Nach Beginn der Bodenoperation Israels im Libanon eskaliert der Krieg weiter. In der vergangenen Woche griff Israel wiederholt UN-Soldaten im Südlibanon an. Ein offener Krieg zwischen dem Iran und Israel wird derweil immer wahrscheinlicher.
Nachdem Israel vergangene Woche eine „begrenzte Operation“ im Libanon begonnen hat und Bodentruppen an der israelisch-libanesischen Grenze stationiert wurden, eskaliert der Krieg im Libanon weiter: Am Samstag bombardierten die Israel Defense Forces (IDF) einen Markt in Nabatieh, einer Stadt im Südlibanon. Hierbei wurden mehrere Menschen getötet und ein Großbrand verursacht. Die genaue Anzahlt der Toten und Verletzten ist wegen der Ausmaße des Feuers noch nicht bekannt.
Am Sonntag dann zerstörte die israelische Armee eine Moschee in dem südlibanesischen Dorf Kfar Tibnit. Bei Angriffen auf Zentral- und Nordlibanon wurden außerdem mindestens 15 Menschen getötet und 37 verwundet. Dabei hat Israel mindestens drei Gebiete angegriffen, die außerhalb der traditionellen Hochburgen der libanesischen Hisbollah-Gruppe lagen. Auch am Montag wurden mindestens 18 Menschen bei Bombenangriffen durch das israelische Militär in Nordlibanon getötet.
EIL: Israelischer Krieg auf Libanon eskaliert – “begrenzte Bodenoperation” hat begonnen
Seit dem 8. Oktober 2023 kam es zu wechselseitigen Angriffen zwischen Israel und der Hisbollah, wobei Israel mit mindestens 9.891 Angriffen mehr als viermal so viele Angriffe auf den Libanon verübte wie die Hisbollah auf Israel. Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium wurden im letzten Jahr mindestens 2.255 Menschen von Israel getötet und über 10.000 verletzt. Zusätzlich wurden nach Angaben der libanesischen Regierung über 1,2 Millionen Libanes:innen vertrieben.
Schätzungen zufolge stehen der israelischen Armee 150.000 Mann und zehntausende Raketen der Hisbollah gegenüber. Deren Gruppe ist damit vielerorts stärker als die libanesische Armee selbst. Auch an der Grenze zu Syrien hat Israel Militärgerät stationiert. Premierminister Israels Benjamin Netanjahu hat dem Libanon unterdessen mit einer „Zerstörung wie im Gazastreifen“ gedroht und die Bevölkerung im Süden des Landes und in Teilen der südlichen Vororte der Hauptstadt Beirut zur Evakuierung aufgefordert.
Seit der Eskalation zwischen der Hisbollah und Israel im Oktober letzten Jahres hat Israel es geschafft, den Hisbollah-Anführer Nasrallah sowie den Anführer der Hamas Ismail Haniyeh zu töten. Die Führungsriege der Hisbollah wurde damit weitgehend geschwächt. Zusätzlich hat der Pager-Angriff des israelischen Geheimdienstes die Kommunikation der Hisbollah massiv gestört.
Israelische Angriffe auf Libanon halten an – Iran im Zwiespalt
Wiederholter Angriffe auf UN-Friedensmission in Libanon
In der vergangenen Woche kam es zudem immer wieder zum Beschuss der UN-Beobachtermission Unifil im Libanon durch das israelische Militär. Die UN-Friedenstruppe wirft der israelischen Armee vor, gewaltvoll in eine Stellung der UN im Südlibanon eingedrungen zu sein und die Truppenbewegung der UN-Soldaten blockiert zu haben. Israel bestreitet, die UN-Soldaten jemals in Gefahr gebracht zu haben und begründet das Eindringen in den Unifil-Stützpunkt mit einem vorgeblichen Wendemanöver.
Der Panzer, der beim Wenden einige Meter weit in den Stützpunkt eingedrungen ist, sei unter Beschuss gewesen und hätte Verwundete transportiert. Auch die Rauchgranaten, die gezündet wurden, hätten den Abtransport des Verwundeten sichern sollen. Ein paar Tage zuvor kam es zudem zu zwei Explosionen am Hauptquartier der UN-Soldaten, und ein israelischer Panzer schoss auf die Wachtürme der UN-Mission. Netanjahu hatte zuvor die UN aufgefordert, ihre Soldaten aus dem Libanon abzuziehen, was UN-Generalsekretär Guterres mit scharfen Worten ablehnte.
