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SPD: Parteiinterner Widerstand gegen das Sicherheitspaket?!

Bereits Ende September macht ein offener Brief gegen die Asylpolitik der SPD die Runde. Nun schließen sich dutzende Abgeordnete der Kritik an. Was steckt dahinter und wie stark ist der Gegenwind gegen die Ampel? – Ein Kommentar von Janosch Weiß.

Vor etwa einem Monat hat die Bundesregierung der Ampel-Koalition das sogenannte „Sicherheitspaket” beschlossen. Dieses umfasste unter anderem die Einführung von Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums, die Verschärfung des Waffenrechts sowie ein Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen. Das Sicherheitspaket führte auch die Angriffe auf das nationale Asylrecht durch Leistungskürzungen sowie Abschiebungen an die Taliban in Afghanistan fort. Nun ist innerhalb der SPD-Fraktion des deutschen Bundestags vernehmliche Kritik laut geworden.

In einem offenen Brief haben sich 13.521 Unterzeichner:innen (Stand 10.10.2024) – darunter tausende der SPD-Parteibasis – gegen den „Diskurs der Ausgrenzung und Stigmatisierung“ gewandt, der von der eigenen Fraktion im Bundestag mitgetragen werde. Als Reaktion haben 35 SPD-Bundestagsabgeordnete, bei allem Verständnis für die Kritik an bestimmten Maßnahmen, die grundsätzliche Stoßrichtung gutgeheißen – überzeugen konnte die Antwort jedoch nicht.

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SPD-Spitze bleibt unbenommen

Bevor inhaltliche Argumente der Reaktion beleuchtet werden, ist zunächst klarzustellen, dass die Spitze der SPD unverändert an der Militarisierung nach innen festhalten wird. Erst am Mittwoch, 09.10, bezeichnete Innenministerin Faeser (SPD) das Sicherheitspaket als „innenpolitischen Meilenstein“. Ihrer Metapher ist dabei in gegensätzlicher Auslegung zuzustimmen: Das Sicherheitspaket ist kein Meilenstein für die Sicherheit und gegen Terrorismus, sondern ein Meilenstein für massive Angriffe auf die Rechte der Arbeiter:innenklasse.

Bundeskanzler Scholz (SPD) sieht sich sogar „in seinem Kurs bestärkt“ . Dabei lässt die Initiative nun wirklich keinen Interpretationsspielraum, ihren Inhalt als ein „Weiter so“ zu verstehen. Das absichtliche Missverstehen deutet jedoch darauf hin, dass sich Scholz einer weiteren inhaltlichen Auseinandersetzung entziehen will – er war nun einmal auch derjenige, der bereits vor den Attentaten in Solingen und Mannheim im großen Stil abschieben wollte.

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Dieses Festhalten an der intern kritisierten Politik wird auch daran deutlich, dass mit 35 von 207 Abgeordneten nur etwa 17 Prozent der Bundestagsfraktion der SPD Einwände gegen den Regierungskurs haben. Die 35 Unterzeichner:innen sind zu einem großen Teil in ihrer ersten Legislaturperiode Mitglied des deutschen Bundestags. Bis auf Kathrin Michel als Landesvorsitzende der SPD Sachsen bekleidet niemand von ihnen ein höheres Amt in der SPD. Viele gehören dem sogenannten linken Flügel der SPD an.

Tatsächliche Ursachen bekämpfen?

Zugleich zeigt die Antwort des Teils der Bundestagsfraktion klar, dass eine Kehrtwende in der Asyl- und Sicherheitspolitik von der Ampel-Regierung nicht zu erwarten ist. Es wird überwiegend eine Rechtsverschärfung unter dem Aspekt der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit gefordert, wobei ganz bewusst offen bleibt, wie stark die Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse ausfallen sollen.

In erwartbarer Weise schaffen es die 35 Abgeordneten gerade nicht, die „tatsächlichen Ursachen“ für solche Taten zu benennen und bekämpfen. Die Ursachen liegen eben nicht im importierten Hass, sondern in der zunehmenden gezielten Spaltung der Arbeiterklasse – als notwendiger Schritt bei der Faschisierung des deutschen Staats. Aber natürlich können diese systemimmanenten Ursachen von Staatsdiener:innen dieses Systems nicht offen benannt werden.

Insgesamt wird deshalb wohl auch ihre Antwort, die sich mit einem Teil der SPD-Basis solidarisiert, keine Kehrtwende in der hiesigen Asyl- und Sicherheitspolitik bringen. Einerseits fehlt es an deren politischer Bedeutung für die Bundesregierung, andererseits handelt es sich um eine zu kleine Anzahl von Abgeordneten, um Gesetzesvorhaben – die in diesem Fall unter Umständen auch mit Stimmen der CDU beschlossen werden – zu verhindern. Es bleibt abzuwarten, ob ein Teil der Basis dadurch entzaubert wird und erkennt, dass der Kampf gegen diese Regierungspolitik nicht in diesem System, sondern gegen dieses geführt werden muss.

Ähnlichkeiten sind in dem Projekt „#NoGroko” aus dem Jahre 2017 zu sehen, als sich Juso-Mitglieder gegen eine Große Koalition von SPD und CDU einsetzten. Trotz alledem bildete die große Koalition die Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel. Ein Nachspiel – z.B. in Form übermäßiger Austritte oder Veränderungen im Parteikurs – blieb auch damals aus.

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Janosch Weiß
Janosch Weiß
Autor bei Perspektive seit 2022. Jurist. Beschäftigt sich mit (Un-)Recht im deutschen Staat und deutscher Wirtschaft. Schreibt aus dem Rhein-Main-Gebiet.

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