohl kein Ende der Kriege geben – und das Massensterben wird weitergehen.

Quentin Klaas
Quentin Klaas
Auszubildender im öffentlichen Dienst aus Hessen. Schreibt über Klassenkämpfe und innenpolitische Entwicklungen in der BRD. Er wurde über den Umweltaktivismus politisiert und schreibt seit 2023 für Perspektive.

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