Am 26. Oktober 2004 wurde die „Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache“ – kurz Frontex – gegründet. Sie ist Teil des europäischen Grenz- und Abschottungssystems und steht immer wieder in der Kritik.
Ihren Ursprung hat die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) in der Etablierung des Schengenraums ab 1995. Damals beschlossen Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Portugal und Spanien, die Personengrenzkontrollen zwischen ihren Ländern grundsätzlich zu beenden. Bereits 2002 wurde dann von der EU der Strategische Ausschuss für Einwanderungs-, Grenz- und Asylfragen (SAEGA) eingerichtet, um die Überwachung und Kontrolle der nun gemeinsamen Außengrenzen des Schengenraumes zu koordinieren und zu verbessern.
Am 26. Oktober 2004 folgte die Gründung der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen als eigenständige Institution der EU, um dem bisherigen SAEGA weitere Befugnisse und Mittel zu geben. Laut entsprechender Mitteilung, die als Wegbereiter von Frontex gelten kann, richtet sich die europäische Agentur u.a. gegen „illegale Einwanderung, Schleuserkriminalität und Menschenhandel, [eine gemeinsame Politik an den] Außengrenzen und [die] Rückführung illegal aufhältiger Personen“.
Der Grenzschutz soll dabei weiterhin in der Hand der entsprechenden Staaten bleiben und die Aufgabe von Frontex darin bestehen, ihn innerhalb der Mitgliedsstaates des Schengenraumes zu koordinieren und bei Bedarf auch personell zu unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt konnte Frontex jedoch zumindest rechtlich noch nicht eigenständig handeln, was sich in der folgenden Zeit änderte.
Mehr Befugnisse und Einrichtung einer ständigen Reserve
Im Zuge der sogenannten „Flüchtlingskrise“ 2015/16 wurde die ursprüngliche Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen um die heutige Europäische Grenz- und Küstenwache (EGKW) erweitert. Sie erhielt mehr Personal, finanzielle Mittel und erweiterte Handlungsbefugnisse, die sich vor allem in der Gründung eines eigenen Grenzschutzes – zusätzlich zum jeweils nationalen Grenzschutz – ausdrückte. Damit einher ging eine Verdoppelung des Frontex-Personals in den Jahren 2016-2019 auf knapp 750 Beamt:innen.
2019 folgte dann die vorerst letzte Erweiterung mit der Schaffung einer sogenannten Ständigen Reserve und einer dauerhaften, rein europäischen Polizeieinheit. Neben diesem eigenen dauerhaften Personal, das bis 2027 auf 3.000 Polizeibeamt:innen aufgestockt werden soll, sollen weitere 7.000 Beamt:innen der Mitgliedsstaaten auf Abruf bereitstehen, um von Frontex an den europäischen Außengrenzen eingesetzt werden zu können.
Auch die finanziellen Mittel für Frontex steigerten sich in diesem Zeitraum exponentiell: von knapp 143 Millionen Euro im Jahr 2015 über 233 Millionen Euro im Jahr 2016 auf 330 Millionen Euro im Jahr 2019. Bis 2027 sollen sie auf durchschnittlich 1 Milliarde Euro anwachsen.
Laut eigener Aussage ist Frontex an allen europäischen Außengrenzen aktiv: Schwerpunkte bilden dabei der Balkan an der sogenannten „Balkenroute”, das Mittelmeer und seit letztem Jahr auch vermehrt die osteuropäischen Grenzen, beispielsweise in Polen oder Rumänien.
Zusätzlich zur Koordination der einzelnen Mitgliedsstaaten beteiligt sich Frontex auch direkt an der Grenzkontrolle und ist insbesondere im Mittelmeer stark vertreten. Eine immer größere Rolle spielt hierbei die Überwachung der Grenzen mithilfe von Flugzeugen und Schiffen, aber auch durch KI-gestützte Kamerasysteme.
