Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stehen nun die Koalitionsverhandlungen zwischen den Parteien an. In allen drei Bundesländern scheinen Brombeer-Koalitionen mit dem BSW als Tonangeber die größten Chancen zu haben. Doch weder Brombeeren noch das BSW werden den Rechtsruck der Politik aufhalten: Ganz im Gegenteil. – Ein Kommentar von Luis Tetteritzsch.
Nach den Landtagswahlen im September finden derzeit die Koalitionsverhandlungen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg statt. In allen drei Bundesländern wird es aller Wahrscheinlichkeit nach darauf hinauslaufen, dass die AfD weiterhin nicht Teil der Regierung sein wird, dafür aber das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Zwar konnte die AfD in allen drei Bundesländern einen massiven Stimmenzuwachs verzeichnen und ist im Durchschnitt auf mehr als 30 Prozent der Wähler:innenstimmen gekommen. Keine der anderen Parteien möchte aber mit der AfD koalieren. Vielmehr kristallisiert sich eine Koalitionszusammensetzung aus vor allem CDU, BSW und SPD – in Thüringen vielleicht auch DIE LINKE – heraus. Wie sollten wir zu der sogenannten „Brombeer-Koalition” stehen?
Brombeer-Koalitionen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg
Ihren Namen bekommt die „Brombeer-Koalition” aufgrund der Farben von Waldbeeren und der dazugehörigen Parteien: Schwarz (CDU), Rot (SPD & DIE LINKE) und Violett (BSW). Zwar kann man noch nicht sicher sagen, dass die Brombeer-Koalition auch wirklich Realität werden wird – besonders in Sachsen scheint sie aber bereits sehr wahrscheinlich.
In Thüringen steht die Koalitionsbildung jedoch – trotz „vielversprechender“ Gespräche zwischen CDU, BSW und SPD – auf der Kippe. Da die CDU nämlich einen Unvereinbarkeitsbeschluss sowohl mit der LINKEN als auch der AfD hat, könnte es in dem Bundesland noch brenzlig bei der Regierungsbildung zugehen: Denn eine Koalition ohne AfD oder LINKE hat keine Mehrheit.
Zudem forderte BSW-Chefin Sahra Wagenknecht vergangenen Sonntag die Thüringer CDU dazu auf, sich von ihrem Parteichef Friedrich Merz zu distanzieren. Auslöser war die Befürwortung der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland in einer Rede von Merz im Bundestag letzte Woche. Eine Koalition wäre laut Sahra Wagenknecht nur möglich, wenn sich die Landesregierung von solchen Positionen klar abgrenzen würde. Sie macht damit einen Kompromiss für eine vorgebliche Friedenspolitik zur Bedingung für die Verhandlungen in Thüringen.
In Sachsen und Brandenburg sieht es derweil besser aus. In Sachsen begannen die Brombeer-Gespräche am Dienstag und in Brandenburg könnten SPD und BSW sogar ohne die Beteiligung der CDU regieren.
Brombeeren schmecken nicht besser als die Ampel
Zwar gibt es Differenzen zwischen den potenziellen Koalitionspartnern, gerade was die deutsche Außenpolitik und den damit zusammenhängenden Kriegs- und Aufrüstungskurs Deutschlands angeht. Während CDU und SPD zum Großteil hinter der Anbiederung an die NATO in Fragen der Außenpolitik und insbesondere des Ukraine-Kriegs stehen, verfolgt das BSW – ähnlich wie die AfD – eher eine Annäherung an den russischen Imperialismus und fordert diplomatische Verhandlungen und einen Waffenstillstand.
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Diese Position hat das Thüringer BSW nicht nur zu einer Bedingung für Verhandlungen aufgestellt. Das BSW und sein Einfluss auf die Ausrichtung der Koalition zeigen bereits erste Früchte: So haben sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Thüringens CDU-Chef Mario Voigt in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für mehr diplomatisches Engagement zur Beendigung des russischen Krieges gegen die Ukraine seitens Deutschlands ausgesprochen. Dafür ernteten sie heftige Kritik von der eigenen Parteispitze und den Ampelparteien.
Wer nun aber davon ausgeht, dass auch in Sachen Asylpolitik eine Kehrtwende vollzogen werde, hat sich schwer getäuscht. Manch einer wird sich vielleicht die Hoffnung gemacht haben, mit dem Ausbleiben einer AfD-Regierungsbeteiligung und einer ehemaligen Linkenpolitikerin wie Sahra Wagenknecht in der Regierung endlich wieder Schritte in Richtung einer menschlicheren Politik an den EU-Außengrenzen gehen zu können. Dazu wird es mit der Brombeer-Koalition aber nicht kommen – ganz im Gegenteil.