Die UN-Mission United Nations Interim Force in Lebanon (Unifil) wurde vom UN-Sicherheitsrat nach der ersten israelischen Invasion in den Südlibanon im Jahr 1978 eingerichtet. Seitdem haben die etwa 10.000 Soldaten der Unifil die Aufgabe, Grenzverletzungen zu überwachen und das Grenzgebiet zu sichern. Obwohl es sich um eine friedenserhaltende Mission handelt, können die Truppen unter bestimmten Umständen Gewalt anwenden, unter anderem zur Selbstverteidigung, zum Schutz von Zivilist:innen bei unmittelbarer Bedrohung durch Gewalt und zum Schutz von Einrichtungen und Ausrüstung des UN-Personals. Das Mandat besteht bis August 2025 fort.
Abzugsforderung stößt auf Widerstand
International stößt das Vorgehen Israels auf Kritik: 40 der 50 an der Friedensmission beteiligten Nationen veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, in der sie das Vorgehen der israelischen Armee verurteilen. Italiens Verteidigungsminister bezeichnete den Vorfall als mögliches Kriegsverbrechen. Auch Frankreich kritisierte den Angriff und bestellte den israelischen Botschafter ein.
Zuletzt hatten Frankreich wie auch zuvor Spanien die Forderung Netanjahus, die UN-Truppen aus dem Libanon abzuziehen, zurückgewiesen: „Der Schutz der Friedenstruppen ist eine Verpflichtung, die allen Parteien obliegt“, begründete das Außenministerium in einer Erklärung. Auch ein UN-Soldat des irischen Bataillons sprach sich in einem Radiointerview gegen den Abzug der UN-Truppen aus dem Libanon aus: Die Präsenz von Unifil in der Region sei „mehr denn je“ gerechtfertigt, denn Unifil seien die „Augen und Ohren der Welt“. Die UN-Truppen würden weiter über das, was wirklich im Südlibanon passiert, berichten, so Lieutenant Colonel Tom Fox.
Scholz: „Wir werden Waffen liefern“
Deutschland hält währenddessen daran fest, weiter Waffen nach Israel liefern zu wollen. Nachdem Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) vergangene Woche der Bundesregierung die Verweigerung von Waffenlieferungen vorwarf, lief Scholz kurzerhand zum Rednerpult, um klarzustellen, dass Deutschland weiter Waffen nach Israel liefern werde: „Wir haben Waffen geliefert und wir werden Waffen liefern“, so Scholz.
Seit Frühjahr 2024 ließ sich ein Rückgang deutscher Waffenlieferungen nach Israel beobachten. Nach Aussagen eines hohen Regierungsbeamten geht der Rückgang auf den juristischen und politischen Druck ausgehend von juristischen Verfahren zurück, die Deutschland vorwerfen, mit ihren Waffenexporten gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung möchte die Bundesregierung nun aber doch wieder nach Israel exportieren – zwar vorerst keine Munition, aber Ersatzteile für Hubschrauber und Panzer.
Krieg zwischen Israel und Iran immer wahrscheinlicher
Als Reaktion auf die Tötung hochrangiger Vertreter der Hisbollah, der Hamas und des Irans hat der Iran am 01. Oktober Raketen auf Israel abgefeuert, was die Spannungen zwischen Israel und dem Iran weiter verschärfte. Nach einem Treffen mit dem irakischen Außenminister Fuad Hussein am Sonntag sagte Irans Außenminister Abbas Araghchi, dass der Iran voll und ganz auf eine Kriegssituation vorbereitet sei. Der irakische Außenminister Hussein spricht sich jedoch noch gegen die Nutzung des irakischen Luftraums durch den Iran und eine Ausweitung des Kriegs aus.
Araghchi erklärte zudem vergangene Woche gegenüber dem iranischen Staatsfernsehen, dass die informellen Kontakte zwischen Iran und den USA, die über den Oman liefen, aufgrund der Lage in der Region eingestellt worden seien.
Auch Alon Liel, der frühere Direktor des israelischen Außenministeriums, sagt gegenüber Al Jazeera, man habe in Israel das Gefühl, dass der Hauptkonflikt mit dem Iran kurz bevorstehe: „Wir nähern uns dem Datum, an dem der Iran der direkte Feind sein wird – und nicht die Stellvertreter Hamas oder Hisbollah.“, so Liel.