Zeitung für Solidarität und Widerstand

Völkermord in Wort und Tat – Die genozidalen Aussagen Israels

Heute vor einem Jahr hat Israels Verteidigungsminister eine Rede gehalten, in der er nach dem Angriff vom 7. Oktober eine „vollständige Belagerung“ des Gazastreifens forderte. Darauf folgten etliche weitere Aussagen, welche die Intentionen Israels im Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung nicht hätten klarer ausdrücken können – und trotzdem wird der Völkermord weiterhin geleugnet.

Seit mittlerweile mehr als einem Jahr hält der Genozid an der palästinensischen Bevölkerung an. Mindestens 40.000 Menschen wurden im Laufe des Krieges getötet. Mittlerweile ist es außerdem ein nicht unwahrscheinliches Szenario, dass sich der Konflikt in Westasien zu einem Mehrfrontenkrieg zwischen Israel und dem Iran mitsamt seinen verbündeten Kräften im Libanon und Jemen ausweiten könnte.

Im Laufe der vergangenen zwölf Monate traten dabei immer wieder israelische Regierungsköpfe vor die Kamera und taten offen ihre Intentionen im Krieg gegen den Gazastreifen kund. Trotz ihrer öffentlichen Aussagen und des wohl am besten dokumentierten Völkermords in der Geschichte wird der Genozid an den Palästinenser:innen von vielen Seiten noch immer geleugnet.

9. Oktober 2023: „Wir bekämpfen menschliche Tiere.“

Zwei Tage nach den palästinensischen Angriffen vom 7. Oktober meldet sich der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant erstmals öffentlich zu Wort. Nach einer Lagebeurteilung der israelischen Stadt Beer Sheva verkündete er den Medien das weitere Vorgehen der Regierung: „Ich habe eine vollständige Belagerung des Gazastreifens angeordnet. Es wird keinen Strom geben, keine Lebensmittel, keinen Treibstoff. Alles ist geschlossen.“

Am 9. Oktober setzte Israel die vollständige Blockade des Gazastreifens um: Das einzige Kraftwerk im Gazastreifen, das den Strom für über 2,2 Millionen Menschen erzeugen muss, wurde abgeschaltet. Zwar gibt es eine eigenständige palästinensische Wasserbehörde – Israel behält aber faktisch die alleinige Kontrolle über den gesamten Wasserfluss nach Gaza. Bürgerliche Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Blockade des Gazastreifens daraufhin scharf.

Amnesty International sprach von einer „kollektiven Bestrafung der Zivilbevölkerung“ und einem Kriegsverbrechen. Durch die Blockade würde sich die ohnehin katastrophale humanitäre Lage noch weiter zuspitzen. Israel nahm über 2,2 Millionen Menschen Strom, Wasser und Lebensmittel. Bomben hagelte es währenddessen weiter. Gallant rechtfertigte dieses brutale Vorgehen damit, dass es „menschliche Tiere“ seien, die sie bekämpfen und „entsprechend handeln“ würden – nur eines von unzähligen Beispielen, in denen hohe israelische Staatsvertreter den „palästinensischen Feind“ entmenschlichen und demoralisieren.

11. Oktober 2023: „Gaza wird nicht zu dem zurückkehren, was es vorher war. Wir werden alles vernichten.“

Zwei Tage später hält Gallant eine Ansage vor mehreren Soldat:innen der Israel Defense Forces (IDF), der israelischen Armee. Diese soll den Soldat:innen die Brutalität und Aggressivität im zukünftigen Vorgehen des israelischen Staates gegen das unterdrückte palästinensische Volk vor Augen führen und legitimieren.

„Gaza wird nicht zu dem zurückkehren, was es vorher war. Wir werden alles vernichten“, so in seiner Kriegsrede. Bereits damals stimmte er die Öffentlichkeit auf einen langwierigen Krieg ein. „Wenn es nicht einen Tag dauert, dauert es eine Woche, es wird Wochen oder sogar Monate dauern.“ Der Krieg hält nun bereits seit mehr als einem Jahr an.

Ein Jahr Genozid in Palästina

28. Oktober: „Der menschliche Kampf gegen die Barbarei.“

Am 27. Oktober begann Israel mit seiner Bodenoffensive im Gazastreifen. Darauf folgten eine systematische Verdrängung der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens aus dem Norden nach Khan Yunis bis hin zur südlichsten Stadt Rafah und unzählige Massaker.

Die Bombardierung von Krankenhäusern, Schulen und Flüchtlingslagern wie z.B. in Rafah, bei denen 45 Menschen an den Folgen der Offensive gestorben sind, bezeichnet Israels Premierminister Benjamin Netanyahu als „Krieg der Menschheit in seiner Gesamtheit, der menschliche Kampf gegen die Barbarei“.

Israelische Bodenoffensive: „Wir werden Gaza in eine verlassene Insel verwandeln“

18. Januar 2024: “In der Zukunft muss der israelische Staat das ganze Gebiet vom Fluss bis zum Meer kontrollieren.”

In einem Interview mit dem israelischen Nachrichtensender i24News deutet Netanyahu die bekannte Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ der palästina-solidarischen Bewegung um und propagiert damit sein Ziel eines „Großisraels”.

Seit Monaten wird diese traditionelle Parole international und insbesondere vom deutschen Staat bis aufs Schärfte kriminalisiert und mit Repressionen überzogen. Bürgerliche Medien behaupten, die Parole würde für die Auslöschung Israels oder gar jüdischen Lebens stehen. In Wahrheit wurde und wird die Parole in der Bewegung genutzt, um ein freies Palästina und Frieden im Gebiet zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer zu fordern. Dabei wird immer wieder versucht, dieser Parole einen genozidalen und vernichtenden Inhalt zu unterstellen.

