Zeitung für Solidarität und Widerstand

„Wish for a Baby“-Messe in Köln: Kinderwunsch auf dem Rücken der Ärmsten

Dieses Wochenende findet in Köln erneut die sogenannte Kinderwunschmesse „Wish for a Baby“ statt. Als Informationsplattform getarnt, ist diese Messe vor allem eine Veranstaltung für Werbung und Lobbyarbeit durch Unternehmen. Neben Behandlungsmöglichkeiten für Unfruchtbarkeit werden dort kommerzielle Leihmutterschaft und der Kauf von Eizellen beworben – zwei Praktiken, die in Deutschland bislang illegal sind. – Ein Gastkommentar von Isa Wynn.

Süße Kleinkinder und glückliche Paare – diese Bilder sind Blickfänger auf den Werbetafeln und der Website der Messe „Wish for a Baby Köln“. Unter dem Motto „Wo Träume auf Möglichkeiten stoßen“ werden online zahlreiche Aussteller und Seminarangebote gelistet, die für die Besucher:innen der Messe allesamt kostenlos sind. Die meisten Aussteller sowie Anbieter von Seminaren sind ausländische Unternehmen, vor allem aus den USA und anderen EU-Staaten.

Die Messe spricht auf ihrer Startseite neben Hetero-Paaren und Singles auch direkt schwule und lesbische Paare an. Sie wirbt mit einem „Regenbogen-Seminarraum“, in dem Veranstaltungen stattfinden, die sich ganz oder teilweise an “LGBTQ+”-Personen mit Kinderwunsch richten.

Beworben werden zum einen Methoden und Kliniken zu Fruchtbarkeitsbehandlungen und künstlicher Befruchtung (IVF) – darunter insbesondere Angebote, die mit hohen Kosten verbunden sind, die nicht durch die Krankenkassen getragen werden.

Eizellspende im Fokus

Zum anderen fällt die Masse an Angeboten auf, die sich um kommerzielle Leihmutterschaft und sogenannte „Eizellspende“ drehen. So finden sich etwa 20 ausstellende Unternehmen – Privatkliniken und Agenturen –, die die Vermittlung von Leihmutterschaft und den Kauf und Verkauf von Eizellen betreiben. Die Hälfte davon hat ihren Sitz in den USA. Weitere Unternehmen sitzen unter anderem in der Ukraine, auf Zypern oder in Israel.

Ebenfalls befassen sich mindestens 20 Seminare – ungefähr die Hälfte der Angebote –  mit  diesen beiden Themen. So gibt es beispielsweise die „Gesprächsrunde Leihmutterschaft in verschiedenen Ländern“, geführt ausschließlich von Vertreter:innen verschiedener Leihmutterschafts-Agenturen und auf Leihmutterschaft spezialisierten Kanzleien. Auch das Seminar „Leihmutterschaft in den USA und rechtliche Aspekte für deutsche Staatsbürger“ wird von einem Unternehmen und einer spezialisierten Kanzlei angeboten.

Diese Zusammenarbeit von Unternehmen und Anwält:innen ist besonders vor dem Hintergrund auffällig, dass sowohl Leihmutterschaft als auch fast jede Form der „Eizellspende“ in Deutschland aktuell noch verboten sind. Im Ausland anerkannte Elternschaften, die auf diesen Wegen entstanden sind, werden in der BRD jedoch anerkannt und nicht kriminalisiert.

Von Beginn an umstritten

Bereits 2017, als die Messe in Berlin unter dem Namen „Kinderwunsch Tage“ startete, übte der Berufsverband der Frauenärzte Kritik an ihrem kommerziellen statt aufklärenden Charakter. Im März letzten Jahres richtete die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes in einem offenen Brief an den Veranstalter eine ähnliche Kritik und fügte hinzu, dass die negativen Seiten von Leihmutterschaft und sogenannter Eizellspende nicht beleuchtet würden. Dabei würden vor allem „von sozialer Ungleichheit“ betroffene Frauen ausgebeutet, während Agenturen und Kliniken enorme Profite machten.

Größere fortschrittliche Proteste gegen die Kinderwunschmesse vor Ort gibt es bisher nicht. Lediglich die Initiative „Lasst Frauen sprechen“, hat letztes Jahr in Köln vor dem Veranstaltungsort demonstriert. Die sich selbst als „radikalfeministisch“ verstehende Initiative setzt sich darüber hinaus gegen die Anerkennung von Transfrauen als Frauen ein.

