In NRW wurden 30 Tötungsdelikte neu geprüft. Im Raum stand die Frage nach faschistischen Motiven hinter den Taten, die bei sieben Tötungsdelikten nachträglich anerkannt wurden. Doch auch zu der geringen Anzahl neu anerkannter Fälle herrscht Unzufriedenheit.
In keinem anderen Bundesland gibt es so viele Tötungsdelikte mit rechtem Motiv wie in Nordrhein-Westfalen. Doch selbst in der Statistik, die dies belegt, sind nicht alle Fälle faschistischer Taten aufgenommen. Die Projektgruppe ToreG NRW (Todesopfer rechter Gewalt in NRW) rollte insgesamt dreißig Tötungsdelikte zwischen 1984 und 2020 auf, bei denen Zweifel darüber bestanden, ob es nicht doch ein politisches Motiv gab.
Anlass dafür war ein Fall aus dem Jahr 2003, der nachträglich als politisches Tötungsdelikt anerkannt wurde. Das Landeskriminalamt NRW stellte am 3. September gemeinsam mit Innenminister Herbert Reul und den Verantwortlichen der Projektgruppe die Ergebnisse vor. Insgesamt wurden jedoch nur 7 der 30 Taten als „rechtsextrem motiviert“ eingestuft.
Schleierhafte Begründungen der Behörden
Unter den 23 „unpolitischen“ Fällen bleibt auch der von Alexandra Rousi aus Paderborn. Sie kam bei einem von einem Rassisten gelegten Brandanschlag zu Tode. Der Fall wird nicht in die Statistik rechter Tötungsdelikte aufgenommen, da der Täter selbst dabei ums Leben kam. Rousis Angehörige sind bis heute empört darüber.
Unzählige weitere Fälle weisen eindeutig faschistische Hintergründe der Taten auf. Das LKA Sachsen sieht bei ihnen allen jedoch keinen sicher belegbaren Grund, sie als eindeutig rechts motiviert einzustufen.
Viele Fälle fallen unter die sogenannte Kategorie C: weder politisches Element/Motiv eindeutig erkennbar (PMK-rechts) noch politisches Element/Motiv eindeutig abwesend (PMK-rechts). Aufgrund dessen wird von Betroffenen, NGOs und Opferinitiativen die Intransparenz der vermeintlichen Aufklärungsarbeit stark kritisiert.
Betroffene bleiben ungehört
Auch an anderen Stellen tritt hervor, wie undurchsichtig die Ermittlungsarbeit verläuft: „Als Überlebende und als Hauptzeugin habe ich bis heute über den Verlauf des Anschlags keine Aussagen gemacht. Niemand hat nach meiner Aussage gefragt. Ich habe das Urteil im letzten Jahr zum ersten Mal gelesen, was mich sehr schockiert hat“, erklärt Aynur Satır, die einen als nicht faschistisch eingestuften Brandanschlag in Duisburg 1984 überlebte, der einem rassistischem Motiv unterlag. „Es war so, als hätte unsere Geschichte als Familie keine Wichtigkeit in den Verfahren gehabt. […] Meine und die Erfahrungen und Beobachtungen meiner Familie haben die Ermittler nicht interessiert, tun es auch bis heute nicht“, berichtet die Betroffene.
Dazu muss gesagt werden, dass seit einer Gesetzesreform 2001 Strafverfolgungsbehörden explizit aufgefordert wurden, bei der Einordnung der Frage, ob es sich um politisch motivierte Taten handelt, die Betroffenen und ihre Perspektive miteinzubeziehen. Genau das wurde aber bei „Todesopfer Rechter Gewalt“ nicht getan. Dennoch schreibt das LKA NRW auf seiner Website, wie wichtig diese Arbeit für Hinterbliebene sei.
Behörden arbeiten ungenau
Fabian Reeker, Leiter der Opferberatung Rheinland, kritisiert ebenfalls die rein behördeninterne Prüfung der Fälle und lobt die Arbeitsweise, die teilweise in Berlin angewandt wurde. Dort fand die Prüfung über eine enge Zusammenarbeit von Forschungsinstituten gemeinsam mit Opferinitiativen statt. Weiter sagt er auch, dass die Intransparenz „keinen verantwortungsvollen Umgang mit der alltäglichen und tödlichen Dimension von rechter Gewalt, geschweige denn mit den Überlebenden und Angehörigen“ zeige.
Viele Menschen zweifeln also an den Behörden und ihren Statistiken. Mehr Vertrauen gibt es an dieser Stelle in die Amadeus-Antonio-Stiftung, die über 210 rechts-motivierte Morde und 16 weitere Verdachtsfälle seit der Wende zählt, während deutsche Behörden von nur 113 Fällen ausgehen.
Die mangelhafte Aufarbeitung dieser Fälle scheint allerdings kein Zufall zu sein. Dafür sprechen auch immer wieder auftauchende faschistische Netzwerke in eben diesen deutschen Behörden: In den vergangenen Jahren sorgten neben unzähligen rechten Chatgruppen bei der Polizei vor allem faschistische Terrornetzwerke wie das Kreuz-Netzwerk für Aufsehen. Auch die ungenügende Aufarbeitung der NSU-Morde wird unter anderem von rot-grünen Regierungen geschützt.