Deutschland, Ungarn, Niederlande, Italien, Polen, Frankreich – die Liste der Länder, die in den letzten Monaten ihr Asylrecht verschärft haben oder weitere Verschärfungen planen, ist lang. Wie lange wird es das Recht auf Asyl in Europa noch geben?
Nicht nur die deutsche Ampelregierung, sondern auch die Regierungen einer ganzen Reihe anderer europäischer Staaten beschneiden aktuell das Asylrecht massiv. Polens Regierungschef Donald Tusk will es nun gar vorübergehend aussetzen. Der polnische Staat habe die Kontrolle darüber verloren, wer in das Land einreist, so Tusk.
Tusk setzte sich mit seiner Bürgerkoalition bei den polnischen Parlamentswahlen im Oktober 2023 gegen die rechte PiS-Partei durch und regiert das Land seitdem. Für viele in Deutschland schien der Wahlsieg Tusks eher eine Entwicklung nach links zu sein, weg von der rechtsradikalen PiS-Partei,. Stattdessen beweist Polens neue Regierung das, was sich auch in Deutschland und dem Rest der EU beobachten lässt.
Während immer mehr rechte und faschistische Parteien und Politiker:innen an Aufschwung gewinnen und wie in den Niederlanden oder Italien die Regierungen bilden, zieht der Rest nach. Parteien, die sich gerne als progressiv und „Mitte der Gesellschaft“ profilieren, setzen wie Tusk genau die Politik durch, die von faschistischen Parteien seit langem gefordert wird.
Neues Einwanderungsgesetz für Frankreich
Auch in Frankreich wird an einer Verschärfung des Asylrechts gearbeitet: Konkret soll die mögliche Haftzeit für ohne Papiere eingereiste Migrant:innen von 90 Tagen auf 210 Tage erhöht, also mehr als verdoppelt werden.
Erst vor einem Jahr hatte die französische Regierung eine Verschärfung des bereits bestehenden Einwanderungsgesetzes verabschiedet, die in Frankreich hart umstritten war. Auch in seinem eigenen Lager traf Präsident Macron damit auf Widerstand.
Die Entwicklungen in Frankreich und Polen reihen sich ein in eine scheinbar nicht endende Angriffswelle auf das Asylrecht, die mit den Grenzschließungen und Gesetzesverschärfungen der BRD erneuten Aufschwung erhielt.
Nicht erst seit Solingen – Die Kontinuität der Asylrechtsverschärfungen in der BRD
Der EU-Gipfel
Zeitgleich wird auch in Brüssel über Geflüchtete und Asyl diskutiert. Dabei geht es auf dem EU-Gipfel weniger darum, ob die Asyl- und Migrationsgesetze verschärft werden sollen, sondern darum, wie man diesen Kurs konkret in die Praxis umsetzt. Während Ungarn und die Niederlande es vorziehen würden, gleich komplett aus den EU-Regelungen auszusteigen, entwickeln sich in anderen EU-Staaten unterschiedliche Modelle, um die rassistische Asylpolitik auch Realität werden zu lassen.
Deutschland schließt seine Grenzen, Polen will das Asylrecht „aussetzen“ und Italien setzt auf Abschiebegefängnisse in Albanien. Dort sollen Asylanträge bearbeitet und über das Mittelmeer gereiste Geflüchtete kaserniert werden, um so schon über ihre Abschiebung zu entscheiden, bevor sie Italien überhaupt erreichen.
Kommissionspräsidentin von der Leyen erwähnte dieses Umgehen des europäischen Asylrechts in einem Brief an die EU-Mitgliedstaaten als Praxisbeispiel, aus dem man Lehren ziehen könne. Wie diese „Lehren” aussehen sollen, bleibt unklar.
Sicher ist hingegen, dass die EU-Kommission die Abschiebung von Geflüchteten mit einem neuen Gesetz vereinheitlichen will. Damit soll verhindert werden, dass in einem Land abgelehnte Asylbewerber:innen sich weiterhin in einem anderen EU-Land aufhalten dürfen. Ob der Gipfel aber konkrete Ergebnisse liefern wird, bleibt abzuwarten.