Leihmutterschaft: Ausbeutung des Körpers

Auch deswegen ist es wichtig, eine eigene Kritik an der „Kinderwunschmesse“ als Werbe- und Lobbyveranstaltung zur Frauenausbeutung zu üben. Denn um nichts anderes als Frauenausbeutung handelt es sich sowohl bei Leihmutterschaft, als auch beim Kauf und Verkauf von Eizellen.

Kommerzielle Leihmutterschaft bedeutet, gegen Bezahlung eine Schwangerschaft auszutragen und das so geborene Kind an die Auftraggebenden abzugeben. Mit Vorbereitung, Schwangerschaft und Nachsorge handelt es sich hierbei um einen Prozess, dessen körperliche Auswirkungen sich über mehr als ein Jahr erstrecken. Die Schwangerschaft wird über künstliche Befruchtung erzeugt, indem ein Embryo eingesetzt wird. Eizellen und Spermien, mit denen der Embryo hierfür gezeugt wird, stammen entweder von den Auftraggebenden oder sind ebenfalls gekauft oder gespendet.

Für die Leihmutter bestehen daher mindestens die körperlichen und mentalen Risiken und Auswirkungen, die eine künstliche Befruchtung und Schwangerschaft generell mit sich bringen: Hormonelle Veränderungen, Anpassung des Lebensstils, Übelkeit, Müdigkeit, starke Veränderung des Körpers, Schmerzen vor, während und nach der Geburt, psychische Veränderungen. Dazu kommen mögliche Komplikationen wie Schwangerschaftsdiabetes, Präeklampsie (Krampfanfälle aufgrund vermehrter Eiweißausscheidung), Geburtskomplikationen bis hin zum Tod. Bei Leihmutterschaften ist das Risiko von Schwangerschaftskomplikationen zudem erhöht.

Die Kriterien, nach denen Agenturen Bewerberinnen auswählen, sollen eine erfolgreiche Schwangerschaft sicherstellen – nicht zum Schutz der schwangeren Frauen, sondern für ein erfolgreiches Geschäft. Ein häufiges Kriterium ist, dass die Frau bereits eine „erfolgreiche” Schwangerschaft vorzuweisen hat. Das bedeutet also, dass in dieser Industrie gezielt die Leihmütter ausgebeutet und hohen körperlichen Risiken ausgesetzt werden.

In den Verträgen zwischen Leihmutter, Agentur und Auftraggebenden werden die Abgabe des Babys, die Bezahlung und die zusätzliche Kostenübernahme von bspw. medizinischen Behandlungen geregelt. Häufig kommen dazu noch vertragliche Regelungen, die den Auftraggebenden Kontrolle über das Verhalten und den Körper der Leihmutter geben, wie Verbote bestimmter Sportarten, Ernährungsvorschriften oder die Durchführung der Geburt per Kaiserschnitt.

Kommerzielle Eizellspende

Der Begriff der kommerziellen Eizellspende ist irreführend, da es sich gerade nicht um eine Spende handelt, sondern um den Kauf und Verkauf von Eizellen, also von Teilen menschlicher Organe. Auch die angeblich „nicht kommerzielle” Eizellspende geht teils mit einer hohen finanziellen Aufwandsentschädigung einher.

Diese Prozedur unterscheidet sich stark von der Samenspende, denn letztere ist ein nicht-invasiver, schmerzloser Eingriff, der keine Vor- oder Nachbehandlung erfordert. Die Entnahme von Eizellen dagegen erfordert eine hormonelle Vorbehandlung, konkret das regelmäßige Spritzen von Hormonen. So reifen mehrere Eizellen gleichzeitig anstelle von nur einer pro Zyklus. Das hat Auswirkungen auf den gesamten Körper und die Psyche der Frau: unter anderem kann die Behandlung zu Schmerzen, psychischen Problemen und Unfruchtbarkeit führen. Die Entnahme der Eizellen erfolgt invasiv, oft unter lokaler Betäubung. Nach dem Eingriff kann es durch den Wegfall der Hormonbehandlung weiterhin zu körperlichen und psychischen Symptomen kommen.

