Am 30. November vor 60 Jahren wurde die revolutionäre philippinische Jugendorganisation „Kabataang Makabayan” gegründet. Sie wird zum Ursprung der „Partido Komunista ng Pilipinas”, einer der heute stärksten kommunistischen Organisationen mit revolutionärem Anspruch. – Eine Einordnung von Leonard Kies.
Die Philippinen: ein Land mit heute etwa 110 Millionen Einwohner:innen – bestehend aus 7.000 Inseln. Ein Land mit einer bewegten Geschichte von Unterdrückung und Widerstand.
Hunderte Jahre lang war der Inselstaat eine Kolonie Spaniens. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das südostasiatische Land dann zu einer direkten Kolonie der USA. Was war passiert?
Eigentlich hatte der Geheimbund Katipunan – in der philippinischen Sprache Tagalog steht dies für „Gesellschaft“ oder „Versammlung“ – im Jahr 1896 einen nationalen Unabhängigkeitskampf begonnen. Doch dieser wurde verraten. Im Jahr 1898 waren die Revolution zwar gewonnen und die Spanier geschlagen, doch dann wandten sich die USA als ehemalige Verbündete der patriotisch gesinnten Revolutionär:innen von diesen ab und besetzten das Land kurzerhand selbst.
Nach der nächsten Besatzung – dieses Mal durch das faschistische Japan im 2. Weltkrieg von 1942 bis 1945 – wurden die Philippinen dann in eine formelle Unabhängigkeit entlassen. Aber den Menschen, der Jugend, den Bäuer:innen war klar: die direkte Herrschaft hatte sich nur in eine indirekte verwandelt. Die Philippinen waren nicht frei.
Noch immer galt es, das Land von der Herrschaft der Großgrundbesitzer zu befreien. Millionen Bäuer:innen arbeiteten als Pächter:innen auf Ländereien, die ihnen nicht gehörten, obwohl sie es waren, die sie bearbeiteten. Noch immer war mit den USA eine ausländische Macht die bestimmende.
Keine echte Unabhängigkeit
Zehntausende Jugendliche gingen in der Nachkriegszeit durch Schulen, die mit amerikanischen Priestern besetzt waren, die Antikommunismus und die Freundschaft mit den USA predigten. Der angeblich unabhängige Staat bestand aus denselben Großgrundbesitzern und Verbündeten der USA, die auch die koloniale Verwaltung mitgebildet hatten.
Der Konflikt zwischen dem westlich-imperialistischem Lager und den sozialistischen Staaten war damals für die Weltpolitik bestimmend. Auch in den Philippinen. Die USA etablierten hier und in allen von ihnen dominierten Staaten radikal antikommunistische Regierungen – auch in der BRD.
Die im Jahre 1930 gegründete Kommunistische Partei, die den Widerstand gegen Japan angeführt hatte, wurde verboten. Sie war zu dieser Zeit zudem stark geschwächt und orientierungslos. Einige Widerstandskämpfer:innen führten zwar den Kampf gegen die Überbleibsel des japanischen Imperialismus und auch gegen die USA und ihre Helfershelfer weiter, aber es sah düster aus.
Die Jugend ist revolutionärer
Es waren die fortgeschrittensten Teile der Jugend, die in den folgenden Jahren die Flamme der nie beendeten Revolution für Unabhängigkeit neu entfachten. An den Universitäten organisierten sie in mühevoller Arbeit hunderte Studierende, die wiederum im ganzen Land, dann in Gewerkschaften und Landarbeiter:innenorganisationen wirkten. Angeführt wurden sie unter anderem von José Maria Sison, einem Englisch-Studenten und Julie de Lima, einer Spanisch-Studentin.
Am 30. November 1964 gründeten sie dann mit Kabataang Makabayan (KM) (dt. Patriotische Jugend) eine Organisation, die ihren Traum der unabhängigen und freien Philippinen organisiert in die Jugend tragen sollte. Schon vor den Revolten der Studierenden in den westlichen Staaten in den Jahren ab 1966 organisierte sich die Jugend in den Philippinen früh für Revolution und Klassenkampf.
Jose Maria Sison, Gründungsmitglied der kommunistischen Partei der Philippinen, ist verstorben
Doch KM war der alten geschwächten Führung der Kommunistischen Partei zu radikal und eigenständig gesinnt. Die Jugend machte sich eben ihre eigenen Gedanken: Wenn die Partei nicht mehr revolutionär sei, dann müsse man sie eben wieder revolutionär machen – so verstanden sich die jungen Revolutionär:innen selbst.
