In Italien wurde kürzlich ein Gesetz gegen sogenannte „Gender-Theorie“ an Schulen erlassen. Italien ist jedoch nicht das einzige EU-Land, in dem gesetzliche und gesellschaftliche Diskriminierung gegen LGBTI+ Menschen zunimmt – ein Überblick.
Italiens faschistische Regierungspartei Fratelli d’Italia und dessen Ministerpräsidentin Georgia Meloni setzen ihre Angriffe auf lesbische, schwule, bisexuelle, transgeschlechtliche und intersexuelle Menschen (kurz: LGBTI+) fort.
Italien: Gleichgeschlechtliche Elternteile aus Geburtsurkunden gestrichen
Bereits im vergangenen Jahr wurde ein Gesetz verabschiedet, das die gleichberechtigte Elternschaft in homosexuellen Beziehungen streicht. Während einige italienische Gemeinden trotz unklarer Gesetzeslage bereits Urkunden ausstellten, in denen beide Partner:innen als Eltern eingetragen wurden, verbot das Gesetz die Praxis. Nur leibliche Väter und Mütter gelten von nun als Elternteil.
Einige lesbische Eltern in Norditalien wurden bereits per Brief darüber informiert, dass sie nachträglich aus der Geburtsurkunde ihres Kindes entfernt wurden. Dies hat dramatische Folgen nicht nur für die Eltern, sondern auch deren Kinder: Verstirbt beispielsweise die leibliche Mutter oder der leibliche Vater, gilt das Kind rechtlich als Waise. Das überlebende Elternteil wäre rechtlich dem Kind fremd und hätte keinen Anspruch auf Sorgerecht. 33 gleichgeschlechtliche Familien klagten bereits gegen das Gesetz, bisher ohne Ergebnis.
Italiens Gesetze sprachen LGBTI+ Menschen bereits vor Melonis Amtsantritt nur wenig Rechte zu. Das Land ist eines von nur fünf EU-Staaten, in denen es keine gleichberechtigten Ehen für Homosexuelle gibt.
Verbot von „Gender-Theorie“ an italienischen Schulen
Nun will die Regierung ihr reaktionäres Familienbild auch Schulen aufzwingen: So soll die sogenannte „Gender-Theorie“ an Schulen verboten werden. Das Gesetz wurde von der ebenfalls faschistischen Partei Lega Nord eingebracht und im Parlament abgestimmt, jedoch noch nicht verabschiedet.
Ein nationales Bündnis von LGBTI+ Organisationen stellt sich gegen die geplante Zensur und versucht, diese durch eine Petition zu verhindern. Die Beteiligten heben auch hervor, dass die sogenannte „Gender-Theorie“ keine tatsächliche Theorie oder ideologische Position darstelle, sondern ein von Konservativen erfundener Begriff sei, mit dem Diskriminierung und Spaltung vorangetrieben werden solle. Außerdem ließe die vage Definition der „Gender-Theorie“ im Gesetz „willkürliche und möglicherweise gefährliche Deutungen zu“.
Italiens Gesetzesinitiativen sind kein Einzelfall: Menschen mit sexuellen Vorlieben oder Geschlechtsidentitäten, die nicht dem konservativen Rollenbild entsprechen, sind in Europa zunehmend Opfer von Diskriminierung, patriarchaler Gewalt, aber auch von Gesetzen, die ihre Rechte einschränken sollen. Russland, das die Verbreitung sogenannter „LGBTI+ Propaganda“ an Minderjährige schon 2013 verbot und 2022 auf alle Altersgruppen ausweitete, gilt dabei oft als Vorbild.
Wie der russische Nationalismus LGBTI-Feindlichkeit für Kriegspropaganda nutzt
Ungarn: Verbot von „LGBTI+ Propaganda“ und Einführung eines Spitzelsystems
In Ungarn erließ die Fidesz-Partei des Ministerpräsidenten Viktor Orban 2021 ein Gesetz, um die Verbreitung von Informationen über LGBTI+ Menschen stark einzuschränken. Medien, zu denen Jugendliche Zugang haben (darunter Aufklärungsbücher, Werbespots oder Filme), dürfen seitdem keine Homosexualität oder Transgeschlechtlichkeit mehr darstellen.
Wie auch in allen anderen hier genannten Staaten geschieht der Gesetzesvorstoß unter dem Vorwand des Schutzes von Minderjährigen. Dieser geht implizit und fälschlicherweise davon aus, dass alternative sexuelle und geschlechtliche Identitäten erstens schädlich für Kinder und Jugendliche seien, und dass sie zweitens anerzogen und gelernt werden könnten. Dabei ist es gerade die gesellschaftliche Abneigung gegenüber LGBTI+ Menschen, die Jugendliche gefährdet und zu einem erhöhten Suizidrisiko führt.
