In einer Verhandlung am Montag erklärte das Bundesverfassungsgericht Teile des neuen Bundeskriminalamtgesetzes als verfassungswidrig. Es widerspreche dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Nicht zum ersten Mal handelt das BKA fernab von Recht und Ordnung.
Wie am Dienstag der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entschied, ist das vor kurzem verabschiedete Gesetz für das Bundeskriminalamt (BKA) in Teilen nicht mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar. Der Entscheid des BVerfG ist das Ergebnis einer bereits 2019 eingereichten Verfassungsbeschwerde verschiedener Rechtsanwält:innen, eines politischen Aktivisten und Mitgliedern der organisierten Fußball-Fanszene. Besonders unterstützt wurde sie außerdem durch den Mainzer Sicherheitsrechtler Matthias Bäcker und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).
Bespitzeln von Kontaktpersonen verfassungswidrig
Konkret muss im Absatz zur Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten nachgebessert werden: Hier sollte das neue Gesetz im Rahmen der Terrorismusabwehr besonders eingriffsintensive Mittel erlauben. Darunter zählt unter anderem die Überwachung von Kontaktpersonen – also von Personen, gegen die nicht selbst ein Terrorismusverdacht besteht, die sich aber als sogenannte Kontaktperson in einem Näheverhältnis zum Verdächtigen befinden.
Gegen diese dürfte das BKA nach dem neuen Gesetz zum Beispiel längerfristige Observationen durchführen oder Vertrauenspersonen sowie verdeckte Ermittler einsetzen. Besonders diese Maßnahmen wurden nun vom BVerfG als verfassungswidrig erklärt. Bereits in Bezug auf tatsächliche Verdächtige sei die Eingriffsschwelle nicht verfassungsgemäß und daher erst recht nicht auf Kontaktpersonen anwendbar.
Die Speicherung personenbezogener Daten wurde durch den Ersten Senat ebenfalls begrenzt: Es fehle eine ausdifferenzierte Regelung zur Speicherdauer, außerdem sei keine hinreichende Speicherschwelle eingeführt worden. Nach dem bisherigen Gesetz hätte es ausgereicht, Beschuldigte:r zu sein, um Daten speichern zu dürfen – das ist jetzt nicht mehr zulässig.
Bestimmte Einschränkungen bleiben bestehen
Andere Teile des Gesetztes bleiben weiterhin wie geplant bestehen: Darunter fällt unter anderem das neu eingeführte Recht auf heimliche Wohnungsdurchsuchung bei Personen, denen vorgeworfen wird, einen Anschlag des internationalen Terrorismus zu planen. Auch die Befugnis für das BKA sowie die Bundespolizei und alle Polizeibehörden bleibt erlaubt, biometrische Daten von Personen mit Daten im Internet abzugleichen.
Hier werden vermutlich lediglich die oben erwähnten Kontaktpersonen ausgenommen. Für die Suche dürfen nicht nur „Lichtbilder und Fingerabdrücke“, sondern auch Identifizierungsmerkmale wie „Bewegungs-, Handlungs- oder Sprechmuster“ verwendet werden. Bis zu der Neuregelung, die spätestens am 31. Juli 2025 erfolgen muss, gelten die mit dem Grundgesetz als unvereinbar erklärten Vorschriften unter bestimmten Einschränkungen weiter.
Änderung des BKA-Gesetzes: Mehr Befugnisse, mehr Überwachung
Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigte das BKA-Gesetz noch vor kurzem in einer Verhandlung als verfassungskonform und „robust gegen Machtmissbrauch“. Es sei notwendig, dass im Rahmen der Polizeiarbeit Daten verknüpft werden könnten. Im Gesetz seien zahlreiche Prüfmechanismen vorgesehen, um die anlasslose Speicherung von Daten zu verhindern.
Wiederholung des Eklats von 2016 – illegales Handeln beim BKA ist Alltag
Im Jahr 2016 fällte das BVerfG bezogen auf das alte BKA-Gesetz ein ähnliches Urteil: Damals ging es vor allem um die Speicherung privater Daten. Die im Gesetz verankerten Möglichkeiten zur Wohnungsüberwachung, zum Telefonabhören und zur Online-Durchsuchung verstießen gegen mehrere Grundrechte. Das Innenministerium bekam bis Juli 2018 Zeit nachzubessern – bis dahin bestand ein großer Teil der beanstandeten Verordnungen vorerst weiter. Bei vielen der Nachbesserungen hielt sich der Gesetzgeber sehr eng an die Forderungen des Verfassungsgerichts, die Verbesserungen blieben minimal.
Auch das BKA selbst steht wegen mangelndem Datenschutz schon länger in der Kritik. Als im Zuge des G20-Gipfels 2017 in Hamburg etlichen Journalist:innen kurzfristig die Akkreditierungen entzogen wurden, enthüllte die Tagesschau, dass das BKA seit Jahren Millionen Datensätze zu tausenden Personen rechtswidrig und falsch speicherte. Bereits 2012 hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar festgestellt, dass die in der vom BKA angelegten und geführten Datenbank „PMK-links“ (politisch-motivierte Kriminalität – links) gespeicherten Datensätze zu 90 Prozent illegal aufbewahrt wurden.
Siebte erfolgreiche Verfassungsbeschwerde in vier Jahren
Das am Dienstag gefällte Urteil ist bereits der siebte Erfolg der Gesellschaft für Freiheitsrechte gegen ein verfassungswidriges Überwachungsgesetz seit 2020: Im Jahr 2020 hatte die GFF gegen das BND-Gesetz des Bundesverfassungsgerichts geklagt, 2022 gegen das Bayerische Verfassungsschutzgesetz, im Jahr 2023 gegen die Entscheidung zum Sicherheits- und Ordnungsgesetz der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern 2023, sowie gegen das Urteil zu Data-Mining in Hessen und Hamburg. Und auch im laufenden Jahr 2024 wurde bereits ein Erfolg gegen das hessische Verfassungsschutzgesetz erzielt.
In einer Pressemitteilung feierte das GFF seinen Erfolg gegen das Urteil, sprach aber zugleich eine Warnung aus: „Gerade liegt mit dem Sicherheitspaket erneut ein Gesetz im Bundestag, das tiefgreifende Verschärfungen im Sicherheitsrecht vorsieht – wieder einmal weit über die Grenzen des Grundgesetzes hinaus. Aus Respekt vor der Verfassung müssen diese grundrechtswidrigen Verschärfungen dringend zurückgestutzt werden – bevor es das Bundesverfassungsgericht wieder tut.”, so Bijan Moini, Verfahrensbevollmächtigter und Legal Director der Gesellschaft für Freiheitsrechte.