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Kassenbeiträge steigen weiter, Gesundheitswesen wird kaputt gespart

Nächstes Jahr sollen die Zusatzbeiträge für die Krankenkassen deutlich steigen. Doch das ist nur ein Vorgeschmack. Für die kommenden Jahre wird ein Anstieg der Beiträge für alle Sozialversicherungen erwartet. – Ein Kommentar von Mario Zimmermann.

Stagnierende Löhne bei immer weiter steigenden Ausgaben des täglichen Bedarfs beschäftigen viele Arbeiter:innen. Hohe Steuern und Sozialabgaben belasten dabei zusätzlich die oft schon niedrigen Gehälter. Gerade für diese werden in Zukunft einige Erhöhungen erwartet, um die steigenden Kosten im Gesundheits- und Pflegewesen, sowie bei der Rente zu decken.

Auch die Konzerne müssen mit steigenden Beiträgen höhere Sozialabgaben leisten. Besonders vor dem Hintergrund der weiter anhaltenden Wirtschaftskrise und einer heraufbeschworenen Deindustrialisierung drücken die Unternehmen auf die Tränendrüse. Bei ihnen hat dies jedoch nur minimale Auswirkungen auf die Bilanz und lässt sich vollständig auf den Kaufpreis umlegen.

Bei den Arbeiter:innen hingegen schmilzt das wenige Geld, das ihnen für die Begleichung aller Rechnungen übrig bleibt, immer schneller dahin. Oder auch: Weniger Netto, mehr Geldsorgen.

Zusatzbeiträge bedeuten Mehrbelastung

Wie das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schätzt, werden im kommenden Jahr die Zusatzbeiträge für die Krankenversicherung um durchschnittlich 0,8 % auf 2,5 % des Bruttolohns steigen. Aktuell hat der Zusatzbeitrag eine Höhe von durchschnittlich 1,7 % des Bruttolohns, die auf den allgemeinen Kassenbeitrag von 14,6 % aufgeschlagen werden.

Auch wenn im allgemeinen die Erhöhung des Beitrags wie auch der gesamte Beitrag zu gleichen Teilen von Arbeiter:in und Unternehmen getragen wird, zeigen Rechenbeispiele die zusätzliche Belastung auf: So bedeutet die Erhöhung bei einem Bruttolohn von 3.000 Euro eine stärkere Belastung von 12 Euro pro Monat für die Arbeiter:innen. Im Jahr summiert sich das auf 144 Euro. Bei niedrigeren oder höheren Löhnen fällt die Erhöhung entsprechend etwas kleiner oder größer aus.

Die Anhebung soll geschehen, um das Finanzierungsloch von voraussichtlich 13,8 Milliarden Euro für das kommende Jahr zu schließen. Auch die Krankenhausreform, die diese Woche vom Bundestag beschlossen wurde, belastet die Krankenkassen in den nächsten Jahren zusätzlich. Deshalb soll ein „Transformationsfonds” in Höhe von 50 Milliarden Euro eingerichtet werden. Dieser soll zur Hälfte von den Ländern und zur Hälfte von den gesetzlichen Krankenkassen gestellt werden.

Krankenhausreform löst Probleme nicht

Von dem Geld werden Umstrukturierungen finanziert, die auf eine Zusammenlegung und Schließung etlicher Krankenhäuser in Deutschland hinauslaufen werden. Mehrere hundert Krankenhäuser könnten davon betroffen sein. Auch werden Kliniken geschrumpft und auf bestimmte Behandlungen spezialisiert, die Palette an Behandlungen und Eingriffen wird also kleiner. Dadurch sollen langfristig die Kosten gesenkt werden, und auch die Qualität der Behandlung soll sich durch die Spezialisierung verbessern. Längere Wege zur medizinischen Behandlung sind mit der Reform jedoch sicher.

