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Zeitung für Solidarität und Widerstand

25 Jahre „Trans Day of Remembrance”: Angriffe zurückschlagen!

Am 20. November wird weltweit Opfern transfeindlicher Gewalt gedacht. Patriarchale Gewalt und Unterdrückung prägen noch immer das Leben vieler trans Personen. Gerade Faschist:innen finden in ihnen einen neuen Sündenbock für ihre reaktionäre Politik. Doch keine Regierung und kein Gesetz wird uns befreien: Das müssen wir selbst tun! – Ein Kommentar von Luis Tetteritzsch.

Der „Transgender Day of Remembrance” oder „Tag gegen transfeindliche Gewalt” wird heute zum 25. Mal begangen. Er geht auf die Initiative von drei US-Aktivist:innen zurück. Der Mord an den zwei schwarzen transgeschlechtlichen Frauen, Chanelle Pickett und Rita Hester, Ende der 1990er in den USA wurde weder aufgeklärt noch groß darüber berichtet.

Das nahmen Gwendolyn Ann Smith, Nancy Nangeroni und Jahaira DeAlto als Anlass, den Transgender Day of Remembrance ins Leben zu rufen, um auf transfeindliche Gewalt und ihre Opfern aufmerksam zu machen. Auch heute wird dieser Tag noch genutzt, um die anhaltende Unterdrückung von transgeschlechtlichen Personen im Kapitalismus ins Tageslicht zu rücken und die Verstrickungen dieses Systems mit dem Patriarchat aufzuzeigen.

Anstieg transfeindlicher und patriarchaler Gewalt

Gewalt ist ein alltäglicher Begleiter in diesem System. So wurden laut der Initiative Trans Murder Monitoring insgesamt 244 Todesfälle von transgeschlechtlichen Personen weltweit seit Januar 2024 festgestellt. Auch das Bundeministerium des Innern und für Heimat (BMI) berichtet von 854 dokumentierten Fällen transfeindlicher Übergriffe im Jahr 2023 allein in Deutschland. Bei 82 dieser Übergriffe handelt es sich um Gewalttaten. Im Vergleich zu 2022 sind damit Übergriffe mit transfeindlicher Motivation um fast 105 Prozent angestiegen.

Damit setzt sich der Trend der letzten Jahre fort, dass patriarchale Gewalt weltweit und auch in Deutschland rasant zunimmt. Waren es letztes Jahr noch alle drei Tage, dass eine Frau in Deutschland aufgrund ihres Geschlechts umgebracht wird, musste diese Statistik innerhalb der letzten Monate gleich zwei Mal korrigiert werden.

Laut neuesten Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) wurden 2023 insgesamt 360 Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts umgebracht. Damit findet mittlerweile fast jeden Tag ein Femizid in Deutschland statt. Die Dunkelziffer dürfte hier noch weitaus höher sein. Selbes gilt für Fälle transfeindlicher Gewalt und Morde. Denn hierzu gibt es fast kaum erfasste Daten und Statistiken.

An den zur Verfügung stehenden Daten lässt sich jedoch erkennen, dass 94 Prozent der weltweit durch transfeindliche Gewalt Ermordeten Personen waren, die sich selbst als weiblich identifiziert oder von der Gesellschaft und ihren Tätern als solche wahrgenommen wurden. Das betont noch einmal umso mehr die Notwendigkeit, die Kämpfe gegen Gewalt an Frauen und gegen Gewalt an trans Personen nicht isoliert voneinander zu betrachten, sondern sie zusammenzuführen.

Feindbild der Faschist:innen

LGBTI+ und insbesondere transgeschlechtliche Personen sind dieses Jahr vor allem in den Fokus der Faschist:innen gerückt. Gewissermaßen ist es neu, dass in diesem Jahr wieder faschistische Jugendliche in Baseballschlägerjahre-Optik in ganz Deutschland aufmarschierten und ihre faschistische Ideologie auf die Straßen trugen.

Zu den diesjährigen Christopher Street Days, der deutschen Version der „Pride-Parades“ aus den USA, gab es in zahlreichen Städten und kleineren Vororten faschistische Aufmärsche. Ausschlaggebend für die Anti-CSD-Welle der Faschist:innen war der Naziaufmarsch gegen den CSD in der sächsischen Kreisstadt Bautzen. Bundesweit mobilisierten verschiedene faschistische Organisationen unter dem Motto „Gegen Gender-Propaganda und Identitätsverwirrung“ für ihre Gegendemo.

In mehreren Städten Deutschlands versuchten sie daraufhin selbiges zu wiederholen. Es wurden Regenbogenfahnen öffentlich verbrannt, Kaiserreichs- und Deutschlandfahnen geschwenkt oder Antifaschist:innen und LGBTI+-Personen wurde in der Nacht aufgelauert um sie krankenhausreif zu schlagen. Ähnliche Verhältnisse und Bilder war man zuletzt aus den 90er-Jahren nach den rassistischen Pogromen in Solingen, Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen gewöhnt.

