Zeitung für Solidarität und Widerstand

Wirtschaftskrise, Koalitionskrise: Neuwahlen? Besser?

Jede der Parteien der Ampel-Regierung stellt ihr eigenes Konzept zur Stärkung der kriselnden deutschen Wirtschaft vor, um sich zu profilieren. Die anstehenden Haushaltsberatungen könnten bereits den Koalitionsbruch bringen.

Die Differenzen in der Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen treten immer deutlicher zu Tage. Der jüngste Höhepunkt dieser Krise zeigte sich in den verschiedenen Wirtschaftsinitiativen der Spitzenvertreter dieser Parteien.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lud zum sogenannten „Industriegipfel“. Geladen waren Wirtschaftsverbände wie der BDI, die größten deutschen Industrien VW, Bosch & Co. sowie Gewerkschaften wie der DGB. Nach drei Stunden wurde vom Kanzler verkündet, dass ein „Pakt für die Industrie“ neuen Schwung für die Wirtschaft bringen soll. Damit seien Maßnahmen gemeint, um den Industriestandort Deutschland zu stärken und zu modernisieren.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) veranstaltete parallel einen „Mittelstandsgipfel“. Hierzu lud der FDP-Vorsitzende fünf Wirtschaftsverbände in das Kaminzimmer des Bundestages. Der Gipfel fand am gleichen Tag und nur ein paar Stunden früher als der des Regierungschefs statt. Bereits seit einigen Wochen spricht die FDP vom „Herbst der Entscheidungen“. Mit einem Koalitionsbruch könnte sie sich gegen die eigene Regierungskoalition wenden, um somit bei den folgenden Neuwahlen bei den Wähler:innen punkten zu können. Nur noch drei Prozent der deutschen Bevölkerung hält die Ampel-Koalition derzeit für unterstützenswert.

Der Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) nahm an der Gipfelkonkurrenz nicht teil. Er ist momentan im Urlaub. Er legte seinerseits bereits vor einer Woche seine Initiative für einen Deutschlandfond vor, nachdem er vom Plan des Kanzlers erfahren hatte, die Wirtschaftsfrage zur Chefsache zu machen. Habeck zufolge sollen die Unternehmen über staatliche Steuergeschenke angeregt werden. Weder der Finanzminister noch der Wirtschaftsminister waren zum Industriegipfel der größten deutschen Unternehmen geladen. Auch das nächste „Gipfeltreffen“ soll laut dem Kanzler ohne die Minister von FDP und den Grünen stattfinden.

„Deutschlandfond“ oder Steuersenkungen?

Wirtschaftskrise und prekäre Haushaltslage

Drei Politiker, drei Parteien, drei Initiativen für die Verbesserung der Wirtschaftsentwicklung in der BRD. Diese Parallelität der Ereignisse fällt nicht einfach so vom Himmel. Sie resultiert vielmehr aus der bedenklichen ökonomischen Situation, in der sich die Bundesrepublik momentan befindet. Das BIP entwickelt sich rückläufig oder minimal positiv. Diese Wachstumsschwäche wird sich auf kurz oder lang natürlich auch auf die Höhe der Arbeitslosigkeit auswirken. Einige Unternehmen haben bereits Stellenabbauprogramme angekündigt. Zuletzt sorgte VW mit der Ankündigung, drei Werke in der BRD schließen zu wollen, für großes Aufsehen.

VW: Drohende Werksschließungen als Verhandlungsmasse?

Diese Wirtschaftslage wirkt sich zukünftig auch auf die Staatsfinanzen aus. Der Arbeitskreis Steuerschätzung korrigierte die Einnahmeerwartungen für das kommende Jahr nach unten. Damit bahnt sich für die abschließenden Haushaltberatungen für 2025 im Herbst dieses Jahres die große Entscheidung über Wohl oder Wehe der Ampelregierung an. Die Koalitionäre haben über die Prioritäten des Etats weit auseinanderliegende Vorstellungen. Nur bei der monetären Untermauerung der Kriegstüchtigkeit besteht mehr oder weniger Einigkeit.

Es ist also nicht klar, ob die Ampel-Koalition das Jahresende noch erleben und ob die Bundestagswahl regulär im September 2025 stattfinden wird. Schon vorher könnten Neuwahlen anstehen. Sollte es dazu kommen, dann bekäme den aktuellen Wahlumfragen zufolge die CDU ca. 30 %, die SPD 15 %, die Grünen 11 %, die AfD 19 %, das BSW 9 %. Die FDP sowie die Linke würden Stand jetzt an der 5 %-Hürde scheitern.

Am 14. November, wenige Tage nach der US-Wahl und einen Tag vor dem Grünen-Parteitag, findet die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses statt. Meist geht diese Sitzung bis weit nach Mitternacht und es werden die letzten und strittigsten Fragen im Haushaltsentwurf geklärt. Bis dahin müsste die Ampel alles geklärt haben. Ansonsten könnten noch im Winter Neuwahlen auf uns zukommen, die ähnlich wie die letzten Jahre wenig Aussicht auf Besserung für die Arbeiter:innenklasse verspricht.

Antikapitalistische Wahlanalyse: Die Parteien werden sich auf eine Koalition gegen uns einigen können

 

Perspektive Online
Perspektive Onlinehttp://www.perspektive-online.net
Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

Mehr lesen

Perspektive Online
direkt auf dein Handy!