Eine weitere Aufgabe, die Frontex verstärkt wahrnimmt, ist die Überprüfung von Ausweisdokumenten. Auch hier wird KI zukünftig eine größere Rolle spielen. Zudem betreibt Frontex auch eigene Lobbyarbeit, richtet eigene Kongresse aus und ist damit Teil eines quasi militärisch-industriellen Komplexes, der die Aufrüstung und Abschottung Europas vorantreibt.
Frontex bedeutet Abschottung, illegale Pushbacks und Tod
Seit der Gründung von Frontex und verstärkt seit ihrem Ausbau in den Jahren 2015/16 ist die Europäische Grenzagentur in Skandale und Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen verwickelt.
Die Fluchtroute von Nordafrika nach Europa gilt z.B. als eine der gefährlichsten Fluchtrouten – und trotzdem nehmen immer noch Tausende aus Verzweiflung diesen lebensbedrohlichen Weg. Im Rahmen dieser Operation arbeitet Frontex mit der Libyschen Küstenwache zusammen und informiert diese über Boote mit Geflüchteten. Die Libysche Küstenwache wurde durch die Europäische Union hochgerüstet und finanziert, um genau diese Flucht nach Europa zu unterbinden.
Immer wieder kommt es hier zu Berichten über Folter in libyschen Lagern, über illegale Rückführungen – sogenannte „Pushbacks” – und Menschenrechtsverletzungen. Frontex ist hierfür mit verantwortlich und oft selbst beteiligt. Die Seenotrettungsorganisation Sea Watch wirft ihr regelmäßig vor, Boote in Seenot zu ignorieren, beim brutalen Vorgehen der libyschen Küstenwache wegzuschauen und bewusst Beweise über das eigene Vorgehen systematisch zu verbergen. Dies geht aus einer Untersuchung des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) hervor, die erst aufgrund der ausführlicheren Recherche Betroffener, des Spiegel, anderer europäischer Medien und zivilgesellschaftlicher Gruppen ermöglicht wurde und zum Rücktritt des Frontex-Direktors Fabrice Leggeri führte.
An der dahinter liegenden Grenzpolitik und dem Vorgehen an den Grenzen hat sich jedoch nichts geändert. Parallel wird die zivile Seenotrettung behindert und kriminalisiert. Dies sorgt auch dafür, dass kommerzielle Handelsschiffe Notsignale aus Furcht vor Repression ignorieren – in Widerspruch zu internationalem Recht, jedoch politisch gewollt und daher folgenlos.
Auch an den osteuropäischen Grenzen, die im vergangenen Jahr durch die Abschottung der ehemaligen sogenannten „Balkanroute“ mehr genutzt wurden, oder an der türkisch-griechischen Grenze gibt es immer wieder Berichte über Gewalt und Pushbacks.
Wohin eine solche Politik führt, hat sich beispielhaft und eindrücklich vor elf Jahren am 3. Oktober 2013 gezeigt, als vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa Boote kenterten und über 500 Geflüchtete ums Leben kamen. Die UNO Flüchtlingshilfe zählt weiterhin jährlich mehrere tausend Tote auf den Fluchtrouten nach Europa, wobei die Dunkelziffer noch deutlich höher sein dürfte.
Festung Europa
Den Herrschenden sind die Folgen von Umweltzerstörung, kapitalistischer Ausbeutung, imperialistischer Politik und Kriegen sehr bewusst. Eine Zuspitzung der Widersprüche und Konflikte wird in den kommenden Jahren noch stärkere Fluchtbewegungen verursachen. Genau hiergegen richtet sich die Aufrüstung und Abschottung an Europas Außengrenzen.
Frontex ist mit der greifbarste Ausdruck dessen und wird flankiert von immer weiteren Gesetzesverschärfungen und einer Aushöhlung des Asylrechts im Innern; sie wird flankiert von rassistischer Hetze, wie nach dem Attentat in Solingen, und immer weiteren Abschiebeoffensiven.
Die Leidtragenden dieser Politik: Geflüchtete, deren Lebensgrundlage zerstört wird, denen auch auf den Fluchtrouten nur der Tod droht und Migrant:innen, die einer weiter wachsenden rassistischen Hetze und Gewalt ausgesetzt sind.