Der Druck, die Erfolge und der Elan der Jugend waren so groß, dass sie eine umfassende Kurskorrektur einleiteten. Ihre Forderung: Der bewaffnete Kampf für die Unabhängigkeit solle wieder aufgenommen werden. Ziel war es, sich nicht mehr auf Erfolge im Parlament und Posten in Gewerkschaften zu orientieren, sondern auf die Enteignung der Großgrundbesitzer und die Unabhängigkeit von den USA.
International war es das damals revolutionäre China, das Kabataang Makabayan (KM) inspirierte. Denn China hatte sich freigekämpft von imperialistischer Herrschaft, Besatzung durch Japan und sogar einen fortschrittlichen und sozialistischen Aufbau begonnen. Die Jugend aus KM gründete also am 26. Dezember 1968 die Kommunistische Partei erneut. Es entstand die Partido Komunista ng Pilipinas – heute oft mit dem englischen Kürzel CPP abgekürzt – die in der Folgezeit zu einer der stärksten maoistischen Organisationen weltweit werden sollte.
Wo es Widerstand gibt, gibt es Unterdrückung …
Aber die Antwort der Herrschenden auf die Träume nach Freiheit, Sozialismus und Unabhängigkeit blieb nicht aus: Im Jahr 1965 wurde Ferdinand Marcos zum Präsidenten gewählt – er sollte in den Folgejahren zum bisher brutalsten Diener der USA werden. Die alte Führung der Kommunistischen Partei – von der Jugend um Sison und de Lima aus der Partei ausgeschlossen – fiel auf Marcos herein und unterstützte ihn sogar. Denn wie alle Präsident:innen der Philippinen versprach er am Anfang sehr viel.
Auf die Proteste und Organisierungen der philippinischen Jugend reagierte Marcos dann mit besonderer Gewalt. Eine große Kampagne der revolutionären Jugend in den Jahren 1970 bis 1972, der sich Hunderttausende anschlossen, hatte die wiedergegründete CPP und ihre Armee, die New Peoples Army (NPA), massiv anwachsen lassen.
… wo es Unterdrückung gibt, gibt es Widerstand.
Marcos schlug daraufhin zu. Mit umfassenden Vollmachten ausgestattet, errichtete er eine brutale Diktatur, plünderte in den folgenden Jahren das Land massiv aus und stellte es den USA so offen als Aufmarschgebiet, Rohstofflieferant und Arbeitsmarkt zur Verfügung, dass selbst Konservative und Liberale immer mehr das Bündnis mit den Kommunist:innen suchten.
Es sind die ehemaligen Jugendlichen von KM, die anschließend den Hauptteil des Widerstands trugen. Hunderttausende wurde festgenommen, Tausende ermordet, gefoltert und verschleppt. Bis 1986 das Regime von Marcos zusammenbrach, weil Zehntausende in der Hauptstadt demonstrieren, verbrachte Sison zusammen mit vielen anderen viele Jahre im Gefängnis, seit 1987 befand er sich bis zu seinem Tod im Exil in den Niederlanden. Trotz aller Repression lebten die CPP und ihre Jugendorganisation KM weiter und führten die Proteste in gewichtigen Bereichen an.
Der Kampf um die Revolution geht weiter
Ihr Kampf ist hier noch nicht zu Ende. Denn auf die kurze Phase der Liberalisierung nach dem Ende der Marcos-Diktatur folgten Rückschläge und blutige Verfolgung.
Bis heute existiert Kabataang Makabayan im Untergrund. Und bis heute ist ihre Organisation einer der zentralen Orte der revolutionär gesinnten philippinischen Jugend, um ihre Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Die Jugend von 1964 hat mittlerweile Platz für neue Menschen gemacht, die den Kampf fortführen.
All dies zeigt: Die Geschichte der CPP und ihres Kampfs für Unabhängigkeit, Demokratie und Sozialismus ist vor allem die Geschichte der revolutionären philippinischen Jugend. Sie hat bewiesen, dass sie es ernst meint mit der Revolution – KM kämpft nunmehr seit genau 60 Jahren unter den widrigsten Umständen.
Heute gilt ihr Einsatz dem Widerstand gegen den Sohn von Ferdinand Marcos und dessen Programm der Korruption und Auslieferung des Landes an Weltmonopole. So wie sich die Unterdrückung und Ausbeutung der Philippinen nicht geändert hat, so auch nicht der Widerstand, den sie erzeugt. Auch hier bewahrheitet sich, was schon der deutsche Kommunist Karl Liebknecht über die revolutionäre Jugend erklärte: Die Jugend ist die „reinste Flamme der Revolution“.