„From the River to the Sea: Palestine will be free!“ – bald strafbar?

In besagtem Interview vom Januar nutzt der israelische Premierminister höchstpersönlich genau diese Parole und kehrt sie in ihr genaues Gegenteil um. Aus einer Losung, die Frieden zwischen den Völkern fordert, wird ein vermeintlicher Ruf nach einer aggressiven Expansionsfantasie: Großisrael (auch „Eretz Israel” genannt) bezeichnet dabei das geostrategische Ziel des israelischen Imperialismus, dem zufolge große Teile Westasiens historisch zum israelischen „Heimatland“ gehören würden. Großisrael würde dementsprechend – je nach politischer Strömung und Radikalität – Teile Syriens, des Iraks, der Türkei, des Libanons, Ägyptens und natürlich Palästina umfassen.

Diese Zielsetzung wurde bereits vor Jahrzehnten von Wladimir Zeev Jabotinsky – Mitbegründer der zionistisch-israelischen Staatsideologie und seiner politisch-militärischen Außenstrategie, „The Iron Wall“ – auf ideologischer Ebene propagiert und entwickelt. Aber auch in der Bibel ließe sich eine religiöse Rechtfertigung für die Expansionspläne Israels finden: „An dem Tage schloss der Herr einen Bund mit Abram und sprach: Deinen Nachkommen gebe ich dies Land von dem Strom Ägyptens an bis an den großen Strom, den Euphrat“.

Solidarität von Verbündeten Israels und das Urteil des IGH

Verbündete von Israel betonen immer wieder, dass sie an seiner Seite stehen werden: So Olaf Scholz im Oktober 2023, als er betonte, dass „die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist“. Auch nach einem Jahr Völkermord betont wiederholt er: „Wir stehen an eurer Seite“. Oder Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten, Kamala Harris, die stellvertretend für den US-amerikanischen Imperialismus versichert, dass sie immer für das „Selbstverteidigungsrecht“ Israels einstehe und sicherstellen werde, dass Israel dieses auch wahrnehmen könne – selbst nach bewiesenen 40.000 toten Palästinenser:innen.

Währenddessen macht sich Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA und erneuter Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im November, lieber Gedanken über eine zweite Monaco-Oase für Superreiche im Gazastreifen, als über die Lage der Palästinenser:innen vor Ort.

Einige wenige bürgerliche Institutionen sprechen sich jedoch deutlich gegen den Völkermord aus und erkennen ihn als solchen an: So zum Beispiel der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Ende Dezember hatte Südafrika Israel vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Berufung auf die sogenannte Völkermordkonvention von 1948 wegen ebensolchen Völkermords an Palästinenser:innen im Gazastreifen angeklagt. Der Internationale Gerichtshof ist der höchste Gerichtshof der Vereinten Nationen (UN) und entscheidet in Streitfragen zwischen Mitgliedsstaaten.

Israel vor Gericht: Hoffnung für Palästina?

Der IGH hat zwar der Klage Südafrikas recht gegeben und sechs Sofortmaßnahmen angeordnet: darunter die Sicherstellung der Versorgung der Zivilbevölkerung, das Verhindern der „direkten und öffentlichen Aufstachelung zum Völkermord“ und das Ergreifen von Maßnahmen, um einen Genozid zu verhindern. Seit diesem Urteil sind jedoch weitere 11.000 Palästinenser:innen ermordet wurden, und Israel hat sich an keine der aufstellten Regeln gehalten. Das Urteil des Internationale Gerichtshofs war also nichts weiter als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Medien vertuschen grausame Realität

In einer umfangreichen Analyse von The Intercept wird davon resümiert, dass verschiedene US-amerikanische News outlets wie die New York Times, die Washington Post oder die Los Angeles Times in ihrer Berichterstattung über die Ereignisse in Gaza eine „konsequente Voreingenommenheit gegenüber Palästinenser:innen“ zeigten.

So wird in der Berichterstattung viel öfter von israelischen Opfern berichtet als von palästinensischen, obwohl nach aktuellem Stand 41.802 Palästinenser:innen und 1.706 Israelis, davon 373 militärisches Personal, gestorben sind. Israelische Opfer werden statistisch gesehen 16-mal so oft erwähnt, wie palästinensische Opfer.

Hinzu kommt eine hoch emotionalisierende Sprache: So werden Wörter wie „slaughter“ (schlachten), „massacre“ (massakrieren) und „horrific“ (schrecklich) fast ausschließlich für israelische Opfer benutzt. Die Kriegsverbrechen am palästinensischen Volk werden durchgehend nicht als ein Resultat von bewusstem Handeln oder Entscheidungen seitens der israelischen Regierung bezeichnet, sondern immer in passiver Form ausgedrückt.

Diese internen Sprachregelungenn beschränken sich aber keineswegs auf US-amerikanische Medien. So wurden exakt diese Anweisungen von der App upday an ihre Redakteur:innen ausgegeben. Bei upday handelt es sich um eine App, die europaweit in 30 Ländern von Millionen Menschen als Nachrichtenquelle genutzt wird und Teil des deutschen Mediengiganten Axel Springer-Verlag ist.

Gute Opfer, schlechte Opfer: Kriegsberichterstattung im Hause Springer

Zum Axel Springer-Konzern gehören zum Beispiel die Zeitungen BILD und WELT. In ihren Artikeln wird regelmäßig von „Juden-Hass-Demos“ oder „Terror-Anhängern“ gesprochen, die „Morde in Israel“ bejubeln würden. Gemeint sind dabei eigentlich pro-palästinensische Proteste – nicht wenige mit der Unterstützung von Jüd:innen selbst.

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