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Welthandel: Russland will eigenes BRICS-Zahlungssystem

Moskau will den Handel zwischen den BRICS-Staaten unabhängiger vom US-Dollar machen. Hintergrund sind die westlichen Sanktionen gegen Russland infolge des Ukraine-Kriegs. Eine Ablösung des US-Dollars als führende Weltwährung wird seit Jahren diskutiert, ist aber bislang nicht in Sicht.

Mit einer neuen Initiative will Russland den Handel mit seinen Partnerländern unabhängiger vom US-Dollar machen. Wie Bloomberg berichtet, plant Moskau die Etablierung eines „Multiwährungssystems“, zusammen mit den BRICS-Staaten. Zu der 2006 gegründeten Vereinigung gehören heute Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika, Ägypten, Äthiopien, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Konkret geht es darum, ein Netzwerk aus Geschäftsbanken aufzubauen, das grenzüberschreitende Zahlungen abwickeln kann, ohne dabei auf das etablierte internationale Finanzsystem zurückgreifen zu müssen. Dafür sollen zudem direkte Verbindungen zwischen den Zentralbanken der BRICS-Länder aufgebaut und Hauptorte für den wechselseitigen Handel mit Rohstoffen wie Öl, Erdgas, Getreide und Gold geschaffen werden. Ebenso beinhaltet der russische Vorschlag die Nutzung sogenannter „Distributed-Ledger”-Technologienalso Datenbanken, gefüttert durch flexible Aufzeichnungssysteme in einem Netzwerk von Computern an verschiedenen Standorten – ähnlich der „Blockchain” für die Sicherung des Zahlungsverkehrs.

Antwort auf westliche Sanktionen

Das alternative Zahlungssystem solle „seine Teilnehmer vor jeglichem Druck von außen, wie z.B. extraterritorialen Sanktionen, schützen“, heißt es dazu in einem gemeinsamen Bericht des russischen Finanzministeriums, der Zentralbank von Russland und der Beratungsfirma „Yakov & Partners” aus Moskau. Die Veröffentlichung des Berichts erfolgte kurz vor dem jährlichen BRICS-Gipfel, der vom 22. bis 24. Oktober im russischen Kasan stattfinden wird.

Anlass für den russischen Vorstoß sind die Sanktionen, welche die westlichen Länder seit Beginn des Ukraine-Krieges gegen das Land verhängt haben. Die USA und ihre Verbündeten froren die Auslandsguthaben Russlands ein und schlossen zahlreiche russische Banken vom Finanzkommunikationssystem SWIFT aus, das für die Abwicklung internationaler Zahlungen verwendet wird.

Das Bruttoinlandsprodukt sagt nichts über die tatsächliche „Wirtschaftsleistung” aus

USA dominieren Weltfinanzsystem

Damit spielten die USA ihre überdimensionale Machtstellung im Weltfinanzsystem aus: Der US-Dollar ist nach wie vor mit großem Abstand die wichtigste Reservewährung der Welt. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) beträgt der Anteil des Dollar an den offiziell erfassten Währungsreserven der Zentralbanken rund 60 Prozent, gefolgt vom Euro mit 20 Prozent. Nach Angaben des Thinktanks „Brookings” wird die US-Währung noch immer bei 54 Prozent aller Außenhandelsrechnungen und bei 58 Prozent aller internationalen Zahlungen verwendet (ausgenommen Zahlungen innerhalb des Euro-Raums).

Obwohl diese Anteile gegenüber früheren Zeiten abgenommen haben — 1977 lag der Dollaranteil an den globalen Währungsreserven noch bei 85 Prozent — ist eine Entthronung des US-Dollars als führende Währung der Welt derzeit nicht in Sicht. China rückt den USA zwar hinsichtlich des jährlichen Bruttoinlandsprodukts auf die Pelle. Der chinesische Yuan macht heute aber nicht einmal 3 Prozent der weltweiten Währungsreserven aus und wird nur bei 7 Prozent der internationalen Währungstransaktionen genutzt.

Um daran etwas zu ändern, müsste China zunächst den freien Handel mit seiner Währung erlauben. Bislang schirmt das Land den Yuan aber durch strikte Kapitalverkehrskontrollen vor dem Weltmarkt ab — einfach, um die Kontrolle darüber zu behalten, wie viel ausländisches Geld in die eigene Wirtschaft hinein- und wieder herausfließen kann, um so der wirtschaftlichen Macht des Westens keine Angriffsflächen zu bieten.

Versuche, den bilateralen Handel mit Partnerländern in Yuan abzuwickeln, unternimmt China zwar, aber immer noch mit großer Vorsicht: Seit 2018 sind etwa Ölgeschäfte in Yuan möglich. Russland verkauft seit Kriegsbeginn 2022 bereits 90 Prozent seines Öls in Alternativ-Währungen wie dem chinesischen Yuan und indischen Rupien und wickelt seinen Handel mit dem Iran heute sogar komplett dollarfrei ab. Die Handelsrestriktionen mit Yuan und auch Rupien bringen dem Land aber neue Probleme, denn sie machen es schwerer, die Währungen auf dem Weltmarkt wieder loszuwerden.

Auch ungeachtet dieser Bewegungen ist das sogenannte Petrodollar-System nicht ernsthaft in Gefahr: Bei 80 Prozent aller globalen Ölgeschäfte gehen weiter Dollars über den Ladentisch.

Wirtschaftskrieg zwischen USA und China verschärft sich weiter

Kein Ende der Dollarherrschaft in Sicht

In einer kürzlich erschienenen Analyse stellten die Ökonomen Menzie D. Chinn, Jeffrey A. Frankel und Hiro Ito deshalb kürzlich fest, dass der Dollar „die Nummer eins“ bleibe, „nicht nur mit Blick auf die Währungsreserven, aber auch als Fakturierungswährung im Welthandel, als Währung für internationale Schulden und Anleihen, als Währung im Devisenhandel und für globale Zahlungen“.

Man könnte hinzufügen: Kein Land und kein Währungsraum wie die Eurozone hat bislang eine realistische Aussicht darauf, die USA als führende Weltfinanzmacht wirklich herauszufordern. Damit ist die Situation eine andere als im 20. Jahrhundert, als der US-Dollar noch heranwuchs und das britische Pfund als führende Weltwährung schließlich stürzte. Auch die meisten BRICS-Staaten scheinen bislang wenig geneigt, ihren Zugang zum dollarbasierten Finanzsystem riskieren zu wollen.

Der relativ komplizierte Vorschlag für eine alternative Zahlungsabwicklung, den Russland jetzt ausgetüftelt hat, spiegelt diese globale Machtsituation wider.

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