Noch hat Deutschland mit 1.700 Krankenhäusern die höchste Krankenhausdichte –  trotz des Krankenhaussterbens der letzten Jahre. Regional ist die Versorgung jedoch unterschiedlich und im ländlichen Raum sind die Wege zum nächsten Arzt bereits sehr lang.

Inwiefern diese Reform funktioniert, ist umstritten. So gab es Kritik von der Vorsitzenden der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK), Kerstin von der Decken: Unkontrolliertes Krankenhaussterben werde sich fortsetzen und eine Sicherung der Grund- und Notfallversorgung im ländlichen Raum sei massiv gefährdet.

Grund dafür sind die immer weiter sinkenden finanziellen Mittel im Gesundheitsbereich. Mit dem Bundeshaushalt 2024 wurde der Etat für das Gesundheitsministerium um ein Drittel gekürzt: Statt 24,5 Mrd. Euro im Jahr 2023 stehen dem Ministerium nur noch 16,7 Mrd. Euro zur Verfügung.

Reformerfolg hin oder her: Weitere Krankenhäuser werden sterben und die Versorgung von Kassenpatient:innen wird schlechter werden. Die Beiträge werden gleichzeitig steigen, während Beamt:innen und gutbezahlte Angestellte sich mit ihrer privaten Versicherung nicht an den Kosten des Gesundheitskrise beteiligen müssen. Auch eine bessere Finanzierung über den Bundeshaushalt scheint in den kommenden Jahren unrealistisch.

Krankenhausreform: die Elendsverwaltung geht weiter

51,2 Prozent Sozialabgaben bis 2035?

Bei einer Fortsetzung der aktuellen Politik ist ein Anstieg aller Sozialbeiträge absehbar. Für unsere Löhne bedeutet das immer höhere Belastungen durch Abgaben. Die Frage ist nur, wie lange einzelne Beitragserhöhungen hinausgezögert werden. Wer wird auch schon im Wahljahr die große Keule gegen unsere Löhne schwingen?

Auf längere Sicht zeigt eine Studie des privatwirtschaftlichen Berliner IGES Instituts, welche Beitragserhöhungen bis 2035 denkbar sind: Im günstigsten Simulationsszenario steigen die Beitragssätze von aktuell 40,9 Prozent des Bruttolohns auf 45,8 Prozent. Das mittlere Szenario nimmt ein Erhöhung auf 48,6 Prozent an und das ungünstigste Szenario eine Erhöhung auf 51,2 Prozent.

Trotz der geteilten Kosten würde das für uns Arbeiter:innen im mittleren angenommenen Fall eine zusätzliche monatliche Belastung von 3,85 Prozent bedeuten. Bei einem Bruttolohn von 3.000 Euro sind das 115,50 Euro, die uns zusätzlich pro Monat aus der Tasche gezogen werden. Dafür wird unsere Krankenversorgung ausgedünnt, die Pflege unbezahlbar und der Bevormundung durch Arbeitsagentur oder Jobcenter verschärft.

Höhere Zuschüsse aus Steuergeldern werden aber auch nicht die Lösung für diese Tendenz sein. Die Steuern zahlen wir Arbeiter:innen ja größtenteils selbst, somit sind die Kosten wieder auf uns umgelegt. Die Mahlräder der „sozialen Marktwirtschaft“ drehen sich weiter und zermahlen dabei unsere Löhne, unseren Lebensstandard und unsere Absicherung bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder im Alter.

Einen einfachen Ausweg aus der Situation gibt es nicht. Es gilt, weiterhin für höhere Löhne und eine Umverteilung der Versicherungslast auf die Kapitalist:innen zu kämpfen, ebenso wie für den Erhalt unserer öffentlichen Versorgung und gegen ihre Privatisierung. Und was, wenn wir die Mahlräder ganz zum Stillstand brächten?

Mario Zimmermann
Mario Zimmermann
Perspektive-Autor seit 2023. Lieblingsthemen: Militarisierung und Arbeitskampf. Lebt und arbeitet in Nürnberg. Motto: "Practice like you've never won, play like you've never lost!" -Michael Jordan

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