Naziaufmärsche gegen CSDs: Nicht auf das System verlassen

Frauen gehören an den Herd und sollen sich um die Erziehung und Pflege von Kind und Angehörigen kümmern. Männer gehen arbeiten und versorgen die Familie – so oder so ähnlich das Familien- und Frauenbild der Faschist:innen. Transgeschlechtliche Personen brechen jedoch aus diesem binären Geschlechtersystem aus und stellen damit eine Bedrohung für die bürgerliche Kleinfamilie dar, die wiederum essenzieller Teil und das vorherrschende Familienbild im Kapitalismus ist. Die faschistische Bewegung als besonders aggressive Verteidigerin der kapitalistisch-bürgerlichen Gesellschaft bildet dabei die Speerspitze im Kampf gegen alles, was das System hinterfragt oder ins Wanken bringt.

Weder Regierung noch Unternehmen sind unsere Verbündeten!

Doch nicht nur Faschist:innen bedrohen unsere Existenz aktiv. Zwar versuchen gerade westliche Regierungen, sich immer wieder in ein progressives und fortschrittliches Licht zu rücken. Doch auch sie scheren sich um unser Leben und unsere Bedürfnisse recht wenig.

So gilt im Vereinigten Königreich seit dem 3. Juni ein Verbot für private Anbieter:innen, Pubertätsblocker für unter 18-Jährige zu verschreiben, sofern der Grund dafür Geschlechtsinkongruenz (Nicht-Übereinstimmung des zugewiesenen Geschlechts mit der Geschlechtsidentität der Person) ist. Pubertätsblocker sind Medikamente, welche die körpereigene Produktion von Geschlechtshormonen wie Östradiol und Testosteron vorübergehend stoppen. Die Pubertät kann dabei für viele transgeschlechtliche Personen viel Leid bedeuten, da sich in dieser Phase vor allem die (sekundären) Geschlechtsmerkmale wie Körperbehaarung oder Brust herausbilden. Ohne Pubertätsblocker wären junge transgeschlechtliche Personen also dazu gezwungen, die Pubertät ihres bei der Geburt zugewiesenen Geschlechts durchzumachen.

Zwar gibt es in Deutschland kein offizielles Verbot. Jedoch produziert auch hier die Pharmaindustrie nicht nach den Bedürfnissen der breiten Bevölkerung, sondern nach Profit. So wurde von einem zum anderen Tag der Vertrieb des Testosteron-Blockers Androcur durch den Pharmakonzern Bayer in der 10mg-Version eingestellt.
Damit bleiben transgeschlechtlichen Personen nur noch zwei Optionen: Entweder sie steigen auf das Produkt mit 50mg um. Das wäre aber nicht nur umständlicher, denn dann müsste man die Tablette achteln, um auf die tägliche Dosis von 2,5mg zu kommen. Es würde zudem auch das Risiko erhöhen, die Dosierung falsch abzuschätzen und damit Nebenwirkungen wie Depressionen oder die Bildung von Gehirntumoren zu steigern.

Die andere Option wäre, ähnliche Produkte aus anderen Ländern importieren zu lassen. Das würde aber um einiges mehr kosten. Zudem ist hier auch unklar, ob eine flächendeckende Versorgung gewährleistet werden könnte. Andere Blocker sind zudem oft qualitativ schlechter und haben noch mehr Nebenwirkungen.

Auch vermeintliche Zugeständnisse in Form des Selbstbestimmungsgesetzes bieten keine wirkliche Alternative: Alle Vorteile aus solchen Reformen können nämlich zu jeder Zeit rückgängig gemacht werden. Möchte Deutschland Krieg führen, dann verliert die – zwar nun etwas vereinfachte – Geschlechtsänderung ihre Wirkung: transgeschlechtlichen Frauen wird ihr Frau-Sein abgesprochen und als Männer werden sie in den Wehrdienst eingezogen.

Freiheit schenkt uns kein Gesetz

Mit der Frauenrevolution zu unserer Befreiung!

„Gedenken heißt Kämpfen“ ist ein bekannter Spruch, den wir auch am 20. November zum Trans Day of Remembrance Praxis werden lassen müssen. Denn wenn wir unserer, durch patriarchale und transfeindliche Gewalt ermordeten Klassengeschwister gedenken, dann müssen wir auch immer die Ursachen für ihre Tode aufzeigen und bekämpfen.

Konkret bedeutet das am 20. November, das Patriarchat als Wurzel für die Unterdrückung von transgeschlechtlichen Personen zu entlarven und anzugreifen. Das Patriarchat fußt auf der doppelten Ausbeutung der Frau als Arbeiterin und in den eigenen vier Wänden durch die kostenlose Verrichtung der Hausarbeit. Die kapitalistische Gesellschaft lässt zwischen der Frau, die an den Herd gekettet bleibt, und dem Mann, der wieder zum Versorger der Familie gemacht werden soll, keinen Platz für Personen, die aus diesem engen System ausbrechen.

Kampf der Gewalt gegen Frauen und trans Personen! Auf die Straße zum 20. und 25. November!

Unsere Befreiung wird uns dabei also keine Regierung schenken, die letztendlich nur dieses kranke System verwaltet und auf seinen brüchigen Mauern hält. Noch weniger wird sie uns vor der faschistischen Gefahr schützen. Unsere Befreiung werden wir uns nur mit der Frauenrevolution im Kampf gegen Kapitalismus und Patriarchat und damit der Befreiung aller Geschlechter erringen können!

Luis Tetteritzsch
Luis Tetteritzsch
Seit 2023 Autor für Perspektive Online. Schreibt gerne über die Militarisierung des deutschen Imperialismus und den Widerstand dagegen.Denn: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“

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