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Montag, November 4, 2024
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    Hohle Forderungen nach einem Waffenstillstand in Gaza

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    Nach der Tötung von Yahya Sinwar in Gaza fordern westliche Politiker:innen einen Waffenstillstand oder Frieden in Gaza. Doch die Hamas ist durch die Tötung eines ihrer Führer nicht kampfunfähig, und Israel scheint den Konflikt in der Region weiter eskalieren zu wollen. – Ein Kommentar von Paul Gerber.

    Nach dem Tod des Hamas-Anführers Yahya Sinwar in Gaza beglückwünschen die westlichen Verbündeten Israels das Land wie erwartet, indem sie den Getöteten verdammen. Die deutsche Außenministerin Baerbock bezeichnet Sinwar als „brutalen Mörder und Terroristen”. Während der frisch gebackene NATO-Generalsekretär Mark Rutte sich mit dem ironischen Kommentar begnügt, er persönlich werde Sinwar nicht vermissen.

    Auch der scheidende US-Präsident Biden sprach am letzten Donnerstag von einem guten Tag für Israel. Doch in das Triumphgeheul mischen sich nachdenklichere Töne. So richtig hat der Mehrfrontenkrieg von Israel nie in die Agenda der führenden NATO-Staaten gepasst, auch wenn sie nach wie vor keinen Zweifel an der strategischen Partnerschaft lassen und fleißig Waffen liefern.

    Mehrmals schon haben sich unter anderem US-Diplomaten entschieden, öffentlich zu verkünden, Waffenstillstände zwischen der Hamas und Israel seien zum Greifen nah, immer wieder hat Israel die westlichen Verbündeten zum Teil öffentlich vorgeführt, indem es den Krieg mit unverminderter Härte weiterführte.

    Auch dieses Mal, erklären sowohl die US-Vizepräsidentin und demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris als auch die deutsche Außenministerin Baerbock, es sei nun nach Sinwars Tod endlich Zeit für einen Waffenstillstand.

    Hamas-Anführer Yahya Sinwar bei Kampfhandlungen in Rafah getötet

    Hierbei dürfte es sich erneut um vergebliche Appelle handeln. Zwar hat Israel mit der Tötung des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah in Beirut und nun relativ kurz darauf Yahya Sinwars in Gaza militärische Erfolge zu verzeichnen. Auch die moralische Wirkung einer erfolgreichen Geheimdienstoperation, bei der durch den Mossad Pager und Walkie-Talkies in Sprengsätze verwandelt wurden, dürfte nicht gering sein.

    Wer aber nun hofft, die Hisbollah oder die Hamas lägen endgültig besiegt am Boden, täuscht sich natürlich. Keine der beiden Organisationen ist von einer einzelnen Führungsperson abhängig, sondern jeweils seit Jahrzehnten in der palästinensischen beziehungsweise libanesischen Bevölkerung verankert. Beide Organisationen sind durch langjährige Auseinandersetzungen daran „gewöhnt“, dass Führungspersonen gezielt ermordet werden und ersetzt werden müssen.

    Und noch viel wichtiger: Zu einem Frieden oder auch nur einem Waffenstillstand würden zwei Seiten gehören. Gerade Israel macht keinerlei Anstalten, den Krieg zu beenden. Ganz im Gegenteil: Schließlich hat die Netanjahu-Regierung erst vor wenigen Wochen die ein Jahr andauernden Kämpfe mit der Hamas zu einem unzweifelhaft regionalen Krieg ausgeweitet, indem sie eine Offensive auf die Hisbollah im Libanon begonnen hat.

    Die dabei im Hintergrund stehenden Kriegsziele haben israelische Spitzenpolitiker auch immer wieder öffentlich verkündet. Nicht zuletzt Benjamin Netanyahu selbst bekennt sich nach wie vor zum Ziel, alle palästinensischen Gebiete zu kontrollieren und Israel einzuverleiben. Ganz folgerichtig hat die israelische Regierung die Nachricht vom Tod Sinwars nur mit dem Kommentar quittiert, man habe ein „sekundäres Kriegsziel“ erreicht. Der Krieg aber werde fortgeführt.

    Die Träume von Israels Verbündeten auf eine langsame Entspannung des Konfliktes dürften somit an der grausamen Realität in Palästina zerplatzen. Für die Palästinenser:innen in Gaza handelt es sich beim Krieg mit Israel ohnehin seit langem um einen Kampf um Leben und Tod und auch Netanyahu kämpft nicht nur für seine Träume von einem Großisrael, sondern auch um das eigene politische Überleben.

    • Paul Gerber schreibt von Anfang bei Perspektive mit. Perspektive bietet ihm die Möglichkeit, dem Propagandafeuerwerk der herrschenden Klasse in diesem Land vom Standpunkt der Arbeiter:innenklasse aus etwas entgegenzusetzen. Lebensmotto: "Ich suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen." (Henry Ford)

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