In beiden Fällen handelt es sich um reproduktive Ausbeutung von Frauen. Der Körper der Frau und ihre Reproduktionsorgane werden zur Ware und unter Fremdkontrolle gestellt. Dabei erhalten die Frauen, die gegen Bezahlung eine Schwangerschaft austragen oder ihre Eizellen verkaufen, nur einen Bruchteil der Bezahlung durch die Auftraggebenden. So erhält eine erstmalige Leihmutter in den USA durchschnittlich umgerechnet 41.000 bis 50.000€ – in Indien, wo Leihmutterschaft mittlerweile verboten wurde, nur umgerechnet 9.000 bis 15.000€. Für die Ukraine finden sich Berichte von 13.000 bis zu 22.000€.

Auftraggebenden wird empfohlen, für die Inanspruchnahme von Leihmutterschaft in den USA über umgerechnet 90.000 Euro einzuplanen, in der Ukraine sei dies für 30.000 Euro möglich. Ein Großteil dieses Geldes fließt demnach an die vermittelnden Agenturen und privaten Kliniken. Die „Fruchtbarkeitsindustrie“ (fertility industry), darunter auch Leihmutterschaft, ist in erster Linie ein Milliardengeschäft. Und dieses Geschäft soll auch in Deutschland immer populärer gemacht werden.

Unternehmensinteressen über Frauenrechte

Dafür dient die Kinderwunschmesse als Plattform. Die Perspektive der ausgebeuteten Frauen hat dabei keinen Platz. Neben der Werbung für bereits interessierte Kundschaft betreiben die ausstellenden Unternehmen gemeinsam mit Interessensverbänden wie dem „Verein zur Förderung der Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland e.V.“ dort auch Lobbyarbeit.

Da Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland bislang verboten sind, stehen Unternehmen und Auftraggeber hier noch vor der Hürde, die Zustimmung der Bevölkerung für diese Praktiken zu gewinnen. Dafür wird insbesondere Leihmutterschaft als Gewinn für alle Beteiligten sowie als Mittel zur Gleichberechtigung von homosexuellen Paaren dargestellt – eine Form von „Pinkwashing”.

Leihmutterschaft wird überwiegend von heterosexuellen Paaren in Anspruch genommen, die entweder unfruchtbar sind oder bei denen sich die Frau nicht selbst einer Schwangerschaft aussetzen will. In den letzten Jahren ist ein Anstieg der öffentlichen Nutzung von Leihmutterschaft unter Hollywoodstars zu beobachten. Der Anteil von homosexuellen Paaren oder einzelnen Personen, die Leihmutterschaft nutzen, ist gering, aber vorhanden. Dieser geringe Anteil wird von rechten Organisationen instrumentalisiert. Eine rechte Kritik an Leihmutterschaft ist daher auch meist queerfeindlich motiviert.

Eine fortschrittliche Kritik wird dadurch jedoch nicht entkräftet. Denn unabhängig von ihrer Sexualität haben Menschen, die Leihmutterschaft in Anspruch nehmen, eine Gemeinsamkeit: sie sind Teil oder Kompliz:innen der ausbeutenden Klasse. Sie sind reich genug, ihre Reproduktion an ärmere Frauen auszulagern – oft migrantische Frauen oder Frauen aus dem globalen Süden.

Sozialistische Familienpolitik

Reproduktive Ausbeutung von Frauen ist kein Mittel zur Befreiung von LGBTI+-Personen, besonders nicht von denen der Arbeiter:innenklasse. Lesbische oder bisexuelle Frauen beispielsweise, die aus finanzieller Not ihre Eizellen verkaufen oder Leihmütter werden, spielen für die Beteiligten der Kinderwunschmesse keine Rolle. Genauso wenig all diejenigen Menschen, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben, sich aber teure Fruchtbarkeitsbehandlungen nicht leisten können.

Menschen der Arbeiter:innenklasse – ob sie, unabhängig von ihrer Sexualität, einen unerfüllten Kinderwunsch haben oder bereits Eltern sind und insbesondere Frauen – würden viel eher von einer sozialistischen Familienpolitik profitieren: vom Aufbrechen der taditionellen Kleinfamilie. Von einer Kollektivierung von Reproduktionsarbeit statt ihrer Abwälzung nach unten auf die Ärmsten. Von einer grundsätzlichen Veränderung der Vorstellungen, wie man zusammenlebt und wie und mit wem man Kinder beim Aufwachsen begleitet.

Diese Perspektive wird uns eine Messe von und für Kapitalist:innen nicht bieten, genauso wenig wie die Mittel, um sie zu verwirklichen. Beides müssen wir uns selbst verschaffen.

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