„Umfassende Zurückweisungen an den Grenzen“, so lautet ein Zitat Kretschmers und die kurze Zusammenfassung für die kommende – und keineswegs neue – Asylpolitik einer Brombeer-Koalition. In einem gemeinsamen Positionspapier sprechen sie sich für beschleunigte Abschiebeverfahren aus, fordern eine personelle Stärkung von Justiz und Polizei, wollen Migrant:innen in „gemeinwohlorientierte Tätigkeiten“ – also schlecht bezahlte Jobs – zwingen und vertiefen damit weiter die diskriminierende Trennung zwischen vermeintlich „regulärer“ und „irregulärer“ Migration. Es bleibt also im Endeffekt genau dasselbe wie die unzähligen „Sicherheitspakete“ und Abschiebeerklärungen der Ampelregierung der vergangenen Monate – nur eben mit einem rassistischeren und gesteigert hetzenden Zungenschlag von BSW und CDU.
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BSW als zukünftige Tonangeberin – auch für Bundestagswahlen 2025?
Wie bereits oben erwähnt: Das BSW gibt den Ton in den Koalitionsverhandlungen an. Bereits unmittelbar nach den Ergebnissen der Landtagswahlen hat sich gezeigt, dass ohne das BSW – das sich erst ein Jahr zuvor gegründet hatte – keine Koalition zustande kommen wird, somit die anderen Parteien nicht an Gesprächen mit dem BSW vorbeikommen werden.
Damit liegt dem BSW ein wirkungsvolles Druckmittel in der Hand. Das ist auch ein Grund dafür, warum die Partei überhaupt die Möglichkeit besitzt, ihre Positionen in den Koalitionen durchzufechten und diese – wie im Falle einer diplomatischeren Haltung zu Russland – überhaupt als Voraussetzung für Verhandlungen in Thüringen aufstellen kann. Schon jetzt übernimmt das BSW also die Funktion, die Politik des Rechtsrucks glanzvoll fortzuführen, sodass wir in Sachsen, Thüringen und Brandenburg bald schon Landesregierungen haben dürften, die eine asylfeindliche und prorussische Politik auch ganz ohne Beteiligung der AfD durchführen oder zumindest befürworten werden.
Doch nicht nur für die Koalitionsbildung auf Landesebene wird das BSW eine entscheidende Rolle spielen. Schon jetzt ist abzusehen, dass das BSW bis zu den Bundestagswahlen im nächsten Jahr den Diskurs zur deutschen Außenpolitik Stück für Stück in Richtung Verhandlungen mit Russland verschieben wird.
Nicht dem BSW vertrauen – Widerstand von unten aufbauen!
Dabei kann die Frage nach Verhandlungen mit Russland gar nicht auf Landesebene diskutiert werden – was Wagenknecht durchaus bewusst ist. Ebenso bewusst ist sie sich jedoch darüber, wie man Wähler:innen für sich gewinnen und den politischen sowie gesellschaftlichen Diskurs zu ihren Gunsten langfristig beeinflussen kann.
Die Angst vor Krieg ist laut Studien eine der Topthemen in der Jugend und eine Mehrheit der Bevölkerung lehnt deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine oder an Israel ab. Indem die Wagenknecht-Partei den vorherrschenden Positionen zu Fragen der Aufrüstung, Kriegs- und Außenpolitik scheinbar widerspricht, hat sie es geschafft, innerhalb kürzester Zeit eine regierungsfähige Partei aus dem Boden zu stampfen und Wähler:innen aus allen Ecken – sowohl links als auch rechts – bei sich zu sammeln.
BSW: „Blackbox“, „rotbraun“ oder normale bürgerliche Partei?
Es zeigt sich also klipp und klar: Das BSW und die Brombeer-Koalition sind keineswegs fortschrittlich, noch bilden sie eine antifaschistische Alternative zur AfD. Sie werden die migrant:innenfeindliche und rassistische Abschiebepolitik der Ampelregierung einfach weiter fortsetzen und damit den Forderungen der AfD ebenso nachkommen, wie die Regierungen und Parteien die Jahre zuvor.
Und auch eine Außenpolitik, die sich eher auf den Schulterschluss mit dem russischen Staat als mit den USA verlässt, wird uns Arbeiter:innen keine Lösung für die drängenden Probleme der Zeit bieten. Am Ende geht es beiden Flügeln der herrschenden Klasse darum, Deutschlands Machtposition im imperialistischen Weltsystem zu stärken. Eine konsequente Positionierung zum aktuellen Ukraine-Krieg muss also lauten: Weder Putin, noch NATO!
Schlussendlich liegt die Lösung unserer Probleme nicht in der einen oder anderen Partei oder Koalition – nicht in der Ampel, nicht in der Brombeere und erst recht nicht in der AfD. Eine wirkliche Alternative müssen wir im Kampf gegen die heuchlerische und arbeiter:innenfeindliche Politik aller Parteien und der Überwindung des Systems finden, das sie auf seinen schon wackligen Stelzen vergeblich versuchen, am Leben zu erhalten.