Im vergangenen Jahr verschärfte Orbans Regierung diese Diskriminierung durch ein weiteres Gesetz: Dieses ermöglicht Bürger:innen, gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern anonym an die Behörden zu melden. Damit solle die „ungarische Lebensweise“ und die „verfassungsmäßige Rolle von Ehe und Familie“ geschützt werden.
LGBTI+ feindliche Gesetzesinitiativen in Bulgarien und der Slowakei
Orientiert an Russland und Ungarn erließ auch das bulgarische Parlament mit einer Mehrheit von rund 66 Prozent ein Gesetz gegen LGBTI+ Inhalte an Schulen. Eingebracht wurde es von der nationalistischen, dem russischen Imperialismus nahestehenden Partei Wasraschdane (dt.: Wiedergeburt). Das Gesetz wurde jedoch auch unterstützt von zwei Parteien, die für eine Verlängerung der Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestimmt hatten. Ein naheliegender Grund, warum Kritik aus Brüssel bisher noch ausbleibt.
In der Slowakei strich die an der Regierungskoalition beteiligte faschistische Slowakische Nationalpartei (SNS) im Januar jegliche Fördergelder für LGBTI+ Projekte und Pride-Veranstaltungen. Die dafür verantwortliche Kulturministerin Martina Šimkovičová erhofft sich davon „eine Rückkehr zur Normalität“. Im September ging die Partei einen Schritt weiter und brachte ebenfalls einen Gesetzesentwurf gegen Diskussionen über sexuelle Vielfalt an Schulen ein. Dieser wurde jedoch noch nicht verabschiedet.
Polen: Widerruf diskriminierender Gesetze, aber auch „leere Versprechen“
In Polen wiederum konnten einige homo- und transfeindliche Initiativen wieder rückgängig gemacht werden, als letztes Jahr die rechte PiS-Partei abgewählt wurde. So wurde eine Initiative, Pride Paraden und „LGBTI+ Propaganda“ zu verbieten, als verfassungswidrig erklärt. Zwar könnte das Gesetz noch abgestimmt werden, was jedoch aufgrund der liberalen Mehrheit im Parlament wenig Chancen auf Erfolg hat. Auch die „LGBT-freien Zonen“, die ab 2019 von etlichen Gemeinden in Polen ausgerufen wurden und „Förderung von Homosexualität“ an Schulen verbieten sollten, wurden durch Gerichtsbeschluss in den Gemeinden abgeschafft. Im Februar 2024 hob das Verwaltungsgericht Warschau in der letzten Gemeinde die Zone auf.
Von einem gesellschaftlichen Wandel und einer fortschrittlichen Politik in Polen kann jedoch noch lange nicht die Rede sein: LGBTI+ Aktivist:innen werfen dem Ministerpräsidenten Donald Tusk „leere Versprechen“ vor: Er hatte die Einführung von eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften innerhalb von 100 Tagen nach der Machtübernahme versprochen, sowie erleichterte Geschlechtsanerkennung für trans Personen. Passiert ist seitdem nichts. Aktivist:innen kritisieren Tusks konservative Politik, die mit lediglich liberaler Rhetorik für ihre Wahlstimmen geworben hätte.
LGBTI+ Feindlichkeit nimmt auch in Deutschland zu
Und hier in Deutschland? Während es noch keine Aussicht auf vergleichbare Gesetze gibt, steigt auch hier die gesellschaftliche wie auch politische Diskriminierung von LGBTI+ Menschen. Während die faschistische AfD bereits einen Antrag gegen „LGBTI+ Propaganda“ und für die dahingehende Zensur von Medien stellte, stimmte in Thüringen die CDU gemeinsam mit der AfD für ein Gender-Verbot an Schulen. Lehrer:innen sind seitdem angehalten, beispielsweise nicht mehr von „Schüler:innen“, sondern von generisch maskulinen „Schülern“ zu sprechen.
Wieder gemeinsam mit der AfD – die Thüringer CDU will das „Gendern“ weiter einschränken
Die reaktionäre Rhetorik von Parteien wie der AfD oder CDU facht dadurch den zunehmende Hass gegenüber LGBTI+ Menschen weiter an und gefährdet sie so massiv. So sind Gewalttaten und andere Delikte aufgrund sexueller Orientierung in den letzten Jahren massiv angestiegen. Wurden 2021 noch 578 solcher Delikte erfasst, waren es 2023 bereits 1.499.